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Politik

Boris Johnsons Niederlagen in Serie

Barbara Wesel
5. September 2019

Drei Schlappen innerhalb von zwei Tagen: Das Parlament setzte das Gesetz gegen den No-Deal-Brexit durch und stimmt gegen Neuwahlen. Um doch Wahlen durchzusetzen, muss der Premier andere Wege finden. Von Barbara Wesel.

Brexit - Debatte im Unterhaus
Bild: picture-alliance/dpa/AP/House of Commons/J. Taylor

So kann man natürlich nicht regieren. Gegen den Willen des Premierministers übernahm das Parlament am Dienstag die Tagesordnung des Unterhauses, setzte am Mittwoch das Gesetz gegen den No-Deal-Brexit durch, um gleich im Anschluss auch noch Boris Johnsons Antrag auf Neuwahlen abzulehnen. Der Premier hat keine Mehrheit im Unterhaus, so viel ist klar. Ihm fehlen inzwischen mindestens 29 Stimmen. Kein Wunder, dass die Regierung am Morgen offiziell ihren Widerstand gegen das Gesetz zum Aufschub des Brexit aufgab. Das Vorhaben, das Gesetz im Oberhaus zu blockieren, werde nicht weiter verfolgt, hieß es in London. 

Was haben die Abgeordneten erreicht?

Sie handelten aus Verantwortungsgefühl für ihr Land, hatten die Oppositionsabgeordneten noch einmal bei der Schlussdebatte über ihr Gesetz betont, das Boris Johnson die Hände binden soll gegen einen harten Brexit ohne Abkommen mit der EU. Und die Gruppe von Tory-Rebellen, die sich am Vortag auf die Seite der Opposition geschlagen hatte, blieb standhaft bis zum Ende. Sie hatten auch nichts mehr zu verlieren, weil der Premierminister sie sofort nach der ersten verlorenen Abstimmung ohne Umstände aus der Partei geworfen hatte.

Inzwischen ist das Gesetz im Oberhaus, wo Johnson-Loyalisten mit Filibustern und Dutzenden von Änderungsanträgen versuchen wollen, eine Verabschiedung zu verzögern. Allerdings gibt es auch bei den Lords eine starke Mehrheit gegen einen No-Deal-Brexit, so dass das Gesetz am Ende wohl passieren wird. Dann kann es rechtskräftig werden, sobald die Queen es formal bestätigt hat.

Als nächstes wird sich das Oberhaus, das "House of Lords", mit dem Gesetz beschäftigenBild: picture alliance/AP Photo

Aber kann das Gesetz seinen Zweck erfüllen? Daran gibt es Zweifel, denn Boris Johnsons Aussagen dazu waren widersprüchlich. Einerseits erklärte er, er werde unter keinen Umständen in Brüssel um eine Verlängerung der Brexit-Frist bitten, wenn am 17. Oktober kein Abkommen mit der EU da ist. Andererseits sagte er, dass er sich an die Gesetze halten werde. Viele Labour-Abgeordnete wie Lisa Nandy haben Zweifel: "Ich habe in den letzten Wochen eine Sache über Boris Johnson gelernt: dass man kein Wort glauben kann, das er sagt". Im Prinzip erwarten daher alle, dass er die vom Gesetz gemachte Verpflichtung irgendwie umgehen wird.

Neuwahlen ja, aber wann?

Der einfachste Weg für den Premier führt über Neuwahlen. Die muss er jedenfalls erzwingen, denn derzeit ist er eine "lahme Ente" im Amt. Wenn er Wahlen gewinnt, dann könnte er die missliebige Vorschrift, der er den fiesen Namen "Kapitulations-Gesetz" verpasst hat, einfach wieder abschaffen. Der Begriff soll suggerieren, dass es ein Einknicken vor der EU wäre, weiter über ein Abkommen zu verhandeln und das Austrittsdatum noch einmal zu verschieben. Dabei gibt es einige Regierungschefs, wie den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, deren Geduld mit den britischen Problemen ziemlich am Ende ist und die den Brexit eher herbeisehnen.

Johnson will Wahlen am 15. Oktober, zwei Tage vor dem entscheidenden EU-Gipfel. Denn er will unbedingt sein Versprechen erfüllen, "um jeden Preis" am 31. Oktober die EU zu verlassen. Die Labour Party aber ist gespalten: Jeremy Corbyn sagt, er würde den Weg für Wahlen freigeben, wenn das No-Hard-Brexit-Gesetz rechtskräftig geworden sei. Das könnte am kommenden Montag der Fall sein. Sein Stellvertreter John McDonnell dagegen betont, er wolle zwar Neuwahlen, man könne dem Premier aber nicht vertrauen, daher will er erst nach dem entscheidenden EU-Gipfel wählen lassen. Das Timing ist hier entscheidend und Teile der Opposition versuchen jetzt, ihren Vorteil gegenüber dem Premier zu wahren.

Jeremy Corbyn, Vorsitzender der Labour PartyBild: picture-alliance/empics/House of Commons

Spätestens bis kommenden Montag muss sich die Opposition auf einen Wahltermin geeinigt haben, denn dann muss Boris Johnson mit einem zweiten Antrag kommen, der mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann. Sonst müsste er die Abgeordneten noch aus dem von ihm verordneten Zwangsurlaub zurückholen, was schon etwas peinlich wäre. Er aber verspottet die Labour Party und fordert sie heraus: "Dass die Labour Party so von Feigheit überwältigt ist, dass sie Neuwahlen ablehnen, ist politisch nicht durchhaltbar".

Chaos bei den Tories

Der Rauswurf von 27 teilweise langgedienten Tory-Abgeordneten zog noch am Mittwoch Kreise. Die Aktion geschah so schnell und rücksichtslos, dass andere Konservative erst mit Verzögerung Einspruch erhoben. Nach einem Treffen der Hinterbänkler wurde ein Brief an Boris Johnson geschrieben, in dem er aufgefordert wird, sich die Aktion noch einmal zu überlegen.

Zu den Rebellen gehörte auch der Enkelsohn von Winston Churchill, der Boris Johnson noch bittere Worte auf den Weg gab: "Ich habe immer geglaubt, dass das Ergebnis des Referendums anerkannt werden muss. Und ich habe für das Austrittsabkommen gestimmt, anders als mein Freund der Premierminister, der Fraktionsführer und andere Kabinettsmitglieder, die uns mit ihrer seriellen Illoyalität (unter Theresa May) inspiriert haben". Die zurückgetretene schottische Tory-Vorsitzende Ruth Davidson twitterte dazu: "Bei allem, was gut und heilig ist, wie kann in der konservativen Partei kein Platz mehr sein für Nick Soames?"

Boris Johnson aber vergoss am Abend im Interview mit ITV Krokodilstränen: "Das sind meine Freunde, ich habe keine Freude daran (an den Rauswürfen)". Der Satz muss wohl auf: "Das waren meine Freunde" korrigiert werden.

"Völlige Heuchelei"

01:15

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Boris Johnsons Masterplan

Die Kulturrevolution in seiner Partei aber gehört, ganz im Sinne der maoistischen Strategie, zu Boris Johnsons Masterplan. Er zerstört die Konservativen, indem er sich der traditionsgebundenen, gemäßigten und allzu liberalen Mitglieder entledigt. Die Partei war immer ein weites Zelt, aber der Premier will sie umbauen zu einer rechtspopulistischen Volkspartei. Und er will den Wahlkampf allein mit dem Brexit gewinnen. Die Idee ist, der Brexit-Partei die Wählerstimmen abzunehmen, indem Johnson sich als mindestens so unbeugsam und hart wie Nigel Farage zeigt. Könnte er die Stimmen aller britischen Brexit-Anhänger auf sich vereinen, wäre die Wahl schon gewonnen.

Aber ganz so einfach wird es wohl nicht. In Schottland etwa würden die Tories nach ersten Umfragen ausgelöscht und 10 ihrer 13 Sitze verlieren. Und in anderen Landesteilen ist die Frage, ob Traditionswähler den neuen radikalen Kurs mitmachen wollen. Dabei allerdings ist die Stärke von Boris Johnson die Schwäche seines Kontrahenten: Jeremy Corbyn hat seine politische Halbwertzeit spätestens seit dem Wahlkampf gegen Theresa May 2017 überschritten. Er dürfte der Labourführer sein, der für Boris Johnson ein einfacher Gegner ist, denn nach dem Herumeiern beim Brexit hatte die Partei bei der Europawahl schwere Einbrüche erlitten.

Dennoch wäre ein Wahlerfolg für Boris Johnson nicht gesichert. Zwar haben die Tories in den letzten Umfragen die Nase vorn, aber vier Wochen bis zu den möglichen Wahlen sind dieser Tage eine lange Zeit in der britischen Politik.

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