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Einmal Jesus sein

21. April 2009

Eine halbe Million Besucher werden zu den nächsten Passionsspielen im bayrischen Oberammergau erwartet. Die Menschen kommen aus aller Welt, um dabei zu sein, wenn die Bewohner des Ortes die Jesus-Geschichte nachspielen.

Spielleiter Christian Stückl mit dem Plakat der Passionsspiele 2010 (Foto: picture-alliance/dpa)
Spielleiter der Passionsspiele: Christian StücklBild: picture-alliance / dpa

Trachtengeschmückt stehen die Fahnenträger von Oberammergau vor der evangelischen Kirche. Um neun Uhr beginnt der ökumenische Gottesdienst, und dann sind es nur noch wenige Stunden bis zur Bekanntgabe der Darsteller für die nächsten Passionsspiele.

Mitspracherecht

Noch am Abend zuvor, während der Gemeinderat vier Stunden lang hinter verschlossenen Türen über die Besetzungsliste diskutierte, wurde an den Stammtischen über die Organisation und den Spielleiter Christian Stückl gestritten. Das gehöre dazu, sagt Stückl selbst. "Wenn es keine Kontroversen mehr im Dorf gibt, dann ist das Passionsspiel tot. Wir müssen darum streiten, das ist eine gute Basis."

Die Darsteller werden bekannt gegebenBild: susanne lettenbauer

Für Stückl sind es die dritten Passionsspiele als Spielleiter und er hat einiges bewegt. Unter anderem schrieb er den seit 1860 gültigen Text des Dorfpfarrer Joseph Alois Daisenberger mit seinen antisemitischen Tendenzen um. Die seit 1820 gespielte Musik von Rochus Dedler bearbeitet – bis heute – Stückls langjähriger Freund Markus Zwink. Und im vergangenen Jahr beschloss er, die sechs Stunden dauernden Vorstellungen in die Abendzeit zu verlegen. Dagegen gab es ein Bürgerbegehren, doch Stückl gewann. Anderenfalls hätte er den Job hingeschmissen. Heute ist der Streit fast vergessen und Stückls künftige Entscheidungen unantastbar.

Gespanntes Warten

Im Passionstheater spricht der junge Christoph Stöger derweil vor gut 3000 Zuhörern das Gelübde von 1633: “Eingedenk des Gelübdes und getreu des Versprechens unserer Vorfahren werden wir Oberammergauer im Jahr 2010 das Passionsspiel aufführen. “

Männer mit BartBild: susanne lettenbauer

An den Hängen liegt noch Schnee an diesem kühlen, aber sonnigen Tag, an dem die Oberammergauer auf die Bekanntgabe der Darsteller warten. Unter ihnen Martin Norz, Leiter des Hauptamtes der Gemeinde Oberammergau. Die Haare gehen ihm bis zur Schulter, der Bart sprießt. Seit Aschermittwoch müssen alle Oberammergauer, die eine Rolle übernehmen wollen, Haare und Bärte wachsen lassen. So will es die Tradition. Martin Norz, heute 44, kennt die Prozedur. In den vergangenen zwei Passionen 1990 und 2000 hing er als Jesus am Kreuz. Er freut sich darauf, dass nun wieder mit den Proben begonnen werden kann, egal, wen er spielen soll. "Ich bin jetzt so ziemlich offen, ich habe ja zweimal den Jesus gespielt und kann jetzt ohne Druck warten. Und wofür ich auserwählt werde, das mache ich dann auch."

Jesus ist der Pressesprecher

Um Punkt 13 Uhr werden die Darsteller mit Kreide an eine Tafel geschrieben. Der Name von Martin Norz steht bei der Rolle des Judas, der Name von Stückls Vater Peter Stückl bei der Rolle des Annas, den zuvor schon der Großvater gespielt hat. Der Name von Anton Burkhard, im Beruf Förster und vor zehn Jahren der zweite Jesusdarsteller steht bei der Rolle des Kaiphas. Fredrik Mayet, im normalen Leben Pressesprecher der Passionsspiele muss ab sofort den Text von Jesus lernen.

Autorin: Susanne Lettenbauer
Redaktion: Petra Lambeck