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Politik

Eine Petition schafft noch keine Debatte

17. Mai 2017

Die Zahl der Petitionen an den Bundestag ist rückläufig. In seinem Jahresbericht beklagt der zuständige Ausschuss die Konkurrenz durch private Petitions-Plattformen und wirbt für das verfassungsrechtliche Original.

Deutscjhland Symbolbild Petition
Bild: Getty Images/S. Gallup

Skurrile Petitionen wie die, Kindern bei Geburt einen GPS-Chip einzupflanzen, damit ihre Eltern sie später besser finden, seien die Ausnahme, sagt die Vorsitzende des Petitions-Ausschusses Kersten Steinke von der Linken. Im Großen und Ganzen liest sich die Petitions-Liste im Forum des zuständigen Bundestagsausschusses wie ein Who-is-who der - mehr oder minder aktuellen - Tagespolitik.

Da geht es um TTIP, das Gesundheitssystem, das Mietrecht und den Umweltschutz. Aber auch Nischenthemen wie die Forderung nach "Aufhebung des flächendeckenden Duldungszwangs der Jagd" oder nach der "Anerkennung von Delfinen als nicht-menschliche Personen" lassen sich aufstöbern. Es scheint, als verstehe sich der Petitions-Ausschuss des Bundestags nicht ganz zu Unrecht als "Seismograf, der die Stimmung der Bevölkerung aufzeichnet."

Allerdings gibt es laut Ausschuss-Vize Gero Storjohann von der CDU durchaus auch Menschen, die den rund 80 Mitarbeitern des Ausschussdienstes jeden Tag etwas zu tun geben - als Freizeitbeschäftigung so zu sagen. Dennoch brachten es die Petenten im Jahr 2016 insgesamt nur auf 11.236 gültige "Eingaben", wie es im Parlamentariersprech heißt. Weniger waren es zuletzt 1987, als man eine Petition noch per Brief einreichen musste.

Öffentliche Petitionen an den Bundestag

Seit 2005 geht das auch per Internet. In jenem Jahr änderte sich einiges im praktischen Umgang mit der Grundgesetzparagrafen 17, der jedem das Recht zusichert, sich "mit Bitten oder Beschwerden" an die Volksvertretung zu wenden: Insbesondere besteht seither die Möglichkeit, "öffentliche Petition" einzureichen, die dann im Petitions-Forum des Bundestags veröffentlicht, diskutiert und unterzeichnet werden können.

Die Betonung liegt jedoch auf "können". Denn im Gegensatz zur Petition selbst ist deren Veröffentlichung kein Grundrecht. Darüber entscheiden die Mitarbeiter des zuständigen Parlamentsausschusses. 2016 schafften es immerhin 633 Petitionen in die Öffentlichkeit des Online-Forums.

Online-Petitionen boomen - aber nicht beim BundestagBild: picture alliance/dpa/A. Heinl

"Dem Wunsch nach Veröffentlichung einer Petition wird nur etwa in jedem zehnten Fall entsprochen", schätzt der Soziologe Ulrich Riehm, der zwischen 2006 und 2011 die Modernisierung des Petitions-Wesens im Auftrag des Bundestags wissenschaftlich untersuchte.

Dass diese Praxis rechtens ist, bestätigte das Bundesverwaltungsgericht kürzlich in zwei Urteilen. Aber Riehm bezweifelt, dass dies auch politisch sinnvoll ist: Zu vage seien die Richtlinien. Für Petenten sei oft nicht nachvollziehbar, warum die eine Petition veröffentlicht wird, und ihre eigene nicht. Um das zu verhindern, schlägt Riehm vor, öffentliche Petitionen zu bündeln, wie es auch mit nicht-öffentlichen geschehe.

Konkurrenz mit privaten Petitions-Plattformen

Mit derlei Unwägbarkeiten mache sich der Petitions-Ausschuss jedenfalls nicht gerade beliebt, meint Riehm. Dies gelte umso mehr, da man seine politischen Belange über private Petitions-Plattformen wie Avaaz, OpenPetition oder Change.org relativ einfach veröffentlichen kann.

Bisher erkennt der Bundestag diese Art der Unterschriftenbeschaffung allerdings nicht an, "denn die dort gesammelten Unterschriften entsprechen nicht dem Standard, den der Petitions-Ausschuss des Deutschen Bundestages in seinen Verfahrensgrundsätzen festgeschrieben hat", heißt es auf der Ausschuss-Website. Riehm hält es aber für erwägenswert, dies zu ändern: "Warum sollten private Internet-Petitionen weniger wert sein als die Unterschriften, die ich auf dem Marktplatz sammle?"

Rechtsverbindlichen Charakter haben ohnehin beide nicht. Denn, ob ein Anliegen der Bundesregierung zur "Erwägung oder Berücksichtigung" vorgelegt wird, entscheidet ebenfalls der Petitions-Ausschuss. Das tat er 2016 in lediglich 21 Fällen, von denen drei abgelehnt wurden.

Angesichts dieser mageren Erfolgsaussicht, drängt sich die Frage auf, ob es nicht zielführender ist, über eine erfolgreiche Privatpetition eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen. Denn der einzige Rechtsanspruch, den ein Petent gegenüber dem Parlament hat, ist, eine Antwort zu erhalten.

Zwischen Anspruch und Realität

Laut Ausschuss-Richtlinien sollen die allerdings sogar auf Beschwerden gegeben werden, die weder den formalen Anforderungen, noch den allgemeinen Umgangsformen entsprechen. 

Eine persönliche Antwort - das ist für Riehm durchaus etwas, das der Bundestag privaten Petitions-Foren voraus hat. Dennoch glaubt er, dass der Ausschuss mehr tun muss, wenn er dem Anspruch seiner Vorsitzenden Kersten Steinke gerecht werden will, das Petitions-Recht noch bekannter zu machen.

Will Bundestagspetitionen bekannter machen: Ausschussvorsitzende Kersten SteinkeBild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Immerhin sind einige der Vorschläge, die Riehm und seine Forschungsgruppe im Auftrage des Bundestags erarbeitet haben, inzwischen umgesetzt: Seit November 2016 kann man seine Petition direkt von der Bundestagsseite in sozialen Netzwerken teilen. Zudem, heißt es im Jahresbericht, sei eine standardisierte Programmierschnittstelle eingerichtet worden, die es Internetseiten oder Smartphone-Apps erlaubt, ihren Abonnenten automatisch veröffentlichte Petitionen bereitzustellen.

Vielleicht lockt das den einen oder anderen Online-Petenten dann doch noch zum Bundestag. Seit 2010 stagniert der Anteil der Online-Petitionen im Bundestag bei einem Drittel. Die Schwankungen in der Gesamtzahl der Petitionen will Riehm übrignes nicht überbewerten. Die Kurve beschreibe seit 1949 eine Zick-Zack-Linie - wie die eines Seismographen eben, als der sich der Petitions-Ausschuss ja versteht.

Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.
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