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Einmal Revolution und zurück

Kersten Knipp 28. Februar 2014

Mehr als drei Jahre nach dem Sturz Mubaraks tritt Ägypten auf der Stelle. Die Wirtschaft kommt nicht in Gang, das politische Klima verschärft sich. Vor allem zeigt sich: Die neuen Eliten sind die alten Eliten.

Ein ägyptischer Polizist am dritten Jahrestag der Revolution in Kairo, 25.1.2014 (Foto: REUTERS)
Bild: Reuters

Anhaltender Terrorismus im Sinai, hohe Arbeitslosigkeit und hohe Inflation: Auf eine sonderlich erfolgreiche Regierungszeit kann der Ende Februar (24.02.2014) zurückgetretene ägyptische Ministerpräsident Hasim el-Beblawi nicht zurückblicken. Sicherheit und Stabilität hatte er versprochen, doch in den knapp sieben Monaten seiner Amtszeit haben sich die Probleme des Landes noch einmal verschärft. Weder konnte er dem Land wirtschaftliche Perspektiven weisen, noch konnte er die Ausbreitung politisch motivierter Gewalt verhindern.

Dennoch: Wenn Beblawi nun das Handtuch warf, schreibt die Zeitung Al Quds al Arabi, tat er das nicht freiwillig. Er musste gehen, schreibt die Zeitung. "Denn der weitere Verbleib Beblawis im Amt hätte die politische Glaubwürdigkeit des Systems vollständig untergraben." Das aber konnte Ägyptens neuer starker Mann sich nicht leisten. Schließlich hatte er mehrfach versprochen, dass sich die Dinge unter seiner Regie als Oberkommandierender der Streitkräfte und als womöglich kommender Staatspräsident zum Besseren wenden würden.

Grundlegende Strukturprobleme

Wäre Beblawi länger im Amt geblieben, hätte er das aufgewühlte Land befrieden können? Vermutlich wohl nur in Ansätzen, denn die Probleme, denen er sich gegenüber sah, lassen sich innerhalb weniger Wochen oder gar Monate kaum verändern. So kranke das Land etwa an einer wirtschaftlichen Kultur, die unternehmerischen Erfolg sehr schwer mache, sagt Christian Wolff, Politikwissenschaftler an der Universität Erlangen und Gründer des Blogs Fokus-Nahost. Nach wie vor seien dem Land die Prinzipien einer freien sozialen Marktwirtschaft fremd, außerdem habe es nach wie vor mit dem Problem der Korruption zu kämpfen. "Ich sehe keine Ansätze, dass diese Dinge sich ändern."

Gescheitert: der zurückgetretene Premierminister Hazem el-BeblawiBild: REUTERS

Eingeschränkte Bürgerrechte

Und noch etwas konnte Beblawi nicht stoppn: die Gewalt der Staatsorgane gegen politisch Andersdenkende. Seit dem Sturz des damaligen Präsidenten Mohammed Mursi Anfang Juli 2013 starben mehr als 1300 seiner Anhänger in Auseinandersetzungen mit den ägyptischen Sicherheitskräfte. Auch die säkularen Demonstranten - jene also, die im Januar 2011 auf die Straße gingen und dazu beitrugen, dass der damalige Präsident Hosni Mubarak stürzte - mussten inzwischen erkennen, dass die neue Staatsgewalt auch gegen sie vorgeht: Bekannte Aktivisten wie der Gründer der Bewegung Sechster April Ahmed Maher und der Blogger Alaa Abd El-Fattah sitzen seit vergangenem November in Haft. Ein neues, im November 2013 erlassenes Demonstrationsrecht gibt der Regierung die rechtliche Handhabe, 'robust' gegen Proteste vorzugehen.

Auch die Pressfreiheit ist bedroht. Derzeit müssen sich 20 Mitarbeiter des Nachrichtensenders Al-Jazeera vor einem ägyptischen Gericht verantworten. Die Anklage lautet auf "Bildung eines terroristischen Mediennetzwerks". Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International stuft den Prozess als richtungsweisend für den künftigen Umgang des Staates mit den Medien ein: "Dieser Schritt sendet die gruselige Botschaft, dass in Ägypten heute nur eine Sichtweise akzeptabel ist: die von den ägyptischen Behörden gewünschte."

Moderner Maulkorb: Journalisten solidarisieren sich mit in Ägypten verhafteten KollegenBild: picture-alliance/dpa

Unternehmer suchen ihren politischen Kurs

Ursprünglich hatten die ägyptischen Unternehmer große Hoffnungen in die Militärs gesetzt. Einige von ihnen hatten sich bereits zu Zeiten Mubaraks kritisch zu den Missständen im Land geäußert. Sie taten das über Fernsehkanäle und Zeitungen, die sie gekauft hatten. Tatsächlich liest sich die Liste der Eigentümer der großen ägyptischen Tageszeitungen wie ein 'Who is who' der ökonomischen Elite des Landes. Die Zeitung Al Masry al Youm gehört dem Medienunternehmer Naguib Sawiris und seinem Kollegen Salah Diab, der sein Geld in den Bereichen Energie und Landwirtschaft verdient. Die Zeitung Al Watan gehört dem Bauunternehmer Mohamed al-Amin, in dessen Besitz sich auch die Zeitung Al Youm al Saba´a befindet. Al-Sabah gehört dem Dienstleister Ahmed Bahgat.

Sie alle hatten vor allem den harten religiösen Kurs der Muslimbrüder gefürchtet und in den Monaten nach Mursis Sturz massiv gegen ihn und seine Anhänger Stellung bezogen. Jetzt aber, sagt Christian Wolff, seien sie damit befasst, ihre künftige Position neu zu bestimmen. "Sie müssen sich jetzt wieder einordnen, und sie werden sich in den Machtdiskurs einordnen. Und das ist das Militär, das ist Al-Sisi." Am Militär käme künftig in Ägypten niemand mehr vorbei, ist Wolff überzeugt. "Es hat extremen Einfluss, und den wird es sich nicht mehr nehmen lassen - und zwar weder von der neokapitalistischen Elite noch von der eher mittelständisch geprägten Schicht aus der Muslimbruderschaft."

Eine enttäuschte Generation

Wie Al-Sisi diese Machtfülle nutzen will, ist derzeit noch nicht deutlich absehbar. Bisher steht nicht einmal ein Termin für die Präsidentschaftswahlen statt. Bis dahin wird auch offenbleiben, wie Al-Sisi das Land aus der Krise führen will. Vor allem ist ungewiss, wann und ob das überhaupt gelingen wird, sagt Christian Wolff. Er erwartet, dass sich vor allem für junge Ägypter in absehbarer Zeit wenig ändern wird - die Desillusionierung einer ganzen Generation sei die Folge. "Denn die Grundprobleme, deretwegen gerade die jungen Leute auf die Straße gegangen sind - sie hatten keine berufliche Zukunft, keine Würde, sie wurden vom Staat unterdrückt - haben sich ja nicht geändert."

Kein Grund zum Feiern: der dritte Jahrestag der RevolutionBild: DW/M. Hashem