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Ekrem Imamoglu: Hoffnungsträger der türkischen Opposition

23. März 2025

Der Bürgermeister von Istanbul ist Präsident Erdogans schärfster Konkurrent. Jetzt ist er im Visier der Justiz - Kritiker meinen, das sei politisch motiviert. Wer ist Imamoglu und wie gefährlich kann er Erdogan werden?

Türkei Istanbul | Bürgermeister Ekrem Imamoglu
Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu als Bürgermeister abgesetztBild: ANKA

Er wirkt entspannt, modern, redegewandt: Ekrem Imamoglu weiß, wie man unterschiedliche Schichten und Gruppierungen der Gesellschaft anspricht. Eines seiner Anliegen ist es, jeden mit einzubinden, nicht zu diskriminieren und zu beleidigen. Das könnte auch als Reaktion auf den Stil der jetzigen Regierung verstanden werden. In der türkischen Politik ist es durchaus Usus gegen die Anhänger der politischen Gegner einen herablassenden und beleidigenden "wir-gegen-sie"-Diskurs aufzubauen. Imamoglus andere Haltung hat in der zunehmend polarisierten Gesellschaft der vergangenen Jahre zu seiner Beliebtheit beigetragen.

Jetzt wurde Imamoglu wegen Korruptionsvorwürfen und Terrorverdachts festgenommen. Die Terrorvorwürfe hat das Gericht bereits zurückgewiesen. Die Festnahme hat die größten Oppositionsproteste in der Türkei seit den sogenannten Gezi-Protesten des Jahres 2013 ausgelöst. Trotz massiven Polizeiaufgebots gingen tausende Menschen landesweit auf die Straße.

Drei Siege 

Von Imamoglu hatte die überwiegende Mehrheit der Türken bis 2019 nichts gehört. Er war Bürgermeister des Istanbuler Stadtviertels Beylikdüzü, als die Republikanische Volkspartei (CHP) überraschend ankündigte, ihn als Kandidat für das Rennen um die Oberbürgermeisterschaft aufzustellen. Zu Anfang gab es scharfe Kritik, da die Anhänger der Opposition glaubten, er hätte keine Chance gegen den Kandidaten der nicht nur in Istanbul, sondern auch landesweit regierenden AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Istanbuler versammelten sich im Dezember 2019 vor dem Rathaus, um Ekrem Imamoglu zu unterstützenBild: UMIT BEKTAS/REUTERS

Und doch gewann er die Kommunalwahlen und holte die seit 25 Jahren konservativ-islamistisch regierte Metropole zurück. Imamoglu konnte die Wahlen eigentlich am 31. März 2019 mit einem Unterschied von 13.000 Stimmen gegen den Kandidaten der AKP für sich entscheiden. Doch nach einem Einspruch der AKP annullierte die Hohe Wahlkommission das Wahlergebnis. Drei Monate später gewann Imamoglu erneut - nun mit einem deutlich ausgebauten Abstand von über 800.000 Stimmen.

Auch die Bürgermeisterwahl 2024 konnte Imamoglu für sich entscheiden. Präsident Erdogan hatte sich mit der AKP den Gewinn der Wahl in Istanbul als Ziel gesetzt und als "den Beginn einer neuen Ära" bezeichnet. Doch Imamoglu gewann mit einem Vorsprung von fast zehn Prozentpunkten auf AKP-Herausforderer Murat Kurum erneut die Wahl.

Der Mann, der nicht aufgibt

Imamoglus Sieg gilt bis heute als Beweis dafür, dass die türkische Demokratie noch funktionsfähig ist und dass Wahlen gegen die AKP-Regierung tatsächlich gewonnen werden können. Vorwürfe über Betrug, Fälschung oder politischen Einfluss begleiten immer wieder Wahlen in der Türkei. Imamoglu hat aber nicht aufgegeben. Jetzt will er bei der Präsidentschaftswahl 2028 gegen Präsident Erdogan antreten. Seine selbstbewusste, hartnäckige Herangehensweise und der daraus resultierende Erfolg trotz der Rückschläge trugen massiv zu seiner Popularität bei.

Diplomatiefähig - nach innen und außen

Die Art und Weise, wie er kommuniziert, gilt als ein herausragendes Merkmal seiner Politik. Als er um die Ankerkennung seines Wahlsieges kämpfte, rief ein Junge ihm zu: "Alles wird sehr schön werden!" Ein Satz voller Hoffnung, den er zu seinem Slogan machte und den die gesamte Opposition übernommen hat. Als er nach der annullierten Wahl auf die Bühne trat, um eine Rede zu halten, sagte er: "Wir haben unsere Jugend!", was die Unterstützer anfeuerte und bis heute weiterhin anfeuert.

Doch es gab auch Kritik an Imamoglu. Als Teile Istanbuls 2019 von einer Flutkatastrophe betroffen waren, befand sich der Politiker im Sommerurlaub und blieb auch dort. Als 2020 ein Erdbeben in der osttürkische Stadt Elazig stattfand, besuchte er zwar zuerst die Stadt wie viele andere Politiker, reiste allerdings im Anschluss nach Palandöken zum Skiurlaub. "Dass ein Familienvater mit seinen Kindern zwei Tage Urlaub verbringt", sei normal, verteidigte er sich.

Die Familie hat manchmal Vorrang: Dilek und Ekrem Imamoglu bei der Stimmabgabe zur Kommunalwahl 2019Bild: picture-alliance/AP/dpa

Auf dem Papier vertritt er nur Istanbul, aber die Fotos, auf denen er mit der türkischen Fahne zu sehen ist, erwecken automatisch den Eindruck als vertrete er die gesamte Türkei. Bei vielen Türken lösen diese Fotos Hoffnung aus: Er könnte solche Fotos eines Tages tatsächlich von Ankara aus teilen.

Bauunternehmen, Fußballverein - und jetzt Politikverbot

Der 1970 geborene Ekrem Imamoglu studierte in Zypern und Istanbul, wo er einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre machte. Bevor er in die Politik einstieg, betrieb er ein Istanbuler Restaurant, das sich auf Köfte, also türkische Frikadellen spezialisierte. Er leitete zudem das Bauunternehmen seiner Familie, Imamoglu Insaat. Von 2002 bis 2003 war er Vorstandsmitglied von Trabzonspor, dem Verein seiner Heimatstadt und einer der erfolgreichsten türkischen Fußballvereine.

Blickt man in die Vergangenheit von Präsident Erdogan und Imamoglu, lassen sich viele Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Männern finden: Sie spielten beide in ihrer Jugend erfolgreich Fußball. Beide kommen aus der Schwarzmeerregion. Im traditionell konservativen Trabzon, wo Imamoglu aufwuchs, ging auch er zum sogenannten Korankurs, der ihm religiöse Bildung vermittelte. Seit 2019 ist Imamoglu Bürgermeister Istanbuls, ein Amt, das zwischen 1994 und 1998 Erdogan innehatte. 

2019 - nach der annullierten Wahl - sagte Imamoglu in einer Rede: "Unser Weg ist lang." Egal wie das Gerichtsverfahren ausgeht, Imamoglu wird ein einflussreicher Politiker bleiben. Vielleicht wird tatsächlich "alles schön werden". Aber sein Weg scheint noch lang und steinig zu sein.

Dieser Artikel wurde am 19.01.2023 erstmals veröffentlicht und am 23.03.2025 aktualisiert.

Burak Ünveren Redakteur. Themenschwerpunkte: Türkische Außenpolitik, Deutsch-Türkische Beziehungen.
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