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Menschenrechtskonzert Berlin

Anastassia Boutsko9. Oktober 2013

Zum siebten Jahrestag der Ermordung von Anna Politkowskaja haben Künstler in Berlin den Opfern politischer Verfolgung in Russland gedacht. Das Konzert "To Russia with Love" stieß auf großes Interesse.

Konzert der Berliner Philharmonie "To Russia with love" 07.10.2013 Orchester "Kremerata Baltica" unter Gidon Kremer. Copyright: DW/Anastassia Boutsko
Bild: DW/A. Boutsko

Das Projekt "To Russia with Love – Forum und Konzert für Menschenrechte in Russland" im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie wurde von Gidon Kremer initiiert und von "Amnesty International", "Lew Kopelew Forum", "Reporter ohne Grenzen" und zahlreichen weiteren Menschenrechtsorganisationen unterstützt. Kremer, ein Ausnahmegeiger und Leiter des "Kremerata Baltica"-Orchesters, engagiert sich seit vielen Jahren für die Menschenrechte in Russland, einem Land, dem der in Riga geborene und in Moskau ausgebildete Musiker tief verbunden ist.

Bereits 2009 und 2011 veranstalteten Kremer und seine Unterstützer ähnliche Gedenkkonzerte in Leipzig und Strassburg. Die Idee des Projektes ist, mit den Mitteln der Musik Aufmerksamkeit auf die Menschenrechtslage in Russland zu lenken und den "mundtot Gemachten eine Stimme zu verleihen", wie es Gidon Kremer in einem DW-Interview formulierte. "Wir wollen aber unsere Solidarität bewusst nicht auf bestimmte Namen reduzieren", unterstrich der Musiker. "Es geht uns um den weiten Kreis all derjenigen, die im heutigen Russland Opfer von Ungerechtigkeit und Unterdrückung sind."

Initiator Gidon KremerBild: picture-alliance/dpa

Das Berliner Konzert stieß schon vorab auf ein großes Interesse, zumal die Namen der Künstler wie etwa Daniel Barenboim, Martha Argerich, Daniel Pahud oder Sergei Nakariakov einen großartigen Musikabend versprachen. Der Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie mit seinen 1180 Plätzen war komplett ausverkauft, vor dem Haus hofften zahlreiche Musikliebhaber und Russlandfreunde mit "Suche Karte"-Zettel in der Hand auf ihr Glück.

Klartext von der Bühne

Den Ton des Berliner Abends gab die Literaturnobelpreisträgerin Hertha Müller an. Zierlich, in schwarz gekleidet, trat die in der Region Banat geborene Dichterin ans Mikrofon und schilderte ihren ganz persönlichen Blick aufs heutige Russland. Es sei geprägt, so Müller, vom "kleinen KGB-Mann", der seit mittlerweile 14 Jahren Russland regiert: "Wladimir Putin kombiniert alte Ideologie, neuen Reichtum, neue Bigotterie mit Revue-Kitsch. So entsteht eine schrille Mischung, in welcher Putin neben dem Staatsmann auch den Gottesfürchtigen mit gefalteten Händen, den Rambo mit nackter Brust und prallen Muskeln sowie den gelifteten Frauenliebling geben kann."

Auch dabei: Daniel BarenboimBild: DW/A. Boutsko

Im weiteren Verlauf des Abends rezitierten die Schauspieler Martina Gedeck und Sebastian Koch Texte von Anna Politkowskaja und Michail Chodorkowski. Die Journalistin und Regimekritikerin Politkowskaja, die sich unter anderem für Menschenrechte im Nordkaukasus einsetzte, wurde am 7. Oktober 2006, dem 54. Geburtstag von Wladimir Putin, in Moskau erschossen. Michail Chodorkowski, der bei seiner Verhaftung zu den erfolgreichsten Unternehmern Russlands zählte, ist seit zehn Jahren im Gefängnis.

Swetlana Gannuschkina, Mitglied des Menschenrechtsrats des russischen Präsidenten, berichtete von ihrer Verzweiflung angesichts der drakonischen Gesetze, die, trotz anderslautender Einschätzungen des Rats, von der russischen Staatsduma verabschiedet wurden: Vom berühmt-berüchtigten "Agentengesetz" bis zum Verbot der sogenannten "homosexuellen Propaganda".

Die Musik musste sich behaupten

Bei einer so massiven Präsenz des Wortes musste die Musik ihr Recht auf eine eigenständige Aussage erst einmal behaupten. Das war gar nicht so einfach. Zumal der Programmmacher Gidon Kremer unter anderem den über Jahre hinweg gefüllten Terminkalender seiner Musikerfreunde berücksichtigen und weitgehend auf die bereits vorhandene "Werke mit Russlandbezug" in deren Repertoire setzen musste.

Damit konnte das Programm einer gewissen Beliebigkeit nicht entkommen und vereinte Werke von sehr unterschiedlichem Kaliber wie etwa die 2. Sinfonietta von Mieczyslaw Weinberg und die Flöten-Version der Lenski-Arie aus Tschaikowskys "Eugen Onegin". Die Uraufführung des Stückes "The Angel of Sorrow" für Orchester und Kinderchor des Georgiers Giya Kancheli sollte den Höhepunkt des Konzerts bilden. Jedoch stieß das dem 50. Geburtstag von Chodorkowski gewidmete Werk auf ein geteiltes Echo bei Zuhörern und Kritikern.

Pianistin Argerich MarthaBild: Klavier-Festival Ruh

Erst als im zweiten Teil des Konzerts die Pianistinnen Khatia Buniatishvili und Martha Argerich die Bühne betraten, wurde Musik zu dem, was sie eigentlich ist, zum Raum absoluter Freiheit. Zur schönen Überraschung des Abends gehörte auch das Grand Rondeau von Franz Schubert, ein Klavierstück für vier Hände, das dem Abend abschließend eine versöhnliche, tröstende Note verlieh und im Einklang mit dem Motto des Konzerts "Für Russland mit Liebe" stand.