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Gesellschaft

Russe strandet am Frankfurter Flughafen

Nikita Batalov mb, mo
21. April 2020

Ein russischer Student, der trotz Corona-Pandemie nach Deutschland flog, sitzt im Flughafen Frankfurt fest. Wie Tom Hanks im Film "Terminal" schlägt er sich in der Transitzone durch. Zurück nach Moskau will er nicht.

Michail Nowosjolow wohnt seit Tagen in der Transitzone des Frankfurter Flughafens
Michail Nowosjolow lebt seit Tagen in der Transitzone des Frankfurter FlughafensBild: M. Nowoselow

Er will unbedingt in Berlin studieren. Aber Michail Nowosjolow ist der Einzige eines Sonderfluges aus Moskau, dem die Einreise in Deutschland verweigert wurde. Nun sitzt der 23-Jährige seit Tagen in der Transitzone des Frankfurter Flughafens fest, denn reguläre Flüge nach Russland gibt es derzeit nicht.

Der junge Russe wollte in Deutschland ein Austauschsemester an der Humboldt-Universität in Berlin machen. Am 17. April - wenige Tage vor Semesterbeginn - traf er zusammen mit 133 Russen, die aber ständig in Deutschland leben und mit dem Sonderflug aus Russland evakuiert wurden, in Frankfurt ein. Laut der Einreiseverweigerung der Bundespolizei in Frankfurt am Main, die in Kopie der DW vorliegt, habe Nowosjolow kein "dringendes, notwendiges Einreiseinteresse" vorbringen können. Seit dem 17. März gilt wegen der weltweiten COVID-19-Pandemie ein EU-weites Einreiseverbot für alle Drittstaatsangehörige.

"Letzte Chance auf Auslandssemester"

Michail studiert in der sibirischen Stadt Tomsk Soziologie. Es sei für ihn "die letzte Chance auf ein Auslandssemester", sagte er der DW. Denn nach seinem Studium in Russland, das er bald abschließen wolle, werde es zu spät dazu sein. Schon vor einem Monat flog Michail nach Deutschland. Auch damals sei ihm in Berlin die Einreise verweigert worden - mit der Begründung, er habe in Deutschland keinen Wohnsitz, so der Student. Dabei habe er schon damals die "Zusicherung" für ein Zimmer im Studentenwohnheim gehabt. Die Verwaltung der Uni habe nur noch auf seine Unterschrift unter dem Vertrag gewartet.

Doch Michail musste zurück nach Moskau. Fast einen Monat verbrachte er in der russischen Hauptstadt. In einer Whatsapp-Gruppe, organisiert von Menschen, die in Deutschland leben und in Russland festsitzen, erfuhr Michail von der "glücklichen Gelegenheit", wie er sagt, mit einer Sondermaschine von Moskau nach Frankfurt zu fliegen. Also kaufte er ein Ticket und beschloss, es noch einmal zu versuchen.

Der Frankfurter Flughafen bleibt wegen der Corona-Einschränkungen leerBild: M. Nowoselow

Vorher habe er sich aber bei der Deutschen Botschaft erkundigt und diese habe ihm bestätigt, dass sein nationales Visum für eine Einreise genüge, so Michail. Doch nach deutschem Recht entscheiden über eine Einreise letztendlich die Grenzbeamten. Die Einreise-Verweigerung im Fall des russischen Studenten wurde - laut ausgehändigter Bescheinigung - damit begründet, dass Nowosjolows Aufenthalt "eine gegenwärtige, schwerwiegende Gefährdung eines Grundinteresses" darstelle und "die öffentliche Gesundheit" gefährde.

So lebt es sich im Terminal

Nach dem Schock über diese Nachricht begann Michail, sich im Transitbereich am Frankfurter Flughafen einzurichten. Geholfen habe ihm ein Mitarbeiter der Lufthansa. Dieser sei zufällig vorbeigekommen und habe sich seine Geschichte angehört, berichtet der Student. Auf diese Weise sei er an ein Klappbett gekommen. Nun kann er in der Transitzone schlafen und Flughafenmitarbeiter versorgen ihn mit Lebensmitteln. "Sie fragten mich sogar, was ich mag und ob ich Allergien habe", so Michail. Zudem bekam er Duschmarken und konnte sich nach Tagen endlich wieder waschen. Seinen Koffer hat er aber noch nicht zurück.

Die meiste Zeit verbringt Michail alleine und spaziert durch die ungewöhnlich menschenleeren Hallen des Frankfurter Flughafens. Manchmal komme er mit anderen Passagieren ins Gespräch, die in dieser Pandemie-Zeit unterwegs sind, sagt er. Darunter seien drei Bulgaren gewesen, denen auch die Einreise nach Deutschland verweigert worden sei. 

Rückreise nach Russland völlig unklar

Unterstützung findet der junge Mann bei Freunden, aber auch bei Mitgliedern jener Whatsapp-Gruppe, in der sich Rückkehrer aus Russland zusammengefunden haben. Viele würden sich erkundigen, wie es ihm gerade gehe, erzählt Michail. Ihnen berichtet er, wie er sich mehrmals am Tag bei der Bundespolizei melden muss. Sie habe seinen Pass einbehalten und ihm ein vorläufiges Dokument, einen "Transit-Pass", ausgestellt, so der Student.   

Michail muss nun auf einen Rückflug nach Moskau warten. Doch derzeit gibt es sehr wenige Flüge. Wie lange er noch im Flughafen bleiben muss, ist ungewiss. Er sagt, die deutschen Behörden würden einen Flug in die weißrussische Hauptstadt Minsk in Erwägung ziehen. Von dort solle er nach Russland weiterreisen, wovor Michail sich aber fürchtet. "Unklar ist, wie ich mich dort in Quarantäne begeben soll und wie ich nach Russland komme, denn die Grenzen sind ja zu", sagt er.

Bewusst ein Risiko eingegangen

Seine Hoffnung, doch noch in Deutschland bleiben zu können, hat Michail nicht aufgegeben. Er versucht, über das Internet in Berlin einen Wohnsitz anzumelden. Aus seiner Sicht wäre dies gegenüber den Grenzbeamten ein Argument für seinen Verbleib in Deutschland. Zudem prüft ein Anwalt, der Michail von Bekannten empfohlen wurde, seinen Fall.

Michail sagt, von ihm gehe keine Gefahr für andere Menschen aus. In Moskau sei er auf COVID-19 negativ getestet worden. Zu einem weiteren Test in Deutschland sei er bereit. "Ich kann mich auch im Wohnheim für zwei Wochen in Quarantäne begeben, wenn ich ins Land einreisen darf", so der junge Russe. Er gibt zu, mit seinem zweiten Flug nach Deutschland ein Risiko eingegangen zu sein. "Ich wusste nicht, wann sich wieder eine Gelegenheit bietet. Das Visum könnte bis dahin ablaufen und jetzt werden keine neuen mehr vergeben."

Dieser Artikel wurde am 25.04.2020 um 15.00 Uhr korrigiert.

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