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Politik

Viruswoche in der Mitte Europas

Aureliusz M. Pedziwol
16. März 2020

Die Außenminister der Visegrád-Gruppe (V4) und Deutschlands sind sich einig, dass eine europäische Lösung der Corona-Krise nötig ist. Einen gemeinsamen Weg schlagen sie jedoch nicht ein.

Tschechien | Coronavirus: Leere Karlsbrücke
Die Karlsbrücke in Prag ist fast leerBild: picture-alliance/dpa/AP/D. Josek

An diesem Montag, dem 16. März 2020, gibt es die Visegrád-Gruppe (V4) de facto nicht mehr. Zumindest wenn es um die wichtigste Herausforderung dieser Tage geht, um die COVID-19-Pandemie. Auch wenn der tschechische Premier Andrej Babiš, dessen Land der Gruppe derzeit vorsteht, jeden Tag informiert, dass er mit den Regierungschefs der übrigen drei Staaten in telefonischem Kontakt steht. Aber was aus den Gesprächen folgt, bleibt unbekannt.

In allen vier Visegrád-Ländern gelten nämlich unterschiedlich definierte Ausnahmezustände. Ihre Grenzen - sogar die tschechisch-slowakische - sind gesperrt. Für Ausländer nach innen, für Inländer nach außen. Die heimkehrenden Einwohner unterliegen einer Zwangsquarantäne.

Tschechien: Grenzkontrolle für Einreisende am Übergang Ceska Kubice Bild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

Letztendlich wurde ganz Tschechien zum Quarantänegebiet erklärt. Einige tschechische Gemeinden sind wegen der hohen Zahl der Corona-Fälle sogar vom Rest des Landes isoliert.

Corona-Rennen in V4

"Wir haben uns verabredet, dass wir zusammenarbeiten werden", verkündete der tschechische Premier Babiš bereits am 4. März in Prag zum Abschluss des V4-Corona-Gipfels, den er auf Antrag seines polnischen Amtskollegen Mateusz Morawiecki einberufen hatte. An jenem Morgen hatte Tschechien drei COVID-19-Kranke, Polen meldete seinen ersten Corona-Fall, Ungarn und die Slowakei hatten noch keine. "Aber wir machen uns keine Illusionen", sagte Viktor Orbán auf Ungarisch und Peter Pellegrini wiederholte es auf Slowakisch.

Eine Woche später war der neue Krankheitserreger schon überall. Die V4-Länder riegelten sich von Tag zu Tag immer mehr von der Außenwelt ab. Und voneinander auch. Über Kooperation spricht keiner mehr. In der Sache COVID-19 gibt es die V4 nicht. Dagegen bekommt man den Eindruck, dass die Regierungen sich überbieten, um zu zeigen, wer die Situation besser meistert.

Visegrad-Gipfel in Prag (am 4. März): "Wir machen uns keine Illusionen"Bild: Reuters/D. W. Cerny

"Wir waren die ersten in Europa, die Flüge verboten, Quarantäne angeordnet, Grenzkontrollen eingeführt und Veranstaltungen mit über 100 Teilnehmern verboten haben", sagte Babiš am vergangenen Freitag in einem Interview. Nun wiederholt er dies bei fast jedem Auftritt, oft noch mit dem Zusatz: "Andere sind uns gefolgt."

"Diese Entscheidung treffen wir als eines der ersten Länder in Europa", rühmte sich Morawiecki ein paar Stunden später in einer Pressekonferenz, bei der er die Grenzschließung ankündigte. "Andere werden uns folgen. Genauso wie wir die ersten waren, die Schulen geschlossen und Massenveranstaltungen abgesagt haben. Die anderen Länder sind eindeutig im Rückstand."

Woche der Verbote

Bereits am Montag, dem 9. März, führte Tschechien Gesundheitskontrollen an seinen Grenzen zu Deutschland und Österreich ein. Die Slowakei verbot Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern.

Am Tag darauf checkte die Slowakei die Gesundheit jener, die aus Österreich, Tschechien und Ungarn einreisen wollten. Tschechien legte mit der Versammlungsregelung nach.

Am Mittwoch rief Ungarn die "nationale Gefahrenlage" aus. Die Slowakei ordnete die "außerordentliche Situation" ab dem nächsten Tag an. Pellegrini kündigte in Bratislava das Einreiseverbot für alle Ausländer an, außer jenen, die in der Slowakei polizeilich gemeldet sind. Eine halbe Stunde später rief Babiš in Prag den sofortigen "Notzustand" über ganz Tschechien aus. Für Bürger aus 15 Risikoländern wurde das Land gesperrt. Die Einwohner beider Staaten dürfen nicht mehr ausreisen. Für Einreisende wurde eine 14-tägige Quarantänepflicht verordnet.

Am Freitag dann sperrte Polen seine Grenzen. Ausländer dürfen seither nicht einreisen, egal woher sie kommen. Am Samstag rief die Regierung Warschau den "Zustand der epidemischen Bedrohung" aus.

Grenzschließung zwischen Zgorzelec und Görlitz: "Zustand der epidemischen Bedrohung"Bild: imago images/Future Image/M. Wehnert

Am Sonntagmorgen brachte das Online-Portal der tschechischen Tageszeitung "Lidové noviny" ein Interview mit Olga Jonas vom Institut für globale Gesundheit an der Harvard-Universität. "Das Schließen von Grenzen ist vielmehr ein politischer Schritt als etwas, das die Ausbreitung von Infektionen verringern kann", sagte die Expertin, die in der Weltbank für Reaktionen auf Pandemien zuständig ist. "Denn wenn Menschen in ihrem Land reichlich reisen, sind sie ebenfalls gefährdet."

Am Sonntagabend erklärte die tschechische Regierung ganz Tschechien zum Sperrgebiet. Ausgehen darf man nur noch in die Arbeit und um einzukaufen.

Gefahrenquelle "unkontrollierte Migration"

Wegen der Corona-Krise verzichteten die Außenminister der Visegrád-Gruppe und Deutschlands auf ihr geplantes Treffen in Prag. Anstatt dieses Tête-à-têtes gab es am vergangenen Freitag eine Videokonferenz. Deutschlands Außenminister Heiko Maas versprach aus Berlin eine Ausnahmeregelung beim Ausfuhrverbot für deutsche medizinische Schutzausrüstung.

Ungarns Außenminister Szijjartó: Gefahr durch "unkontrollierte Migrationswellen"Bild: Reuters/B. Szabo

"In Bezug auf die Migration erwarten V4 und Deutschland von Griechenland, die externe  Schengen-Grenze der EU zu schützen", sagte dann in Budapest der ungarische Außenminister Péter Szijjártó vor Journalisten. Seiner Meinung nach bringen "unkontrollierte Migrationwellen" Gesundheitsrisiken mit sich, "insbesondere in der jetzigen Situation".

Am gleichen Tag teilte Viktor Orbán in einem Rundfunkinterview seine "Erfahrung" mit, dass vor allem Ausländer die Krankheit eingeschleppt hätten und diese sich unter Ausländern ausbreite.

Jetzt hat eine neue Woche begonnen. Was sie bringt, weiß niemand so richtig.

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