Sonja Pilch traute ihren Augen kaum: Beim Spazierengehen am Rhein hat die Düsseldorferin einen meterlangen Mammutstoßzahn gefunden. Aber wie ungewöhnlich ist so ein Fund überhaupt?
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Es ist eigentlich ein ganz normaler Samstag. Sonja Pilch geht zusammen mit ihrem Lebensgefährten und den beiden Hunden Bella und Bonni am Rhein in Düsseldorf spazieren. Weil es in den vergangenen Wochen und Monaten kaum geregnet hat, führt der Rhein - wie viele andere Flüsse in Europa - gerade wenig Wasser. Anstatt oben auf dem Weg zu gehen, läuft Sonja Pilch runter zum Wasser.
Rund 50 Meter weit hinein kann sie in das ausgetrocknete Flussbett auf den kleinen Kieselsteinen spazieren. "Wir sind direkt darauf zugelaufen", erzählt sie. Aus der Ferne habe es ausgesehen wie ein einfaches Stück Treibholz, das da zwischen Ufer und Wasser treibt. "Dann haben wir es angehoben, das Gewicht war viel schwerer als Holz."
Fundstücke dank Niedrigwasser
Nicht nur Mammutzähne sind in den vergangenen Wochen aufgetaucht. Der niedrige Wasserstand vieler Flüsse hat noch diverse andere Dinge zutage befördert. Kuriose, faszinierende aber auch gefährliche.
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Gesunkene Schätze
Dieses Schiffswrack ist im Rhein an der holländischen Grenze aufgetaucht. Die "De Hoop" war ein niederländisches Frachtschiff, das vor 123 Jahren nach einer Dynamit-Explosion gesunken war.
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Wasser konserviert
Normalerweise verrottet Holz sehr schnell. Wenn es jedoch im Wasser liegt, kann es länger erhalten bleiben. Das mineralhaltige Wasser konserviert Materialien sehr gut.
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Warnende Steine
Die "Hungersteine" wie hier am Ufer der Elbe in Dresden sind große Steine, mit denen der Wasserstand markiert wurde. Die Steine sollten warnen: Wenn so eine schlimme Dürre herrscht, dass die Steine zu sehen sind, droht eine Hungersnot.
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Gefährliche Fundstücke
Immer wieder kommt bei Niedrigwasser auch alte Munition an die Oberfläche. Wie hier in Magdeburg, wo der Kampfmittelbeseitigungsdienst den Fundort einer Weltkriegsbombe absucht. Wer Metallgegenstände entdeckt, sollte diese auf keinen Fall berühren, sondern direkt die Polizei verständigen.
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Verloren Geglaubtes
Und auch solche Alltagsgegenstände bringt das Niedrigwasser vielerorts wieder zum Vorschein. Wobei einem Fahrrad das Wasser weniger gut tut als einem Schiffswrack oder einem Mammutzahn. Taucher des Wasser- und Schifffahrtsamts sind teilweise an den Flüssen unterwegs und beseitigen Schrott und Sperrmüll.
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Sonja Pilch hat ziemlich schnell einen Verdacht: Das Ding könnte ein Mammutzahn sein. Schließlich war kurze Zeit vorher in der Nähe schon einmal ein Mammut-Backenzahn gefunden worden, erinnert sie sich. Also wickelt sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten den mysteriösen Fund kurzerhand in eine Decke und die beiden verfrachten ihn in den Kofferraum des Autos.
Zuhause angekommen recherchiert Sonja Pilch im Internet. Als sich ihr Verdacht erhärtet, meldet sie sich bei einem Fernsehsender. Das Team bringt einen Paläontologen von der Universität Bonn mit und der bestätigt ihre Vermutung: Es handelt sich um ein großes Stück eines Mammutstoßzahns. "Ganz überrascht war ich nicht mehr", sagt Sonja Pilch. Etwa 1,30 Meter ist der Stoßzahn lang und 25 Kilogramm schwer. Vermutlich ist es sogar nur ein Teil des gesamten Stoßzahns.
Sonja Pilch verständigt das Amt für Bodendenkmalpflege. Das ist gesetzliche Pflicht in Deutschland, erklärt Erich Claßen vom Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland: "Das Denkmalschutzgesetz regelt das." Darin steht, dass auch Zeugnisse tierischen und pflanzlichen Lebens aus erdgeschichtlicher Zeit als Bodendenkmäler gelten und deshalb beim Amt gemeldet werden müssen.
Bis die Behörde das Fundstück abholen kommt, kümmert sich Sonja Pilch darum, den Zahn möglichst gut zu schützen: "Wir haben die Decke nass gemacht und sind zwischendurch mit dem Gartenschlauch drüber gegangen, damit der Zahn nicht porös wird." Wie bei heutigen Elefanten waren die Stoßzähne von Mammuts aus Elfenbein. Das seltene Fundstück sorgt für Aufsehen in der Nachbarschaft: "Wir hatten zwischendurch einen richtigen 'Mammut-Tourismus'", erzählt Sonja Pilch lachend. Nachbarskinder kamen vorbei und fotografierten sich mit dem Mammutzahn, Bekannte fragen, wo genau sie den Zahn am Rhein gefunden habe.
Mittlerweile ist das Fundstück im LVR-Landesmuseum Bonn und wird dort von Ralf W. Schmitz untersucht. Er ist Kurator für Vorgeschichte im Museum: "Momentan liegt der Zahn noch im Kühlraum, man muss ihn feucht und kühl halten", erklärt der Kurator für Vorgeschichte. Er relativiert jedoch den Fund: Von archäologischer Bedeutung sei der Stoßzahn nicht, denn es sind daran keine Schlag- oder Schnittspuren zu erkennen. Diese würden zumindest etwas über das Einwirken des Menschen verraten. So gehen die Experten davon aus, dass das Mammut ganz natürlich gestorben ist.
"Solche Stücke findet man immer wieder", sagt Kurator Schmitz. Ungewöhnlich sei aber, dass der Zahn jetzt wegen des Niedrigwassers direkt am Ufer gefunden wurde. Die lange Zeit im Wasser hat dafür gesorgt, dass das Überbleibsel überhaupt noch so gut erhalten ist. Denn wenn solch ein Stück Elfenbein austrocknet, zerbröselt es schnell. Das ist auch wichtig für die Konservierung, erklärt er. Die erfolgt mit Hilfe des Kunststoffs Polyethylenglycol, kurz PEG. Der Kunststoff dringt in das Material ein und drückt das Wasser heraus. Anschließend ersetzt der Kunststoff das Wasser und erhärtet im Elfenbein - so können Fundstücke wie der Mammutzahn konserviert werden.
Vorsicht vor Munition
Wie alt der Zahn ist und ob er tatsächlich von einem Mammut oder vielleicht sogar von einem älteren Elefanten, zum Beispiel einem Waldelefanten, stammt, lasse sich momentan noch nicht mit Sicherheit sagen, so Schmitz. Wahrscheinlich sei der Zahn aber älter als 15.000 und jünger als 200.000 Jahre.
Was mit dem Zahn nach der Konservierung passiert, hängt davon ab, ob die Experten ihn für wissenschaftlich bedeutsam halten. Wenn das nicht so ist, was zur Zeit wahrscheinlich ist, dann gehört der Fund laut Bürgerlichem Gesetzbuch zur Hälfte Sonja Pilch als Finderin und zur anderen Hälfte dem Bund, weil er im Rhein, also einer Binnenwasserstraße des Bundes, gefunden wurde.
Auch wenn der Zahn keinen besonderen wissenschaftlichen Wert hat, als Ausstellungsstück in einem Museum kommt so ein großes Exemplar trotzdem in Frage. Und für Sonja Pilch hat das Fundstück ihren Blick auf ihre Umgebung in jedem Fall geschärft: "Man guckt jetzt schon ein bisschen anders hin und schaut sich die Hölzer am Rhein genauer an." Vorsichtig müsse man jedoch bei metallenen Gegenständen sein, warnt Ralf W. Schmitz vom Landesmuseum Bonn. Der historisch niedrige Wasserstand lässt nämlich auch scharfe Kriegsmunition wieder auftauchen.
Höhe 80: Archäologie im Schützengraben
Die Dörfer und Hügel rund um Ypern in Belgien gehörten zu den umkämpftesten im Ersten Weltkrieg. Die Stellung Höhe 80 in Wijtschate ist jetzt freigelegt worden - dank Crowdfunding. Ein Tag auf dem Grabungsfeld.
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Dig Hill 80! - Graben Sie Höhe 80 mit uns aus!
Ein "Pompeji des Ersten Weltkriegs" verberge sich in Höhe 80, einem strategisch wichtigen deutschen Bollwerk des Erstem Weltkriegs in Flandern - davon war der belgische Archäologe Simon Verdegem überzeugt. Darum galt es, den Bau der hier geplanten Wohnsiedlung aufzuschieben. Der Bauunternehmer ließ sich darauf ein. Für die Grabungskosten hat das Team 200.000 Euro über Crowdfunding aufgebracht.
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Ergiebige Ausbeute
Das Team Dig Hill 80 (Ausgrabung Höhe 80) umfasst auch ehrenamtliche Helfer - Belgier, Briten, Deutsche und andere. Der Boden hält die erhofften reichhaltigen Funde bereit: Zu den typischen Artefakten gehören beispielsweise eine Wasserflasche mit Einschussloch, die Überreste eines britischen Gewehrmagazins, verrottetes Leder (vermutlich von einem Stiefel) und die Reste einer Granate.
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Wo Soldaten 1914 die ersten Gräben aushoben
Wijtschate nahe Ypern in Flandern ist nicht weit von der Nordsee entfernt. Ypern zu halten, war für die Briten militärisch entscheidend - sowohl, um den Vorstoß der Deutschen auf Paris zu stoppen als auch, um die Häfen am Ärmelkanal und den Nachschub an Soldaten zu sichern. Die deutschen Truppen saßen fest - im Stellungskrieg mussten die Soldaten Schützengräben anlegen, mit Spaten wie diesem.
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Eroberung mit schweren Verlusten: Höhe 80
Während die Briten sich auf Ypern konzentrierten, nahmen die Deutschen den umgebenden Bergrücken ein. Die Stellung Höhe 80 hieß so, weil sie rund 80 Meter über dem Meeresspiegel lag. Das mag flach klingen - aber in der Ebene Flanderns ermöglichte Höhe 80 Beobachtern und Artillerie-Leitsystemen einen guten Blick auf das acht Kilometer entfernte Ypern.
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Reichlich Munition - manchmal noch scharf
Innerhalb weniger Monate hatte das Artilleriefeuer Wijtschate zerstört. Unterirdische Gräben überlebten die Explosionen besser. Erfinderische bayerische Soldaten hatten ihr Tunnelnetzwerk mit den Kellern existierender Gebäude verbunden. Die Keller nutzten sie noch, als oberirdisch schon nichts mehr stand. Die Briten gruben ihrerseits Minenschächte - einige enthalten noch heute scharfe Bomben.
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Persönliche Habseligkeiten - und 130 Tote
Gut erkennen lässt sich der Lederriemen an diesem Helm. Er hat vermutlich einem der über 130 Gefallenen gehört, deren Überreste das Team gefunden hat. Das bestätigt den Verdacht, dass viele Tote nicht hinter die Front gebracht wurden - das war in den ersten Wochen des Grabenkrieges schlicht noch nicht organisiert. Soldaten und Offiziere hatten das Ausmaß des Gemetzels noch nicht erfasst.
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Das weiße Zelt und die Massengräber
Aus Respekt für die Toten und ihre Angehörigen dürfen Besucher die sterblichen Überreste nicht fotografieren. Dieses Zelt schützt die Archäologen nicht nur vor der Sonne - hier untersuchen sie auch die Skelettteile, die sie in zwei Massengräbern gefunden haben. "Viele Menschen sind nicht gerne lange in diesem Zelt", weiß Nathan Howarth, ein Freiwilliger des Teams und selber britischer Soldat.
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Kein Risiko eingehen - der Minenstab
"Oh, Sie haben den Minenstab entdeckt!" Den was? Nathan Howarth erklärt den verwunderten Besuchern, auf was sie gestoßen sind: An dem Stab hängt ein Walkie-Talkie, mit dem die Archäologen die Experten vom Kampfmittelräumdienst rufen, falls sie auf eine nicht entschärfte Mine stoßen. Für alle zugänglich steckt der Minenstab in der Mitte des Grabungsfeldes.
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Historischer Sandsack
Ein extrem seltener Fund ist dieser Sandsack, der vermutlich ein Jahrhundert lang kein Tageslicht gesehen hat. Sand und Sackleinen sind nicht der Stoff, der sich zwischen Erde und Wasser gut hält. Vermutlich überlebte dieses Exemplar, weil die Holzverstärkung des Schützengrabens auf dem Sack lag, sagt Peter Doyle, britischer Militärhistoriker und Förderer des Ausgrabungsprojektes.
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Maschinenhilfe - schnell und großflächig
Archäologen arbeiten nicht immer mit feinen Pinseln - manchmal muss es auch schnell gehen, vor allem gegen Ende eines Projektes. Dieser kleine Bagger schabt lose Erdschichten ab, während ein Freiwilliger kontrolliert, ob dabei Schätze zum Vorschein kommen - in dem Fall signalisiert er dem Baggerführer ein sofortiges "Stopp!"
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"Wir haben was gefunden!"
Was der Bagger nicht kann, müssen die Profis und ihre ehrenamtlichen Helfer in vorsichtiger Handarbeit leisten. Nicht alle Artefakte sind so gut sichtbar wie dieses blaue Etwas, das sich unter der Erde abzeichnet.
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"Es ist blau und definitiv aus Metall..."
An diesem Ort hatte das Team einen Gefallenen gefunden, vermutlich einen französischen Soldaten. Viele seiner Habseligkeiten lagen im Boden verstreut. Auch das blaue Artefakt gehört dazu. Was wird wohl der Archäologe zutage fördern?
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"Trinkt nicht aus der Flasche!"
Eine Wasserflasche der Armee - inklusive Flüssigkeit, wie beim Schütteln zu hören ist. Der Archäologe schraubt die Flasche auf und schüttet den Inhalt weg. Warum das? Er grinst: "Die Soldaten hatten nicht nur Wasser in ihren Flaschen - in einigen haben wir Benzin gefunden." Neben dieser Flasche fand das Team viele weitere - auch zwei Zahnbürsten sind aus dem Grabenkrieg erhalten geblieben.