Warum das Einhorn seit Jahrhunderten populär ist
27. März 2025
In "Tod eines Einhorns" mit Jenna Ortega und Paul Rudd in den Hauptrollen präsentiert US-Regisseur Alex Scharfman erstmals Einhörner, die Jagd auf Menschen machen. Der Film, der in den USA am 28. März und in Deutschland Mitte Mai in die Kinos kommt, macht sich über die Superreichen lustig - und über die menschliche Profitgier. In den einsamen kanadischen Wäldern überfährt ein Mann ein junges Einhorn. Er nimmt es mit, und es landet schließlich in einem Labor. Bei wissenschaftlichen Experimenten stellt sich heraus, dass seine Körperteile heilende Kräfte haben. Der Chef wittert ein Millionengeschäft, weshalb er zur Jagd auf weitere Einhörner bläst. Doch dabei vergisst er die Eltern des getöteten Jungtiers, die auf Rache sinnen.
Auf den Spuren des Fabelwesens
Die Horrorkomödie ist eines der jüngsten kulturellen Produkte, sie sich des Fabelwesens bedienen. Ältere Darstellungen reichen bis in die Bronzezeit zurück. Ein Rind mit einem langen Horn wurde ab etwa 2600 v. Chr. häufig auf Siegeln der Indus-Tal-Zivilisation verwendet. Sie war in einem Gebiet, das heute zu Pakistan und Nordindien gehört, ansässig. Historiker entwickelten zu diesen Jahrtausende alten Abbildungen zahlreiche Theorien. Einige vermuten, dass das Siegel von "Rishyasringa" beeinflusst worden sein könnte: Er gilt in der hinduistischen und buddhistischen Mythologie als ein Weiser, der Hirschhörner hatte und Fruchtbarkeit symbolisiert.
Obwohl Einhörner nicht Teil der griechischen Mythologie sind, stammt der erste schriftliche Bericht über diese schwer fassbaren Kreaturen von einem griechischen Historiker namens Ktesias (ca. 400 v. Chr.). Er beschrieb einen einhörnigen "Monokeros": ein Tier ähnlich groß wie ein Pferd, mit weißem Körper, violettem Kopf und blauen Augen. Jeder, der aus seinem Horn trinke, werde von Epilepsie geheilt und sei außerdem gegen Vergiftungen gefeit, hielt er fest. Heutzutage sind Experten überzeugt, dass es sich bei dem von Ktesias beschriebenen Tier höchstwahrscheinlich um das indische Nashorn handelt.
Eine magische Kreatur
Legenden aus aller Welt berichten von den magischen Kräften des Einhorns: Es könne mit seinem Horn Wasser reinigen und sei unsterblich. Die Gerüchte über die heilende Wirkung des Einhorns waren so überzeugend, dass das Horn dieses Fabelswesens in der Renaissance bei Herrschern auf der ganzen Welt sehr begehrt war. Sie waren bereit, eine beträchtliche Summe zu zahlen, um ein Exemplar in ihrer Sammlung zu haben. In Wirklichkeit erwarben sei wohl eher Stoßzähne der Narwale, die als Einhorn-Hörner angepriesen wurden.
Aristoteles, Alexander der Große, Julius Cäsar und Königin Elisabeth I.: Sie alle glaubten an die Existenz von Einhörnern. Letztere bekam von einem ihrer Untertanen einen kunstvoll verzierten Stoßzahn geschenkt; sie hielt es für das Horn des Fabelwesens.
Ähnlich wie der Verzehr von gemahlenen Perlen angeblich Krankheiten heilen konnte, konnten Einhorn-Hörner angeblich Wasser zum Kochen bringen oder Getränke entgiften. Man musste sie nur in den Becher tauchen. Daher tranken Könige und Königinnen vorzugsweise aus mit Einhorn-Horn ausgekleideten Bechern, um gegen Giftanschläge immun zu sein.
Erst im 16. Jahrhundert stellte Ambroise Paré, eine der führenden medizinischen Autoritäten seiner Zeit, in seinem "Diskurs über die Mumie, das Einhorn, Gifte und die Pest" (1582) die dem Einhorn zugeschriebenen Eigenschaften in Frage - ohne jedoch den Glauben an die Existenz von Einhörnern zu entkräften.
Erst im 17. Jahrhundert wurde dann endgültig allen klar, es sich bei den kostbaren Einhorn-Hörnern in Wirklichkeit um Stoßzähne von Narwalen handelte.
Von einer Jungfrau gezähmt
Im um 2. Jahrhundert n. Chr. verfassten griechischen Bestiarium "Physiologus", einer Art frühem Lexikon über Tierarten, wurde das Einhorn als wildes Tier beschrieben, das nur von einer Jungfrau gefangen und gezähmt werden konnte.
Diese Assoziation zur Jungfräulichkeit setzte sich in der Kunstgeschichte fort. In Raffaels Gemälde "Dame mit dem Einhorn" (1505/1507) posiert eine junge Frau für den Maler. Auf ihrem Schoß liegt ein kleines Einhorn.
Auch auf Domenichinos Werk "Die Jungfrau und das Einhorn" (um 1604/1605), das sich im Palazzo Farnese befindet, ist ein junges Mädchen mit dem Fabelwesen zu sehen. Das Einhorn wurde oft als Symbol für Liebe, Ehe und Keuschheit verwendet. Allerdings zeigt dieses Bildnis die nicht ganz so keusche, skandalumwitterte römische Schönheit Giulia Farnese: Sie war die Mätresse von Rodrigo Borgia, dem späteren Papst Alexander VI.
Berühmte Wandteppiche - mit Einhorn
Zu den berühmtesten Kunstwerken mit Einhorn-Motiv gehören die luxuriös gewebten sieben Wandteppiche, die derzeit im "The Met Cloisters, einer Zweigstelle des Metropolitan Museum of Art, in New York City zu sehen sind. Ein namentlich nicht bekannter Künstler hat die Szenen für "Die Jagd auf das Einhorn" um 1500 entworfen. Das Tier wird gejagt und getötet, taucht aber auf dem siebten Teppich unversehrt und an einen Baum gekettet wieder auf.
Einige Kunsthistoriker sind der Ansicht, dass die roten Flecken auf dem angeketteten Einhorn kein Blut, sondern Granatapfelsaft darstellen, der vom Baum tropft; der Granatapfel gilt als Symbol für die Ehe und Fruchtbarkeit. Das Einhorn wird hier als Symbol des Geliebten interpretiert, der sich unterworfen hat - oder vielleicht sogar für den auferstandenen Jesus Christus.
Immer wieder wurde das Fabelwesen im Laufe der Jahrhunderte mit Themen des Christentums in Verbindung gebracht. Um 1500 wurde ein weiteres bahnbrechendes Werk des westlichen Kunstkanons gewebt: die sechs Wandteppiche "Die Dame und das Einhorn". Sie zeigen eine vornehm gekleidete Edeldame, die von verschiedenen Tieren umringt ist. Eines sticht unter ihnen besonders hervor: ein Einhorn.
Fünf der sechs Teppiche stellen Sinne dar: schmecken, hören, sehen, riechen und fühlen. Nur der sechste Wandbehang birgt ein Geheimnis. Er ist mit den Worten "À mon seul désir" (deutsch: "Auf meinen einzigen Wunsch hin") überschrieben und hat zu vielen Spekulationen Anlass gegeben. Verzichtet die Frau auf irdische Vergnügen?
Die kostbaren Wandbehänge sind derzeit im Mittelaltermuseum "Musée de Cluny" in Paris zu sehen und werden im Oktober 2025 für eine Ausstellung zum Thema "Einhorn" ins Museum Barberini nach Potsdam reisen.
Symbol der Liebe
Später in der Kunstgeschichte nutzte auch der surrealistische Künstler Salvador Dalí die Symbolik des Fabelswesens. In seiner 1977 geschaffene Skulptur "Das Einhorn" bohrt das Tier ein herzförmiges Loch in eine Wand. Neben ihm liegt eine Frauenfigur auf dem Boden. Laut Dalí symbolisierte das Werk seine Liebe zu seiner Frau Gala. In seiner Autobiografie schreibt er, dass er sich vorstelle, wie sie auf dem Einhorn reitet. Auch zeitgenössische Künstler wie Damien Hirst und Rebecca Horn haben Einhörner prominent in ihren Werken platziert.
Einhorn in Rosa
Inzwischen sind Einhörner auch in den sozialen Medien allgegenwärtig - mit pastellfarbenen Motiven, die auf nostalgischen Bildern basieren. Kinder der 1990er-Jahre werden sich an das farbenfrohe Regenbogen-Einhorn erinnern, das auf Schulsachen der Marke Lisa Frank zu finden war. Die erfolgreiche Zeichentrickserie "My Little Pony: Freundschaft ist Magie" (2010-2019), eine Neuauflage der "My Little Pony"-Spielzeugwerbung aus den 1980er-Jahren, trug ebenfalls zur Wiederbelebung der Einhörner bei.
Das farbenfrohe Einhorn dient auch als Symbol für die LGBTQ+-Kultur: Denn die magischen Eigenschaften des Tieres stehen für den Wunsch der Queer-Community, frei von den binären Normen der Gesellschaft zu leben.
Ob es nun auf den reich gewebten Wandteppichen des Mittelalters gejagt wird oder in Filmen wie "Tod eines Einhorns" die Hauptrolle spielt - die Anziehungskraft dieses mythischen Tieres wird wohl so schnell nicht verblassen.
Adaption aus dem Englischen: Suzanne Cords