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Eintracht-Fans kritisieren UEFA-Kollektivstrafe

Felix Tamsut
7. November 2019

Letzter Ausweg: leere Ränge. Wegen wiederholten Ausschreitungen sperrt die UEFA die Fans von Eintracht Frankfurt für zwei Spiele in der Europa League. Eine Kollektivstrafe, die Anhänger und Vereine kritisch sehen.

Fußball UEFA Europa League Standard Lüttich v Eintracht Frankfurt
Bild: picture-alliance/dpa/M. Becker

Die Europa Liga ist einer der Leckerbissen für Stadiongänger. Abwechslungsreiche Austragungsorte und exotische Gegner locken treue Fans, die weit reisen, um ihren Verein zu unterstützen. Insbesondere die Fans von Eintracht Frankfurt sind für ihre Leidenschaft bekannt – bis zu 15.000 von ihnen sieht man bei manchen Auswärtsspielen.

Genau diese Fans fehlten bei der unglücklichen 1:2-Niederlage der Eintracht bei Standard Lüttich, und sie werden auch beim nächsten Auswärtsspiel in London beim FC Arsenal fehlen. Die Disziplinarkammer der UEFA hatte die Sanktionen aufgrund von Ausschreitungen beim Spiel zwischen Eintracht und Vitoria Guimaraes verhängt. Es war der jüngste Vorfall in einer ganzen Reihe: Bereits am 10. Januar war die SGE wegen wiederholter Randale ihrer Anhänger zu einem Zuschauer-Ausschluss auf Bewährung und einer Geldbuße von 80.000 Euro verurteilt worden. Die Dauer der Bewährung war auf zwei Jahre festgelegt worden. Schon damals war angedroht worden, dass bei erneuten Vorfällen die Eintracht-Fans nicht zum nächsten Auswärtsspiel fahren dürfen.

Diese Bewährung hatten die Eintracht-Fans strapaziert: Bei den Europa-League-Playoff-Spielen gegen Racing Straßburg war es trotz Bewährung zu Ausschreitungen gekommen. Daraufhin hatte die UEFA die Frankfurter zu einer Geldstrafe in Höhe von 58.000 Euro verurteilt. Erst der jüngste Vorfall zog die harten Sanktionen nach sich. 

Die Eintracht-Fans fühlen sich ungerecht behandelt. In den Sozialen Medien betonen sie , dass die Stimmung erst kippte, nachdem die Polizei Vitoria-Anhänger in den Gästeblock durchließ.

Christine, die ihren richtigen Namen nicht in der Presse lesen möchte, war in Portugal dabei. "Wir haben nur mitgekriegt, dass sich die Leute immer näher zu uns ran bewegt haben. Mich hat es gewundert, dass keine Pufferzone war, dass keine Polizei da war." Christine sagte aber auch, dass sie sich zu keinem Zeitpunkt bedroht fühlte. "Ich dachte mir, ja, es fliegt noch mal was und dann ist es wieder gut. Und das war auch der Fall."

Die Strafe der UEFA wird Christine treffen. Wie viele andere auch hat sie bereits Flüge samt Unterkunft für die anstehenden Auswärtsspiele gebucht. "Nach Lüttich werden wir nicht fahren, aber London machen wir aber auf jeden Fall. Unsere Tickets sind nicht stornierbar", sagte sie vor dem Spiel bei den Belgiern und war überzeugt, dass die meisten Eintracht-Anhänger so verfahren würden. "Es wird genau so sein wie bei dem Spiel gegen Chelsea letzte Saison. Wir holen uns dann einfach die Tickets für Sitze bei den Heimfans."

Im Auswärtsblock flogen Sitze Richtung der gegnerischen Fans, als Frankfurt Eintracht gegen Vitoria Guimaraes spielteBild: Getty Images/O. Passos

Vorgemacht haben es 200 Anhänger von Roter Stern Belgrad. Trotz einer Auswärtssperre der UEFA setzten sich die serbischen Fans in London in den Heimblock der Anhänger von Tottenham Hotspur. Aus Sicherheitsgründen mussten dann die beiden Gruppen wieder voneinander getrennt werden.

 "Wenn du mich fragst, ist es viel gefährlicher wenn so viele Fans im Stadion verteilt werden. So wird es aber wahrscheinlich auch bei Arsenal sein." In Lüttich waren ebenfalls ein paar vereinzelte Frankfurt-Fans im Stadion. 

In Deutschland sind Kollektivstrafen in Verruf gekommen

Kollektivstrafen sind umstritten Der DFB hat im Jahr 2017 seinem Disziplinarkomitee offiziell empfohlen von solchen Maßnahmen abzusehen. In den geltenden Disziplinarrichtlinien sind Kollektivstrafen nur als letzte Option in Extremfällen vorgesehen. In einem Interview mit dem Rechtsmagazin LTO, nannte der Vizepräsident des DFB Rainer Koch rassistische Sprechchöre von Fans als mögliches Beispiel. In so einem Fall wären "Maßnahmen unausweichlich, die auch Unbeteiligte treffen", so Koch.

Den Trend Kollektivstrafen zu reduzieren gibt es nicht nur in Deutschland. Ronan Evain, der Geschäftsführer von Football Supporters Europe (FSE), ein europaweites Netzwerk von Fußballfans, sagt, dass die meisten großen Europäischen Ligen dabei sind, sich davon zu verabschieden. Seine Organisation lehnt Kollektivstrafen grundsätzlich ab. "Das wirft Fragen auf, wenn viele für die Taten von wenigen bestraft werden." 

Die Deutsche Welle hat bei der UEFA nachgefragt, wie effektiv Kollektivstrafen wirklich sind. Als Antwort gab die Organisation an, keine Statistiken zu diesem Thema zu führen. Auch zu Sicherheitsfragen in Bezug auf Disziplinarverfahren wollte sich die UEFA nicht äußern.

Einspruch von Ajax abgelehnt

Ajax Fans sind ebenfalls von einer Kollektivstrafe getroffen worden. Sie dürfen beim Champions League Spiel gegen Chelsea nicht dabei sein. Ähnlich wie bei Eintracht Frankfurt, gab die UEFA "Zuschauerausschreitungen" und "Sachbeschädigung" als Begründung an. In den Sozialen Medien findet man Videos, die mutmaßlich Aufnahmen von einer Schlägerei vor dem Mestalla Stadium in Valencia zeigen, am Tag des Spieles. Dort spielte Ajax letzten Monat.


Ajax Fans wurden ebenfalls durch Sanktionen der UEFA getroffenBild: Getty Images/AFP/N. Wenstedt


Christian Visser ist Anwalt. Er vertritt oft Fußballfans aus den Niederlanden und arbeitet auch Eng mit Ajax-Fans zusammen. Er sagt: "Einen Klub wegen Problemen im Stadion zu sanktionieren ist die die eine Sache, aber einen Verein dafür verantwortlich zu machen, was außerhalb des Stadiums passiert, finde ich nicht fair."

Der Vorstandsvorsitzende vom AFC Ajex, Edwin Van Der Sar, sieht es ähnlich. Er nannte die Entscheidung der UEFA "enttäuschend und ungerecht." 

Visser findet die Reaktion erstaunlich: "Ajax ist meistens zurückhaltend wenn es um Fanzwischenfälle geht." Laut Visser werden in vielen Fällen Unbeteiligte durch die Maßnahmen getroffen. Er sagt, dass die Unruhestifter oft selbst keine Karten für die Spiele haben.

Ronan Evain vom FSE sagt: "Nur wenn die UEFA völlig transparent ist, werden die Fans solche Entscheidungen nachvolllziehen können. 

"Die Interessen der Fans müssen berücksichtigt werden"

Durch die Kollektivstrafen hat die UEFA unter den enthusiastischsten Fans viel Vertrauen verspielt. Insbesondere die Intransparenz der Organisation und bei der Begründung der Sanktionen, frustriert viele. "Die Behörden und die UEFA müssen die Interessen der Fans berücksichtigen", sagt Ronan Evain vom FSE. Ein weiteres Problem sei, dass viele der Entscheidungen erst sehr kurzfristig, eine Woche vor dem Spiel, bekannt gegeben werden.

Die Fans der Eintracht sind immer in großer Zahl bei den Auswärtsspielen vertretenBild: Getty Images/M. Hitij

Ronan Evain fände es besser, wenn Behörden und UEFA zusammenarbeiten würden, um die wirklichen Täter auszumachen und zu bestrafen. "Wenn du das Gesetz brichst, ist es deine individuelle Entscheidung das zu tun. Und deswegen sollte man auch nur Individuen bestrafen." Eintracht Frankfurt-Anhängerin Christine stimmt dem zu:

"Wenn jemand zu schnell auf der Autobahn fährt, bekommen nicht alle einen Strafzettel."

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