Eine neue Synagoge für Magdeburg - zwischen Freude und Angst
10. Dezember 2023Als letzte deutsche Landeshauptstadt bekommt Magdeburg wieder eine eigene Synagoge. Ein Grund zum Feiern - in schwierigen Zeiten für das jüdische Leben in Deutschland.
Sie haben seit Jahrzehnten dafür gekämpft: eine Synagoge für die größer werdende jüdische Gemeinde in Magdeburg. Rund 400 Mitglieder hat die Gemeinde nach eigenen Angaben. Seit langem feierten sie Gottesdienst in einer etwas außerhalb gelegenen Villa, die die Stadt zur Verfügung stellte und die provisorisch hergerichtet war. "Es war fast ein ewiger Prozess", sagt Maria Schubert von der Synagogen-Gemeinde Magdeburg. Von der konkreten Bauplanung bis zur Eröffnung am Sonntag habe es noch einmal rund zehn Jahre gedauert.
Damit ist Magdeburg die letzte der 16 deutschen Landeshauptstädte, die einen eigenen Synagogen-Neubau bekommt. Es ist nicht die erste Synagoge in Sachsen-Anhalt. Das jüdische Gotteshaus in Halle erlangte durch den gescheiterten Anschlag am höchsten jüdischen Feiertag Yom Kippur im Oktober 2019 weltweite Bekanntheit. Damals bewahrte nur eine stabile Tür, an der der rechtsextreme Angreifer scheiterte, Dutzende Jüdinnen und Juden im Innern des Gebäudes vor einem Massaker. Der Täter ermordete eine Passantin und einen Mitarbeiter eines Imbiss' - zufällige Opfer.
Wenige Wochen vor der Synagogen-Eröffnung in Magdeburg war bereits im Oktober in Dessau eine neue Synagoge im Stadtzentrum eröffnet worden.
Jüdisches Leben seit über tausend Jahren
In Magdeburg lebten vermutlich schon vor über tausend Jahren Juden. Immer wieder gab es Vertreibungen und Verfolgungen. Eine erste Synagoge wurde 1851 eröffnet.
Dieses Gotteshaus, zwischenzeitlich erweitert und prächtig ausgestaltet, fiel den Zerstörungen und dem Hass der Pogromnacht 1938 zum Opfer, als im gesamten Deutschen Reich Synagogen und jüdische Einrichtungen angegriffen, geplündert und oft auch in Brand gesetzt wurden. Zahlreiche Juden wurden getötet.
Der Bau der "Neuen Synagoge" in Magdeburg liegt kaum 250 Meter vom der Adresse "An der Alten Synagoge" entfernt, einem kleinen Platz, den Hochhäuser im DDR-Stil umgeben und zu dem zwei eindrücklich wirkende Skulpturen mit Texten des Gedenkens gehören. Sie erinnern an die 1521 Magdeburger jüdischen Glaubens, die von den Nazis im Holocaust ermordet wurden.
Im Vergleich zur bislang provisorisch genutzten alten Villa ist der Ort jüdischen Lebens nun deutlich näher am Stadtzentrum angebunden. Bis zu den Ständen des Weihnachtsmarkts sind es nur wenige Schritte. Maria Schubert: "Das ist ein großartiges Ereignis, dass wir unser Haus haben, das groß und schön und auch einladend ist."
Teure Sicherheit
Die Gesamtkosten des Baus sollten nach Gemeinde-Angaben 3,4 Millionen Euro betragen. 2,8 Millionen stellte das Land Sachsen-Anhalt zur Verfügung, knapp 500.000 Euro steuerte ein Förderverein bei. Das Grundstück für den Neubau stellte die Stadt zur Verfügung. Tatsächlich waren die Gesamtkosten am Ende mehr als doppelt so hoch, wegen gestiegener Baukosten, aber auch - Stichwort Halle - wegen vieler Sicherheitsmaßnahmen, die aus Bundesmitteln finanziert wurden.
So sieht man von außen nicht nur auf die fensterlose Fassade der Synagoge, die ein wenig erinnert an den Stein der "Klagemauer" in Jerusalem, der Westmauer des zerstörten Jüdischen Tempels. Es gibt auch Überwachungskameras und massive Zäune. Über allem steht in hebräischer Sprache ein Bibelzitat: "Denn mein Haus soll Haus des Gebetes heißen für alle Völker."
Die lange erwartete Eröffnung, die für Aufbruch stehen sollte, erfolgt nun nach dem Terror der Hamas am 7. Oktober gegen Israel, während des Krieges in Israel und dem Gazastreifen, während der Welle antisemitischer Anschläge und Übergriffe in Deutschland.
Maria Schubert von der Synagogengemeinde sagt der Deutschen Welle, nach ihrem Eindruck sei die Situation in einer Stadt wie Magdeburg "stabiler" als in Großstädten. Sie wisse aber von Gemeindemitgliedern, die vorsichtiger würden, die zum Beispiel ihre Kinder nicht zum festlichen und öffentlichen Einzug der Thora-Rollen vom Gedenkort "An der Alten Synagoge" zum Neubau schicken würden.
Sie wollten nicht, dass die Jüngsten etwaige Zwischenfälle oder beleidigende Rufe mitbekämen. Ältere Gemeindemitglieder seien da standhafter, sagt Schubert. Und sie dankt für das Engagement der Sicherheitskräfte und der zuständigen Behörden: "Wir fühlen uns sehr gut beschützt und in guten Händen."
Deutschland 2023. Eigentlich wird jüdisches Leben sichtbarer: Im Oktober erfolgte die Eröffnung der Synagoge in Dessau, nun Magdeburg. In wenigen Monaten soll in Potsdam der Bau eines repräsentativen jüdischen Gotteshauses in der Innenstadt eröffnet werden. Die Gerüste sind dort bereits gefallen.
"Wir sind ja nicht anders"
Für Maria Schubert ist der Einzug in die neue Synagoge in Magdeburg ein Zeichen von Normalisierung. Ein Zeichen, dass jüdisches Leben in einer säkular geprägten Stadt einfach mit dazugehöre. Es sei einfach da, so wie alles andere an religiösem Leben auch da sei. "Wir sind ja nicht anders", sagt sie: "Wir sind ganz genauso integriert in das Leben der Stadt."
Durchaus möglich, dass Magdeburg eines Tages eine weitere Synagoge bekommt. Denn seit gut 20 Jahren hat die Stadt auch eine kleinere liberale jüdische Gemeinde mit 120 Mitgliedern. Sie drängen auf ein eigenes Gotteshaus und hofften ursprünglich auf eine Einbindung im jetzigen Neubau. In der neuen orthodox geprägten Synagoge aber ist ihre Art des Feierns nicht möglich.