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PolitikAsien

Berichterstattung aus Afghanistan vor dem Aus

19. August 2021

Die Rolle einheimischer Journalisten ist für die Berichterstattung aus dem Ausland kaum zu überschätzen. Ohne sie wäre auch die Arbeit der DW unmöglich. In Afghanistan befinden sie sich nun in akuter Lebensgefahr.

Journalist in Afghanistan filmt mit dem Handy in ein zerschossenes Auto hinein
Ein afghanischer Journalist filmt am 6. August das Auto, in dem ein Regierungssprecher ermordet wurdeBild: Rahmat Gul/AP/picture alliance

"Vor mir gibt das amerikanische Militär Warnschüsse in die Luft ab, hinter mir stürmen die Taliban ins Flughafengelände." So zitiert Natalie Amiri im deutschen Fernsehen aus einem Telefonat mit einer afghanischen Kollegin, die sie am Mittwoch vom Kabuler Flughafen aus angerufen hatte.

Als Moderatorin des ARD-Auslandsmagazins Weltspiegel arbeitet Amiri mit vielen sogenannten "Stringern" zusammen. So nennen Journalisten ihre einheimischen Kollegen, die ihnen im Ausland zuarbeiten: Sie liefern Foto- und Filmmaterial, arrangieren Interviews und Reportagen und sie helfen, Situationen vor Ort einzuschätzen. Amiri nennt ein Beispiel: "Ich möchte eine Menschenrechtsaktivistin begleiten, die das Land verlassen muss. Dann sage ich zu meinem Stringer: 'Such mir eine!'" Durch seine Vernetzung vor Ort sei er dann in der Lage, einen passenden Kontakt herzustellen.

Auch die DW arbeitet mit solchen Ortskräften zusammen. Auch sie sind verzweifelt, schreibt die Leiterin der Dari-Paschtu-Redaktion Waslat Hasrat-Nazimi in einem Tweet.

Ortskräfte sind "unabdingbar"

"Ohne den mutigen Einsatz einheimischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist Berichterstattung aus Ländern wie Afghanistan nicht denkbar", sagt Katja Gloger, Vorstandssprecherin der deutschen Sektion von "Reporter ohne Grenzen". Dabei gehe es nicht nur um wichtige organisatorische Dinge, sondern auch darum, einen Draht zur jeweiligen Gesellschaft zu finden.

Journalismus unter Lebensgefahr

02:51

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Als langjährige Moskau-Korrespondentin des Nachrichtenmagazins "Stern" weiß sie aus eigener Erfahrung, wie wichtig ein Netzwerk aus landeskundigen Kollegen ist. "Natürlich müssen sich im Ausland stationierte Korrespondenten intensiv mit den historischen und gesellschaftlichen Begebenheiten im Land auseinandersetzen, der jeweiligen aktuellen Entwicklung - aber für das Verständnis der oft komplexen Realitäten in einem Land ist der Austausch mit lokalen Journalistinnen und Journalisten und Stringern hilfreich und oft unabdingbar."

In manchen Ländern gehört mehr Mut dazu

Besonders in Kriegs- und Konfliktregionen und in Ländern, in denen die Ausübung der freien Meinungsäußerung nicht als Grundrecht verteidigt, sondern unterdrückt wird, gehe es Journalisten um viel mehr als um den bloßen Broterwerb, erklärt Gloger: "Sie leisten ihre oft so gefährliche Arbeit nicht nur für Geld. Es geht ihnen um die Freiheit der Presse, um unabhängige Information, Pluralität und Transparenz." In Afghanistan gelte dies insbesondere auch für Frauen, die ihren Anliegen eine Öffentlichkeit verschaffen wollten.

Einheimische Journalisten besonders gefährdet

Unter den Repressalien litten in solchen Systemen vor allem die einheimischen Berichterstatter und ihre Familien, sagt Gloger. In Afghanistan müssten sie um ihr Leben fürchten. Ausländische Journalisten seien zwar in gewisser Weise durch ihre Infrastruktur und auch durch ihren Pass geschützt. So haben sich diese Woche Taliban-Kämpfer auf den Straßen Kabuls von der US-Journalistin Clarissa Ward interviewen lassen, während andernorts afghanische Journalisten offenbar systematisch verfolgt und misshandelt werden.

Die CNN-Journalistin Clarissa Ward spricht in diesen Tagen auf den Straßen Kabuls mit Taliban-KämpfernBild: Brent Swails/CNN/AP/picture alliance

Gloger berichtet, dass in diesen Tagen Dutzende verzweifelte Anfragen bei Reporter ohne Grenzen eingingen, in denen afghanische Journalistinnen und Journalisten um Hilfe bei der Flucht aus ihrer Heimat und Unterstützung bei einer Evakuierung bitten.

Kollegen nicht dem Schicksal überlassen

Reporter ohne Grenzen gehört genau wie die DW zu den Organisationen, die in einem Offenen Brief an die Bundesregierung gefordert haben, Mitarbeitern, die Afghanistan verlassen wollen, dabei zu helfen. Wie dringend das ist, zeigt der Fall eines DW-Korrespondenten: Die Taliban hatten ihn gezielt gesucht. Dabei haben sie einen Angehörigen erschossen und einen weiteren schwer verletzt.

"Jahrelang haben unsere Korrespondent*innen zuverlässig und Informationen geliefert, von denen sich deutsche Medien bedient haben und die deutsche Öffentlichkeit profitiert hat", twittert DW-Journalistin Hasrat-Nazimi dazu. " Wir können sie jetzt nicht einfach ihrem Schicksal überlassen."

Sieg der Taliban: Rückkehr des Terrors?

42:31

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Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.
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