Der Militärrat und die Opposition im Suden haben sich auf eine Übergangsregierung geeinigt. Eine Änderung der Verfassung soll die Machtbefugnisse zwischen beiden Lagern und die Organisation der Regierung regeln.
Anzeige
Beide Seiten seien sich über eine "Verfassungserklärung" einig geworden, teilte der Vermittler der Afrikanischen Union (AU), Mohamed Hassan Lebatt, mit. Dabei ging es vor allem um die Machtbefugnisse der gemeinsamen Übergangsregierung, die Stationierung der Sicherheitskräfte und eine Amnestie für ranghohe Militärs im Zusammenhang mit Gewalt gegen Demonstranten.
Unklar ist noch, ab wann die Vereinbarung gelten soll und wann die Übergangsregierung ernannt wird. Diese und andere technische Fragen seien Gegenstand weiterer Gespräche.
Nach der Bekanntgabe applaudierten die anwesenden Journalisten. Während die Militärvertreter umgehend den Raum verließen, blieben die Vertreter der Protestbewegung und beantworteten Fragen der Medien. Verhandler Ibrahim al-Amin sprach von "heiklen Fragen" wie Sicherheit, Unabhängigkeit der Justiz und Machtbefugnisse des Kabinetts, über die eine Einigung erzielt werden musste.
Vermittlung der Afrikanischen Union
Auch eine Regelung zur Einbindung der paramilitärischen RSF musste gefunden werden. Die Einheit wird von der Protestbewegung für tödliche Gewalt gegen Demonstranten verantwortlich gemacht. Deren Kommandeur, Mohammed Hamdan Daglo, ist der Vizechef des herrschenden Militärrats. Die RSF sind fortan den Streitkräften Rechenschaft schuldig, wie Monzer Abu al Maali von der Protestbewegung sagte.
In der Hauptstadt Khartum versammelten sich wegen der Nachricht spontan Menschen und feierten. Die Verhandlungen fanden unter Vermittlung der Afrikanischen Union und des Nachbarlandes Äthiopien statt und sollen den Sudan stabilisieren.
Das Ziel sind unabhängige Wahlen
Mitte des vergangenen Monats hatten der Militärrat und die zivilen Vertreter bereits ein Abkommen über eine Teilung der Macht geschlossen. Es sieht die Bildung einer Übergangsregierung vor, die drei Jahre und drei Monate im Amt bleiben soll. Am Ende dieser Übergangszeit sollen unabhängige Wahlen folgen. In der "politischen Erklärung" von Mitte Juli wird die Übergangsregierung als "souveräner Rat" bezeichnet. Das Gremium soll aus sechs Zivilisten und fünf Militärs bestehen. Es soll zunächst 21 Monate von einem Militärvertreter, und dann 18 Monate von einem Zivilisten geleitet werden.
Der ersten Einigung von Mitte Juli waren monatelange Unruhen vorausgegangen. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen wurden am 3. Juni bei einem Militäreinsatz nach Angaben von Ärzten 136 Menschen getötet und mehrere hundert weitere verletzt. Insgesamt wurden nach Angaben oppositionsnaher Ärzte seit dem Beginn der Proteste im Sudan im Dezember mehr als 250 Menschen getötet. Am 11. April war der langjährige Staatschef Omar al-Baschir gestürzt worden. Danach übernahm der Militärrat die Macht.
pgr/AR (afp, rtr, dpa)
Volk gegen Militär - Chronologie des Machtkampfs im Sudan
Seit der gewaltsamen Räumung eines Protestcamps in der sudanesischen Hauptstadt Khartum sind die Spannungen zwischen Demonstranten und Militär enorm gewachsen. Wir dokumentieren den Machtkampf in Bildern.
Bild: Getty Images/AFP/A. Shazly
Protest
Über Wochen hielten es sudanesische Demonstranten vor dem Verteidigungsministerium aus. Zu Tausenden forderten sie einen Übergangsrat, in dem auch Zivilisten über die Zukunft des Landes entscheiden können. Anfang Juni dann rückte das Militär gewaltsam gegen die Protestler vor. Dutzende Menschen starben.
Bild: Getty Images/AFP/A. Shazly
Im Namen der Nation
Ein Demonstrant mit der Nationalflagge in der Nähe des Hauptquartiers der Armee. Die Flagge steht für die Forderung der Demonstranten, die Zukunft des Landes gemeinsam zu gestalten, im Zusammenspiel von Militärs und Zivilisten. Käme es dazu, wäre das ein bedeutender Schritt in Richtung Demokratie.
Bild: Reuters
Warnsignale
In den Tagen vor dem Massaker von Anfang Juni hatte das Militär verstärkt Präsenz gezeigt. In den Augen vieler Demonstranten deutete das darauf hin, dass die Armee die Macht womöglich doch nicht aus den Händen geben wollte. Genau das hatten aber viele Sudanesen nach dem Sturz von Diktator Omar al-Baschir erhofft.
Bild: Getty Images/AFP
Ende einer Ära
Von 1993 bis zu seinem Sturz im April 2019 beherrschte Staatspräsident Omar al-Baschir den Sudan. Gegen Kritiker ging er in aller Schärfe vor. Um seine Macht zu halten, löste er 1999 sogar das Parlament auf. Zu dieser Zeit fand auch Al-Kaida-Chef Osama bin Laden Unterschlupf im Sudan. Vor allem aber bleibt sein Name mit dem Krieg gegen die Separatisten in der Provinz Darfur verbunden.
Bild: Reuters/M. Nureldin Abdallah
Der Diktator vor Gericht
Viele Sudanesen hatten lange Zeit darauf gehofft, den Diktator vor Gericht zu sehen. Tatsächlich erschien Omar al-Baschir am 16. Juni zu dem gegen ihn eröffneten Prozess. Vorgeworfen werden ihm vorerst Korruption und illegaler Besitz ausländischer Währungen. Nach seinem Sturz hatten Ordnungskräfte in seiner Villa ganze Geldsäcke im Wert von über hundert Millionen Dollar gefunden.
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Hjaj
Stimme der Frauen
An den Protesten beteiligen sich auch viele Frauen. Im Sudan genießen die Frauen seit jeher vergleichsweise große Freiheiten. Sie verstärken die Demonstrationen nicht nur quantitativ, sondern geben ihnen auch ein anderes Gesicht. Ihre Präsenz drückt den Wunsch vieler Bürger nach Demokratie und Gleichberechtigung aus.
Bild: Getty Images/AFP/A. Shazly
Ikone der Revolution
Die Archtitekturstudentin Alaa Salah ist zum Gesicht der Revolution geworden. Als sie im April auf das Dach eines Autos stieg und von dort zu den Demonstranten sprach, schoss ein geistesgegenwärtiger Fotograf dieses Bild. Seitdem wurden es in den sozialen Medien unzählige Male geteilt. Fotos wie diese sind ein wichtiger Bestandteil der Revolution geworden. Sie laden ein zur Identifikation.
Bild: Getty Images/AFP
Internationale Solidarität
Dank der sozialen Medien werden Proteste rasch in der gesamten Welt bekannt. Das gilt auch für die Demonstrationen im Sudan. Sie fanden rasch internationale Unterstützung, wie hier etwa im schottischen Edinburgh. Am Montag äußerten sich auch die EU-Außenminister. "Die EU fordert ein sofortiges Ende aller Gewalt gegen das sudanesische Volk", heißt es in ihrer offiziellen Erklärung.
Allerdings haben sich längst nicht alle Sudanesen gegen das Militär gewandt. Viele unterstützen es auch. Sie erhoffen sich eine straffe Regierungsführung. Allein durch sie, sind die Anhänger des Militärs überzeugt, lässt sich das Land in eine gedeihliche Zukunft führen. Das trauen sie vor allem dem auf dem Plakat abgebildeten General Abdel Fattah Burhan, dem Vorsitzenden des Militärrats, zu.
Bild: Getty Images/AFP/A. Shazly
In Wartestellung
Als der eigentlich starke Mann in den Reihen des Militärs gilt aber General Mohammed
Hamdan Daglu alias "Hemeti". Er führte jene Truppe, die die Proteste vor dem Militärsitz niederschlug. Während des Darfur-Kriegs war er Kommandant der Dschandschawid-Milizen, die gegen die Rebellen mit großer Brutalität vorgingen. Die Demonstranten fürchten, er könnte zum neuen Machthaber des Landes werden.
Bild: Reuters/M.N. Abdallah
Sorgen am Golf
Auch Politiker anderer arabischer Länder schauen mit Spannung und Nervosität auf die Entwicklung im Sudan. So etwa Mohamed bin Zayad al-Nahyan, der Kronprinz der Vereinigten arabischen Emirate (VAE). Wie auch Saudi-Arabien fürchten die VAE, der Protest könne als Beispiel einer gelungenen Revolution "von unten" in der Region Schule machen. Darum unterstützen beide Länder die sudanesischen Militärs.
Bild: picture-alliance/AP Photo/Ministry of Presidential Affairs/M. Al Hammadi
Der Nachbar im Norden
Auch in Kairo schaut man mit Sorge in Richtung Khartum. Die Regierung von Präsident Abdel-Fattah al-Sisi fürchtet, im Sudan könnten die Muslimbrüder an Einfluss gewinnen - eben jene Gruppe, gegen die die ägyptische Regierung im eigenen Land mit aller Macht vorgeht. Würden sich die Muslimbrüder im Sudan etablieren, so die Sorge, könnten sie von dort aus auch in Ägypten wieder erstarken.
Bild: picture-alliance/Photoshot/MENA
Einspruch ohne Ende
Im Sudan gehen die Proteste derweil weiter. Am Freitag (14.6.) forderte Sadiq al-Mahdi, seit Jahrzehnten einer der führenden Oppositionellen des Landes, eine Untersuchung zur tödlichen Räumung des Protestcamps. Den Militärs kann das nicht gefallen. Die Spannungen im Sudan könnten in eine neue Runde gehen.