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Glaube

Einfach nur mal kurz die Welt retten ?!

15. April 2024

Wie der Sendungsauftrag Jesu zur Entlastung werden kann. Chancen und Grenzen christlichen Engagements die Kirche von heute zu gestalten. Ein Beitrag der katholischen Kirche.

Symbolfoto Junge Frau in Neonbeleuchtung vor orangefarbenem Hintergrundmodell veröffentlicht
Bild: Elena Helade/Westend61/IMAGO

Ausgesandt wurde ich 2002 in meinem Bistum als Gemeindereferentin. Ich wollte die Menschen für meinen Glauben, für Jesu Botschaft begeistern, um damit Kirche und Welt ein bisschen besser zu machen. Seither kämpfe ich mit diesem Auftrag und dem enormen Anspruch, der darin steckt.  

Am Limit zu arbeiten im Auftrag der Kirche ist keine Seltenheit. Schließlich geht es um mehr, um Höheres! Das Empfinden persönlicher Berufung für diesen Dienst macht eine Abgrenzung, ein Trennen von Beruf und Privatleben besonders schwer. Pastorale Mitarbeitende sind da oft kein gutes Vorbild, wenn es um Achtsamkeit und den sorgsamen Umgang mit persönlichen Ressourcen geht, denn einen richtigen Feierabend kennen wir nicht. Frustration und Burnout sind keine Seltenheit in diesem Beruf.  

Nur eben kurz die Welt retten! So fühlt es sich an, wenn tausend Bälle in der Luft sind, wenn neben den eigentlichen Aufgaben innovative Ideen angestoßen werden sollen, die in meinem Arbeitsleben im Idealfall dazu führen, dass die Kirchenbänke nicht mehr leer bleiben und die Austrittszahlen sinken. 

Leider gelingt uns damit oft nur das Gegenteil. Indem ich über meine Grenzen gehe, verliere ich meine Strahlkraft und Begeisterungsfähigkeit. Nicht nur kann ich selbst nicht mehr begeistern, sondern ich werde in meinem Tun unglaubwürdig. Meine Botschaft und mein Handeln, mein Umgang mit mir selbst passen nicht mehr zusammen. Wie soll ich Gottes Liebe zu uns Menschen spürbar machen, wenn ich es mir selbst nicht wert bin, achtsamer und liebevoller mit mir umzugehen. Wie sollen wir unsere Nächsten lieben, wenn wir an uns selbst Raubbau treiben?!  

Dies gilt nicht nur für Hauptamtliche, sondern auch für Ehrenamtliche, die sich oft ganz ohne Bezahlung für die Kirche aufopfern. Nur eben kurz die Kirche retten?! 

Ein prägender Bibeltext ist für mich in diesem Zusammenhang Mk 6,6b-13 „Die Aussendung der Zwölf“. Es war das Evangelium meiner Aussendungsfeier 2002. Damals fand ich die Stelle im Kontext der Aussendung besonders passend, heute lese ich ihn im Zusammenhang mit den Herausforderungen unserer Zeit. Er ist für mich ein Leitfaden im Umgang mit mir, meiner Arbeit und meiner Berufung geworden. 

Zwei Verse sind mir besonders wichtig und handlungsweisend. Zum einen Vers 6,7: Jesus sendet seine Jünger aus, jeweils zwei zusammen. Was für eine wunderbare Sache, nicht allein unterwegs zu sein! Die Arbeit im Team war für mich in vielen Fällen besonders wertvoll und bestärkend. Hier konnte ich mich austauschen, konnte mir Rat holen oder Bestätigung. Große Teams gibt es heute leider nurmehr selten, aber es hindert uns niemand daran, uns Mitstreitende zu suchen. Wir dürfen uns Menschen an die Seite holen, die mit uns Ideen spinnen, die uns korrigieren oder den Spiegel vorhalten, die mit uns um den Glauben ringen, mit welchen wir Freude und Zweifel teilen können.  

Zum anderen Vers 6,11 „Wenn man euch an einem Ort nicht aufnimmt, dann geht weiter…“. Ein Satz in diesem Evangelium, der mir das Scheitern erlaubt. Welche Erleichterung zu wissen, dass es in Ordnung ist, wenn mir Dinge nicht gelingen, wenn mein Angebot oder meine Ideen nicht auf Gegenliebe stoßen. Es ist gut zu wissen, dass es in meiner Arbeit nicht um das Durchhalten oder um das Aushalten geht, sondern dass es in Ordnung ist, Dinge auch wieder bleiben zu lassen. Ich muss mich nicht aufarbeiten, ich darf auf mich achten. Und wenn mir das Eine nicht gelingt, so vielleicht das Andere.  

Noch schnell die Welt retten?! Dieser Versuchung unterliege ich heute nicht mehr so leicht. Ich bin gelassener geworden und versuche darauf zu vertrauen, dass mich der Heilige Geist führt. Ich mache mir bewusst, dass ich meine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen getan habe. Ob sie dann Früchte trägt, liegt nicht allein in meiner Hand. Und wenn ich scheitern sollte, kann ich es als Lernerfahrung sehen, die mir hilft, etwas Neues, etwas anderes in Angriff zu nehmen. Heute weiß ich um meine Grenzen und um meine Bedürfnisse. Ich erlaube mir auf mich zu achten und hole mir Unterstützung, egal ob kollegiale Beratung, Supervision oder einfach einen vertrauten Menschen.  

 

Agnes Arnold, Jahrgang 1975, ist dipl. Religionspädagogin und arbeitete als Gemeindereferentin und Jugendseelsorgerin im Erzbistum München und Freising. Zudem ist sie als Berufungsoach WaVe tätig und ist Mitglied des Digitalen Netzwerkes „Das Bodenpersonal“ des Bistum Osnabrück mit ihrem Instagram Account @allerlei.agnes . Im Dezember 2023 hat sie die Fachbereichsleitung Ausbildung Gemeindereferent:innen und Religionslehrer:innen i. K. übernommen.