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Politik

Auftakt zur Befriedung des Jemen?

6. November 2019

Die jemenitische Regierung und der "Südliche Übergangsrat" haben ihren bewaffneten Konflikt beigelegt. Die Vereinbarung könnte die Befriedung des gesamten Landes anstoßen. Doch das fordert weitere Anstrengungen.

Saudi-Arabien Riad | Einigung auf Friedensplan im Jemen
Bild: Reuters/Saudi Press Agency

Kommt nach dem kleinen nun der große Durchbruch? Immerhin: Fast parallel zur Vereinbarung zwischen der jemenitischen Regierung unter Präsident Abd-Rabbu Mansour Hadi und den Rebellen des Southern Transitional Council (STC, dt.: Südlicher Übergangsrat) kommt es nun womöglich auch zu Gesprächen zwischen der saudischen Regierung und Vertretern der Huthis.

Das kündigte Agenturberichten zufolge ein nicht namentlich genannter saudischer Offizieller an: "Riad ist im Gespräch mit den vom Iran unterstützten Huthis, um zu versuchen, den Bürgerkrieg in dem Land zu beenden." Damit bestätigte er offiziell Gespräche zwischen beiden Gruppen. "Wir haben zu den Huthis seit 2016 eine bestehende Verbindung", so der Offizielle weiter. "Wir setzen die Gespräche fort, um Frieden im Jemen zu unterstützen."

Die Ankündigung wurde am Dienstag publik - an demselben Tag, an dem auch die Kunde von der Vereinbarung im Süden des Landes die Runde machte. In diesem Konflikt hatte Saudi-Arabien vermittelt. Die Einigung sieht vor, dass der STC gleichberechtigt an der Zentralregierung beteiligt wird. Im Gegenzug unterstellt er seine Kämpfer der jemenitischen Armee.

Vorgesehen ist auch, dass sich sowohl die Regierungstruppen als auch die Kämpfer des STC aus der Gegend um die Hafenstadt Aden zurückziehen. Die Stadt, derzeit provisorischer Sitz der jemenitischen Regierung, war im August unter die Kontrolle des STC gefallen. Fortan sollen saudische Truppen für Frieden und Sicherheit in der Stadt sorgen.

Zeremonie in Riad: erfolgreiche Einigung am 5. November 2019Bild: Reuters/Saudi Press Agency

Hoffnung auf Beilegung des Bürgerkriegs

Die Regierung in Riad misst dem Durchbruch der Verhandlungen große Bedeutung bei. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman war bei der Unterzeichnung des Abkommens persönlich anwesend. "Diese Vereinbarung wird, so Gott will, zu umfassenderen Gesprächen zwischen den Konfliktparteien im Jemen führen, um eine politische Lösung zu finden und den Krieg zu beenden", erklärte er im Rahmen der Zeremonie. Auch der Kronprinz von Abu Dhabi, Mohammed bin Zayed al-Nahyan, wohnte dem Akt bei. Die Vereinigten Arabischen Emirate hatte den STC zunächst unterstützt, sich dann aber aus dem südlichen Jemen militärisch wieder zurückgezogen.

Auch der UN-Sondergesandte für den Jemen, Martin Griffith, äußerte sich optimistisch. Die Vereinbarung sei ein wichtiger Schritt, um die gemeinsamen Anstrengungen für eine friedliche Beilegung des Konflikts voranzubringen, schrieb er auf Twitter.

Saudische Interessen

Saudi-Arabien hat mehrere Motive, um die Gespräche im Süden zu moderieren. Der ehemalige saudische Botschafter in Washington, Turki bin Faisal, hatte Anfang November in einem Interview mit der Website Al-Monitor offen den schlechten Ruf des Landes eingeräumt. "Es ist offensichtlich, dass Ereignisse wie der 11. September (2001) und der Mord an Jamal Khashoggi einen stigmatisierenden Effekt auf das Königreich haben und wir die ersten sind, die darunter leiden", so der ehemalige Diplomat.

Auch das militärische Engagement im Jemen an der Seite von Präsident Mansour Hadi hat dem Ruf des Landes geschadet, insbesondere mit Blick auf die vielen Todesopfer. Bislang seien in dem seit gut viereinhalb Jahren anhaltenden Konflikt mehr als 100.000 Menschen gestorben, teilte in der vergangenen Woche das "Armed Conflict Location and Event Data Project" mit. Die Zahl umfasse auch 12.000 unmittelbar angegriffene Zivilisten. Auch infolge der katastrophalen humanitären Bilanz des Krieges ist auch im amerikanischen Repräsentantenhaus die Kritik an Saudi-Arabien zuletzt immer lauter geworden.

So könnte die Vermittlung im Jemen ein Schritt sein, den ramponierten Ruf des Landes wiederherzustellen. Allerdings ist Saudi-Arabien nicht nur Moderator, sondern auch Partei. Die nun wieder hergestellte Einheit im Süden könnte auch dazu dienen, die gemeinsame Front gegen die Huthis zu stärken, heißt es in einer Analyse des katarischen Nachrichtensenders Al-Jazeera.

Kampfbereit: iranische Soldaten in der Straße von Hormus, April 2019Bild: picture-alliance/XinHua/A. Halabisaz

Ebenso könnte sie aber auch dazu dienen, die Verhandlungsposition der Regierung, des STC und der internationalen Militärkoalition unter saudischer Führung gegenüber den Huthisund dem sie unterstützenden Iran zu stärken. Auch daran dürfte man in Riad nach Jahren eines höchst kostspieligen aber wenig effektiven Krieges erhebliches Interesse haben - insbesondere, nachdem sich die Spannungen an der Straße von Hormus ausgeweitet haben.

In dem Interview mit Al-Monitor beschrieb Turki bin Faisal eine diplomatische Lösung als durchaus denkbar: "Allerdings haben wir noch keine Anzeichen guten Willens (seitens des Iran, d. Red.) gesehen", schränkte er ein.

Mögliche Auswirkungen im Südjemen

Werbung für das Abkommen in Aden Anfang NovemberBild: REUTERS

Offen ist, was die nun geschlossene Vereinbarung zwischen Regierung und dem südlichen Übergangsrat für den Jemen bedeutet. Die Vereinbarung berge Risiken, so der katarische Politanalyst Said Thabet im Interview mit Al-Jazeera. Durch die Vereinbarung verleihe die Regierung den Aufständischen des STC, der für die Abspaltung des südlichen vom nördlichen Landesteil eintritt, Legitimität. "Diese Strategie wird auf die Regierung zurückfallen, denn der Südliche Übergangsrat hat an der Einheit des Jemen überhaupt kein Interesse. Durch die Vereinbarung wird der STC in die Lage kommen, politische Voraussetzungen für seinen Plan eines eigenständigen Süd-Jemen zu schaffen", so Thabet.

Doch so weit muss es nicht notwendigerweise kommen. Die Vereinbarung dient nach Einschätzung der Politikwissenschaftlerin Fatima al-Asrar vom "Middle East Institute" in Washington zunächst dazu, die Spannungen zwischen Regierung und STC zu verringern. "Jede Vereinbarung zum Süd-Jemen erforderte weitere Gespräche, um zu verhindern, dass sich dasselbe Szenario wiederholt", so die Wissenschaftlerin in Anspielung auf die Zweiteilung des Landes in die "Jemenitische Arabische Republik" (Nordjemen) und die "Demokratische Republik Jemen" (Südjemen) zwischen 1962 und 1990.

So hat die nun getroffene Vereinbarung zwischen Regierung und dem Südlichen Übergangsrat günstige Voraussetzungen für die Befriedung des Jemen geschaffen. Dass sie aber hält und sich dann auch auf die Gespräche mit den Huthis auswirkt, ist nicht ausgemacht. Die Diplomaten sind gefordert.

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika