Eiszeit zwischen Nicaragua und Vatikan
15. März 2023"Der Heilige Stuhl geht nie. Er wird rausgeschmissen", sagte der Papst vor wenigen Monaten in einem Interview mit der spanischen Tageszeitung ABC. Mit Blick auf Nicaragua könne man durchaus von einem solchen Rauswurf der Kirche aus dem mittelamerikanischen Land sprechen.
Am Montag bestätigte Vatican News, das Nachrichtenportal des Vatikans, den Wunsch der nicaraguanischen Regierung, "die diplomatischen Beziehungen auszusetzen". Konkret ginge es um die Schließung der päpstlichen Nuntiatur, der diplomatischen Vertretung des Vatikans in Managua.
Prälat muss ausreisen
Vor einem Jahr, am 12. März 2022, hatte die Regierung in Nicaragua den Apostolischen Nuntius in Managua, Erzbischof Waldemar Stanisław Sommertag, ausgewiesen. Seitdem führte der Sekretär der Nuntiatur, Prälat Mbaye Diouf die Geschäfte weiter. Diouf wurde offenbar eine Woche Zeit eingeräumt, um das Land zu verlassen.
Nicaragua wiederum hat seit September 2021 keinen Botschafter beim Apostolischen Stuhl mehr. Die Repräsentantin der Regierung Nicaraguas ist Ministerialrätin Yara Suhyén Pérez Calero.
Streng genommen markiere diese Entwicklung aber noch keinen Abbruch der Beziehungen, erklärt Ludwig Ring-Eifel, Leiter des Centrum Informationis Catholicum, Gemeinschaftsredaktion der deutschsprachigen katholischen Nachrichtenagenturen in Rom, im Gespräch mit DW.
Abbruch oder Suspendierung?
"Der Vatikan hat ja klargestellt, dass es sich aus seiner Sicht noch nicht um den vollständigen Abbruch der diplomatischen Beziehungen handelt, sondern eher um eine Suspendierung oder vorübergehende Aufhebung der diplomatischen Beziehungen. Dann wäre also noch eine weitere Eskalationsstufe möglich, nämlich der formale und endgültige Abbruch", so der deutsche Vatikan-Kenner.
Ring-Eifel gibt aber zu, dass man schon weit in die Geschichte zurückblicken muss, um auf einen ähnlichen Fall zu stoßen: "Selbst nach der Revolution in Kuba hat es weiterhin diplomatische Beziehungen zwischen Rom und Havanna gegeben, obwohl auch dort das Personal weitgehend des Landes verwiesen wurde."
Tatsächlich kennt das Völkerrecht jedoch keine "Suspendierung" oder "Aussetzung" von diplomatischen Beziehungen. Entweder sie bestehen - oder sie bestehen nicht.
"Das sind doch nur Wortspiele", meint Enrique Sáenz, nicaraguanischer Wirtschaftswissenschaftler und politischer Analyst, der in Costa Rica im Exil lebt, im Gespräch mit DW. Auf diplomatischer Ebene habe es zwar keine förmliche Mitteilung gegeben, aber auf praktischer politischer Ebene wurden die Beziehungen abgebrochen, so Sáenz.
Entfremdung seit 2018
Die Beziehungen zwischen der Kirche und der Regierung Nicaraguas haben sich schon seit 2018 kontinuierlich verschlechtert. Damals gingen die Behörden mit extremer Gewalt gegen landesweite Proteste vor.
Die Kirche gewährte vielen Demonstranten Unterschlupf in ihren Gotteshäusern und trat später als Vermittlerin zwischen dem Regime und der Opposition auf. Machthaber Daniel Ortega brandmarkte aber zunehmend Kirchenvertreter als Sympathisanten der Opposition und als "Terroristen", die bemüht seien, ihn zu stürzen.
"Ortega hat den Druck erhöht und die Kirche immer weiter schikaniert. Die Behörden haben der Kirche in diesem Jahr sogar verboten, während der Fastenzeit und der Karwoche die traditionellen Kreuzzugprozessionen abzuhalten. "Das Verhalten Ortegas hat schon pathologische Züge", so Sáenz.
"Seelisches Ungleichgewicht"
Der endgültige Bruch vollzog sich im Februar dieses Jahres mit der Verurteilung des katholischen Bischofs Rolando Alvarez zu 26 Jahren Haft wegen "Konspiration und Verbreitung von Falschnachrichten". Darauf folgte Anfang März ein Interview des Papstes mit dem argentinischen Portal Infobae.
In dem Interview bescheinigte Franziskus Ortega ein "seelisches Ungleichgewicht". Außerdem verglich er das Regime von Ortega in Nicaragua mit der "kommunistischen Diktatur von 1917 oder der Hitler-Diktatur von 1935".
"Der Papst hat da sicher zur Eskalation beigetragen", gibt der Leiter des Centrum Informationis Catholicum in Rom, Ludwig Ring-Eifel, zu. Die Situation sei verfahren und müsse sich abkühlen, so Vatikan-Beobachter. Letztendlich spiele der Faktor Zeit eine wichtige Rolle, und da habe der Vatikan erfahrungsgemäß den längeren Atem.