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Politik

Einwände gegen Ankerzentren mehren sich

4. Mai 2018

Nach dem Großeinsatz der Polizei in einer Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen bekräftigt vor allem die Polizei ihre Kritik an den geplanten Ankerzentren für Asylbewerber. Dagegen verteidigen Unionspolitiker das Konzept.

Deutschland, Ellwangen: Polizeieinsatz im Flüchtlingsheim
Maskierte Polizisten führen in Ellwangen einen gefesselten Flüchtling abBild: picture-alliance/dpa/S. Puchner

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befürchtet, dass sich ein organisierter Protest wie im baden-württembergischen Ellwangen wiederholen könnte, wenn viele Asylbewerber, denen die Abschiebung droht, in solchen Sammelunterkünften untergebracht werden. Der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow lehnte eine Bewachung von Ankerzentren durch die Bundespolizei ab. "Wir sind ausgebildete Polizeibeamte und kein Wachpersonal", sagte er im Bayerischen Rundfunk. "Wir wissen gar nicht, warum wir Menschen, die hier Asylanträge gestellt haben, bewachen müssen, ihnen also die Freiheit nehmen müssen", fügte Malchow hinzu. "Die Leute müssen beschäftigt werden. Sie dürfen da nicht rumlungern und nur verwahrt werden, das führt zu Aggressivität", warnte der GdP-Chef.

Malchows Stellvertreter Jörg Radek ergänzt: "Ankerzentren machen es erst möglich, dass solche Strukturen und Dynamiken entstehen, wie wir sie jetzt in Ellwangen erlebt haben." Nötig seien hingegen mehr Polizisten, die sich um Rückführungen kümmern können. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, warnte: "Weder die Bundes- noch die Landespolizei verfügen über die personellen Kapazitäten, um solche Ankerzentren mit zu sichern." "Anker" steht für Ankunft, Entscheidung, Rückführung.

Großeinsatz in Ellwangen

In der Nacht zu Montag hatten rund 150 Bewohner der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen die Abschiebung eines 23-jährigen abgelehnten Asylbewerbers aus Togo zunächst gewaltsam verhindert. Am Donnerstagmorgen stürmte die Polizei die Flüchtlingsunterkunft mit einem Großaufgebot und nahm den Afrikaner fest. Während des Einsatzes leisteten 23 Bewohner nach Behördenangaben teils massiv Widerstand, sie wurden vorläufig festgenommen. Der Togoer sitzt nun in Pforzheim in Abschiebehaft. Er soll gemäß dem Dublin-Abkommen nach Italien abgeschoben werden, wo er erstmals EU-Territorium betrat.

Die Linke forderte, die Pläne für die Zentren sofort zu begraben. Diese seien "Zentren der Hoffnungslosigkeit", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte. Auch die Diakonie Deutschland verlangte nach den Ereignissen in Ellwangen eine Abkehr von den Ankerzentren, in denen Asylbewerber und abgelehnte Flüchtlinge leben sollen. "Dann sitzen dort Menschen, die auf der Suche nach Schutz vor Krieg und Verfolgung ihre Anhörung im Asylverfahren vorbereiten neben Landsleuten, die Tag und Nacht in Angst vor ihrer Abschiebung leben", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Ein solcher "explosiver Mix" von hochbelasteten Menschen berge jede Menge Sprengstoff für Konflikte. Lilie verwies darauf, gerade der Rückbau der großen Aufnahmezentren im vergangenen Jahr habe zu einem spürbaren Rückgang der Straftaten in der Kriminalitätsstatistik geführt.

Das Bundesinnenministerium wies unterdessen Befürchtungen zurück, die Ankerzentren könnten weitere Fälle wie in Ellwangen provozieren. "Das sehen wir nicht so", sagte eine Sprecherin am Freitag in Berlin. Um die Sicherheit in den geplanten Zentren zu gewährleisten, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer den Ländern Unterstützung durch die Bundespolizei angeboten.

Drei Bundesländer machen mit

Am Donnerstag hatte der CSU-Politiker erste Pläne für die Einrichtungen vorgestellt. Im Herbst sollen nach seinem Willen bis zu sechs Test-Einrichtungen an den Start gehen. Allerdings haben bisher nur drei Bundesländer Interesse bekundet, sich an der Pilotphase zu beteiligen. Innenstaatsekretär Helmut Teichmann sagte in Berlin, bisher hätten sich Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen gemeldet. SPD, CDU und CSU hatten sich in ihren Koalitionsverhandlungen auf die Einrichtung solcher Zentren für bis zu 1500 Migranten geeinigt. Dort sollen auch Asylverfahren stattfinden. Nicht anerkannte Bewerber sollen direkt aus den Zentren abgeschoben werden können.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther gab zu bedenken, von einer Situation wie in Ellwangen gehe "kein gutes Signal aus". Er warnte zugleich vor pauschalen Forderungen nach konsequenter Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Zwar gebe es "definitiv ein Vollzugsdefizit bei Abschiebungen", sagte Günther. Aber das Problem sei sehr vielschichtig: "Abschiebungen treffen oft auch die Falschen." Als Beispiel nannte der CDU-Politiker Familien, "die seit Ewigkeiten in Deutschland leben und gut integriert sind". Auf der anderen Seite gelinge es nicht, Leute abzuschieben, die "hier ihr Unwesen treiben und sich nicht an unsere Gesetze halten". Vor diesem Hintergrund verteidigte er die Ankerzentren: "Dort kann schnell entschieden werden, ob jemand eine Bleibeperspektive hat."

Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer, forderte ein konsequenteres Vorgehen bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Der CSU-Politiker verteidigte die geplanten Ankerzentren. Dies seien keine Gefängniseinrichtungen und auch keine Abschiebezentren, aber es solle Residenzpflicht herrschen.

kle/uh (epd, dpa, afp, kna)

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