Machtspiele
11. September 2009Am Donnerstag (10.09.2009) fand die traditionelle Pressekonferenz der Frankfurter Buchmesse statt. Aber kaum einer der Journalisten interessierte sich für die Zahlen und Fakten über Aussteller, Messehallen und Bücherkonjunktur. Das Interesse richtete sich auf eine Veranstaltung, die gewöhnlich nur ein überschaubarer Kreis von China-Fachleuten wahrnehmen würde: Ein für Samstag in Frankfurt geplantes Symposium.
Über "China und die Welt - Wahrnehmung und Wirklichkeit" soll dort geredet werden. Es ist hochkarätig besetzt. Teilnehmer des offiziellen Chinas sind eingeladen, Chinawissenschaftler und auch kritische chinesische Intellektuelle. Ausgeladen aber wurden die Pekinger Autorin Dai Qing und der in den USA lebende Schriftsteller und Verleger Bei Ling. Weil Peking mit Abzug seiner Delegation drohte, falls beide kommen sollten.
Kritik vom Menschenrechtsbeauftragten
Dai Qing und auch Bei Ling waren nur als Gäste für das Symposium eingeladen. Auf den Podien sollten andere sitzen. Im offiziellen Programm tauchen ihre Namen gar nicht auf. Dennoch versuchte der Organisator des Symposiums, Peter Ripken, die beiden Autoren von einer Reise nach Frankfurt abzubringen. Dafür hat sich die Buchmesse massiv Kritik eingehandelt. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, forderte eine klare Haltung der Buchmesse zu den Menschenrechten. Der Vorsitzende des Bundestagskulturausschusses, Hans-Joachim Otto, sprach von einem "Armutszeugnis für die Verantwortlichen der Messe".
Dai Qing und Bei Ling wollten sich nicht auf die Teilnahme an der Buchmesse selbst im Oktober vertrösten lassen. Beide reisen nun doch zu dem Symposium an. Es ist eine öffentliche Veranstaltung. Dai Qing musste am Pekinger Flughafen allerdings feststellen, dass ihr Ticket storniert worden war. Nach Angaben ihres Sohnes hat Peter Ripken das veranlasst. Die Autorin und Umweltaktivistin kaufte sich kurzerhand selbst ein Ticket - und nahm in der gleichen Maschine Platz, wie die offizielle Delegation.
Kompromisse mit China
Der Frankfurter Buchmesse liegt sehr viel an dem Symposium. Buchmessendirektor Jürgen Boos verteidigte das Vorgehen und erklärte, man wolle mit China und nicht über China reden.
Bei einer Veranstaltung mit einem Partner müsse man Kompromisse machen. Und bei dem Sympoium sei das offizielle China ein sehr wichtiger Partner, ohne den man kein Gegenüber habe.
Boos betonte aber auch den Anspruch der Buchmesse, jederzeit für die Freiheit des Wortes einzustehen. Vor einer Absage Chinas bei der Buchmesse fürchtet sich Boos nach eigener Aussage nicht. Von der Stichhaltigkeit einer weiteren Aussage dürfte Boos nach den jüngsten Entwicklungen selbst überrascht sein: Die Frankfurter Buchmesse, so Boos am Donnerstag bei der Pressekonferenz, sei nicht kontrollierbar.
Autor: Matthias von Hein
Redaktion: Marlis Schaum