Ein bayerisches Dorf gegen den Klimawandel
20. April 2019Der Dorfladen in Grafenaschau sieht aus wie die meisten Häuser in dem kleinen bayerischen Dorf.
Es hat ein großes Schrägdach mit breiten Traufen und ist halb aus Holz, halb aus Stein gebaut. Der Stil ist so typisch wie Lederhosen, Weißbier und Weißwurst in diesem besonderen Teil Deutschlands.
"Das ist alpenländisch, aber kein 'Jodlerstil'. Wir wollten nicht, dass es übertrieben Bayerisch ist", scherzt Hubert Mangold, als er die Menschen auf dem Weg in den Laden herzlich begrüßt. Er versucht sich diplomatisch auszudrücken, meint aber Häuser mit bunt bemalten Fensterläden, bei denen alles ein wenig zu viel ist.
Aber es sind nicht nur die Gebäude, die Brauchtum und die starke Verbundenheit mit der regionalen Identität des süddeutschen Bundeslandes Bayern widerspiegelt. Die Meisten der hier angebotenen Bio-Produkte kommen aus der näheren Umgebung und werden auf traditionelle Weise hergestellt.
Bürgermeister Mangold, lässig gekleidet in kurzer Jeanshose und einem karierten Hemd, weist auf das Angebot hin: Heumilch, Schnaps und Likör aus einer nahe gelegenen Brennerei, saisonales Obst und Gemüse aus der Region und das gefragte, traditionell gemahlene Mehl.
"Wir müssen jede Woche Mehl nachkaufen, weil es uns regelrecht aus den Regalen fliegt", erklärt Mangold lebhaft mit starkem Dialekt.
Es gibt einen Grund für die Begeisterung:
Der kleine Supermarkt ist erst seit ein paar Monaten geöffnet und befindet sich, seit der letzte Dorfladen vor einigen Jahren geschlossen wurde, im Aufbau. Viele Dorfbewohner sind glücklich, dass sie nicht mehr ständig die 10 Kilometer in die nächstgelegene Stadt Murnau fahren müssen.
"Es ist super, dass es regionale Produkte gibt", sagt eine Frau, die gerade eine Freundin getroffen hat, "auch für die Dorfgemeinschaft. Du triffst immer jemanden und das ist einfach toll."
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Es ist auch besser für die Umwelt - ein Thema, das Mangold sehr am Herzen liegt.
"Das hängt alles eng mit dem Klimawandel zusammen. Früher mussten die Leute mindestens einmal pro Woche nach Murnau zum Einkaufen fahren. Jetzt können die Menschen das Auto stehen lassen. Jede Fahrt nach Murnau bedeutet CO2-Ausstoß", sagt der Bürgermeister.
Lokale Aktionen
Der Klima- und Umweltschutz steht im Mittelpunkt vieler Projekte in dem malerischen Dorf mit 600 Einwohnern.
Die Stadtverwaltung will Grafenaschau mit Solarenergie energieunabhängig machen. Sie hat Blumenwiesen angelegt, als Lebensraum für Insekten und Bienen, und Bienenstöcke aufgestellt, für lokal erzeugten Honig, den man im Dorfladen kaufen kann.
Es gibt viele ähnliche Geschichten in diesem Teil Bayerns, wo Bürger versuchen, ihre Dörfer und Städte nachhaltiger zu machen.
Eine Reihe von Kommunen arbeitet gemeinsam an Umweltprojekten, zum Beispiel an der Umstellung auf regionale, grüne Energie, um sich bis 2035 von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen.
"Vor allem die kleinen Kommunen wollen hier eine Vorreiterrolle einnehmen", sagt Florian Diepold, der Klimaschutzbeauftragte von Garmisch-Partenkirchen, einem Landkreis nahe der deutschen Alpen. "Es gibt viele kleine Projekte, wie das in Grafenaschau mit seinem Dorfladen und dem Versuch, eigene Energie zu produzieren."
Unerwartete Herausforderungen
Aber ein Projekt, wie den Dorfladen auf die Beine zu stellen, bringt einige Herausforderungen mit sich. Wer so ein kleines Geschäft führt, muss viel häufiger selbst Hand anlegen als die Leitung einer großen Supermarkt-Kette, bei der alle Produkte Barcodes haben und die Informationen digitalisiert sind.
"Natürlich ist auch gerade am Anfang mehr zu tun, weil es keine festen Strukturen gibt. Man muss vielmehr selbst organisieren", sagt Diepold.
Die Preise für jedes Produkt müssen die Ladenbesitzer mit den Landwirten und Lieferanten in der Region verhandeln und in die Kasse eingeben. Die Produkte bestellen sie manuell. Es gibt keinen Standard, kein einheitliches System für all die unterschiedlichen Bio-Lieferanten.
"Du musst sicherstellen, dass du deine Nachbestellungen bekommst, du musst Dinge selbst abholen. Es ist eine Menge Arbeit", bestätigt Mangold. Aber ein paar Leute im Dorf springen immer ein und das sorgt dafür, dass alles "klimaneutral" ist.
"Obst beziehen wir zum Beispiel von einer Gärtnerei in München", sagt der Bürgermeister. "Wir haben jemanden, der sowieso dorthin fahren muss und er bringt das Obst mit. Wir verursachen keine zusätzlichen CO2-Emissionen, das ist die Idee."
Aber dann gibt es noch das finanzielle Risiko. Das Geschäft gehört den Dorfbewohnern, einige sind Anteilseigner und persönlich betroffen, sollte das Projekt scheitern. Mangold glaubt, dass Bund und Länder mehr tun könnten, um die Kommunen zu unterstützen, im Kampf gegen den Klimawandel und um die Umweltbilanz zu verbessern.
"Ohne Zweifel hat die große Politik bei der Arbeit geschlafen. Was wir wirklich brauchen, ist eine bessere Finanzierung und dass der bayerische Staat uns unterstützt", sagt Mangold.
Auch der Klimaschutzbeauftragte Diepold sagt, dass das Meiste, was die Kommunen für den Klimaschutz tun, völlig freiwillig geschehe und die mangelnde Unterstützung von Bund und Ländern bei Gesetzen und Finanzen dazu führe, dass sie in ihren Möglichkeiten eingeschränkt blieben.
Er, in seiner Funktion, hat zum Beispiel immer nur befristeten Verträge. Über dessen Verlängerung muss der Gemeinderat abstimmen - dazu verpflichtet ist er aber nicht.
"Es wäre wirklich gut für unsere Arbeit, wenn es eine Art Rechtsgrundlage für den Klima- und Naturschutz gäbe, die in das Grundgesetz aufgenommen würde", sagt Diepold.
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Erhalt des Dorflebens
Zurück im Laden kauft Mangold einen Kaffee und ein Pflaumenstreusel - eine für die Region typische Spezialität - und scherzt mit der jungen Frau, die seine Bestellung aufnimmt. Er hat hier fast sein ganzes Leben verbracht, wie die meisten Menschen im Dorf.
Einige ziehen für eine Weile zum Studieren oder Arbeiten weg, aber viele kommen zurück, um ihre Kinder in Grafenaschau aufzuziehen: "Die Leute kommen immer wieder. Wo sollten sie auch sonst leben wollen? Die Gegend hier ist herrlich", sagt Mangold.
Und er will, dass es so bleibt. In den letzten Jahren, so sagt er, haben sie immer häufiger mit Wetterextremen zu tun gehabt, darunter starke Regenfälle und Erdrutsche.
"Das Beste, was wir tun können, ist die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen und die Menschen ermutigen, beim Klimaschutz mit gutem Beispiel voranzugehen", sagt Mangold.