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Politik

"Eine neue Dimension der Gewalt"

Nina Werkhäuser
10. Juli 2017

Der Hamburger G20-Gipfel wurde von 20.000 Polizisten geschützt. Trotzdem kam es zu Gewaltexzessen und schweren Krawallen. Welche Lehren zieht die Politik daraus?

G20 Demonstration Extremisten Schwarzer Block
Bild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

So hatte sich die Bundesregierung die Gipfel-Bilanz nicht vorgestellt: Die Bilder von brennenden Autos, geplünderten Geschäften und Steine werfenden Randalierern gingen um die Welt. Rund 500 Polizisten wurden verletzt und viele unbeteiligte Bürger geschädigt. "Ist das jetzt ein Imageschaden für Deutschland?", will ein ausländischer Journalist vom Regierungssprecher wissen, der mit ernster Miene von "bedrückenden Szenen der Gewalt" spricht - und das beim ersten G20-Gipfel mit Staats- und Regierungschefs, den Deutschland je ausgerichtet hat.      

"Heimlich über die Grenze"

Es wird schnell klar an diesem Montag: Die Bundesregierung wertet die Ausschreitungen am Rande des Gipfels als eine nie dagewesene Dimension der Gewalt - und sucht nach Erklärungen. Vor allem aus Süd- und Nordeuropa seien "Gewalttouristen" nach Hamburg gereist, berichtet Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz, und zwar eine mittlere dreistellige Zahl.

Obwohl Hunderte potenzielle Randalierer an den Grenzen abgewiesen worden seien, seien sie den Behörden durchs Netz gegangen. Ihre "Ausrüstung" - Stahlzwillen und Schutzkleidung - hätten sie heimlich in kleinsten Gruppen über die Grenze gebracht, betont der Innenminister. Und das lange bevor die Grenzkontrollen wegen des anstehenden Gipfels verschärft wurden.

Plünderungen in Hamburg Bild: DW/T. Sparrow

Die Randalierer hätten sich also von langer Hand auf die brutalen Ausschreitungen vorbereitet, die de Maizière "unfassbar und empörend" nennt. "Sie sind verachtenswerte, gewalttätige Extremisten, genauso wie Neonazis es sind und islamistische Terroristen". "Das hat Züge von Terrorismus", kommentiert auch SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz.

Europäisches Register 

Kritik am Einsatz der Polizei - zumindest an der Bundespolizei - weist die Regierung entschieden zurück. Welche Lehren zieht sie also aus diesem Desaster? Der Innenminister hält ein europäisches Register für sinnvoll, in dem Linksextremisten zentral erfasst werden. Man müsse sich allerdings auf Kriterien zur Einstufung der Linksextremisten einigen. In Deutschland gibt es eine solche Datei bereits, die von Bund und Ländern gemeinsam gepflegt wird. Sie wurde vor dem Gipfel auch genutzt.

Justizminister Heiko Maas (SPD) plädiert ebenfalls für einen besseren Austausch über extremistische Gewalttäter in der EU. "Wir haben eine neue Qualität der Gewalt erlebt, auf die wir auch mit mehr Kooperation bei der Bekämpfung von Extremisten reagieren sollten." Grünen-Chefin Simone Peter verweist dagegen auf das Schengener Informationssystem, das bereits den Informationsaustausch in Europa erlaube - und warnt vor "populistischen Schnellschüssen".

Linksautonome Zentren schließen? 

Neben den "Gewalttouristen" steht die linksautonome Szene am Pranger, die ihre Zentren in der Rigaer Straße in Berlin und in der "Roten Flora" in Hamburg hat: Die Flora habe Militante aus dem Ausland eingeladen und die Demonstration "Welcome to hell" in Hamburg angemeldet. Für CDU-Generalsekretär Peter Tauber haben die Zentren der linksautonomen Szene keine Existenzberechtigung mehr. "Beide können aus meiner Sicht nicht länger geduldet werden." Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) will prüfen, ob die "Flora" bleiben kann.

Mehr als 20.000 Polizisten schützten die Staats- und Regierungschefs und ihre Delegationen während des Gipfels Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Zu gefährlich in Großstädten?

Sollen große internationale Konferenzen wie der G20-Gipfel auch künftig in Großstädten stattfinden? Die Bundesregierung betont, sie stehe zu ihrer Entscheidung, den Gipfel in Hamburg abzuhalten - trotz der großen und aktiven linksautonomen Szene in der Stadt. "Wir werden nicht zulassen, dass eine Gruppe radikaler Gewalttäter darüber bestimmen darf, ob, wann und wo Staats- und Regierungschefs zusammenkommen", so Innenminister de Maizière.

Der SPD wäre es hingegen lieber, wenn die Gipfel künftig in der Nähe der Vereinten Nationen stattfänden, auf jeden Fall aber nicht mehr in einer deutschen Großstadt. Da nun aber der Schaden da ist, sollen die Hamburger, deren Geschäfte geplündert und Autos angezündet wurden, finanzielle Hilfe vom Bund erhalten - und zwar schnell und unbürokratisch.  

Nina Werkhäuser Reporterin
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