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Politik

El Salvador auf dem Weg in die Autokratie?

Alba Miriam Amaya
17. April 2022

Ausnahmezustand, Verhaftungswellen, Druck auf die Medien: El Salvadors Präsident Nayib Bukele will angeblich kriminelle Banden bekämpfen - beschneidet aber die Menschenrechte. Aus San Salvador Alba Miriam Amaya.

Nayib Bukele | Präsident von El Salvador
Unterstützung des Militärs: El Salvadors Präsident Nayib BukeleBild: Marvin Recinos/AFP/Getty Images

Das Problem der Bandengewalt in El Salvador ist nicht neu. Noch vor wenigen Jahren hatte das zentralamerikanische Land die höchste Mordrate der Welt. Mächtige Jugendbanden wie die Mara Salvatrucha und Barrio 18 sind verantwortlich für gewalttätige Raubüberfälle, Schutzgelderpressungen, Entführung, Vergewaltigung und Mord. Der Kampf gegen die Banden ist daher zu einem traditionellen Wahlkampfversprechen geworden. Gleichzeitig haben geheime Absprachen zwischen der jeweiligen Regierung und den Banden Skandale ausgelöst und führende Politiker ihre Karriere gekostet.

Die Regierung von Präsident Nayib Bukele scheint nun eine härtere Gangart zu wählen. Sie hat nach einem erneuten Anstieg der Mordrate Ende März den Ausnahmezustand verhängt und Festnahmen ohne Haftbefehl ermöglicht. Innerhalb von zwei Wochen wurden über 9000 Verdächtige festgenommen. Das findet nicht nur Zustimmung.

Im Hochsicherheitsgefängnis: Inhaftiertes Mitglied der Bande Mara SalvatruchaBild: AA/picture alliance

"Die Maßnahmen, die die Behörden angesichts der steigenden Mordrate ergriffen haben, wiederholen viele der gescheiterten Maßnahmen früherer Regierungen in El Salvador", erklärt Erika Guevara Rosas, Amerika-Direktorin bei Amnesty International, gegenüber DW. "Präsident Bukele besteht auf einem Rezept, das weder die strukturellen Ursachen der Gewalt beseitigt noch der Prävention dient. Das bringt keine nachhaltigen Ergebnisse."

Doch Präsident Bukele bekämpft nicht nur rigoros die Gewalt, wobei er sich vorrangig auf Polizei und Militär stützt. Er attackiert Menschrechtsorganisationen und Medien und beschuldigt sie, das organisierte Verbrechen in Schutz zu nehmen.

Bukele maßregelt Medien und Menschenrechtsorganisationen

"Seit dem Amtsantritt von Bukele hat seine Propagandamaschine es auf Journalisten und Menschenrechtsaktivisten abgesehen, die Missstände in seiner Regierung anprangern. Sie werden diskreditiert, schikaniert und stigmatisiert", sagte Juan Pappier, Senior Americas Researcher der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, im DW-Gespräch.

Am 5. April verabschiedete das Parlament ein Gesetz, wonach das Zitieren von Statements mutmaßlich krimineller Vereinigungen in den Medien mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft wird. Über die Aktivitäten der Banden dürfen die Medien unter Strafandrohung überhaupt nicht mehr berichten. Das sei ein klarer Versuch, die Medien zu zensieren, so die salvadorianische Journalistenvereinigung APES.

Ausnahmezustand: Schwerbewaffnete Polizisten in der Hauptstadt San Salvador Ende MärzBild: Salvador Melendez/AP/picture alliance

"Dieses Gesetz ist voller Unklarheiten und kann benutzt werden, um missliebige Journalisten zu verfolgen", urteilt Juan Pappier. "Viele Journalisten und engagierte Bürger werden bereits in den sozialen Medien beleidigt und bedroht. Das Schlimmste ist, dass es keinen echten Schutz für sie gibt, da alle Institutionen der Exekutive unterstehen."

Der gescheiterte Dialog mit der Zivilgesellschaft

Als Reaktion darauf haben sowohl Amnesty International als auch Human Rights Watch einen Dialog mit dem salvadorianischen Präsidenten angeregt. Bukele hat jedoch, "wie es seine Art ist, auf unsere Anfragen in den sozialen Medien mit Aggression und Angriffen geantwortet und unsere Botschaften falsch dargestellt", beklagt Juan Pappier von Human Rights Watch. "Wir haben ihn in einem förmlichen Schreiben um ein Treffen gebeten, damit wir ein ernsthaftes Gespräch über die komplexen Probleme im Bereich der Menschenrechte und der öffentlichen Sicherheit führen können. Leider haben wir bisher nur Beleidigungen von einigen Beamten als Antwort erhalten."

Auch Amnesty International hat nach eigenen Angaben keine Antwort auf einen Brief an den Präsidenten erhalten. "Im Juni 2019, wenige Wochen nach dem Amtsantritt von Präsident Bukele, haben wir uns mit ihm getroffen", berichtet Erika Guevara Rosas.

Blumiger Protest: Kritik an seiner Regierung mag Präsident Bukele generell nicht (Archivbild Februar 2022)Bild: Jose Cabezas/REUTERS

"Bei dieser Gelegenheit hat der Präsident zugesagt, einen interministeriellen Runden Tisch mit Amnesty International einzurichten, um die wichtigsten Herausforderungen in den Bereichen Menschenrechte und Sicherheit anzugehen. Der Runde Tisch ist jedoch nie zustande gekommen, weil die Regierung kein Interesse daran hatte, dieses Versprechen zu erfüllen." Die DW hat Nayib Bukeles Pressesprecher um ein Statement der salvadorianischen Regierung dazu gebeten, jedoch keine Antwort bekommen.

"Zu Beginn seiner Amtszeit hat Präsident Bukele gesagt, dass er sich von anderen Amtsträgern in der Region unterscheiden wolle. Doch El Salvador gehört nun zu den Ländern, in denen Menschenrechte und jede Form von Dissens unterdrückt werden - wie in Nicaragua und Venezuela", konstatiert Erika Guevara Rosas.

"Bukele folgt demselben Drehbuch wie andere autoritäre Regierungen in der Region, indem er Organisationen und Journalisten angreift, die Missstände kritisieren oder auch nur darüber berichten", stimmt Juan Pappier von Human Rights Watch zu. "Wenn die internationale Gemeinschaft keine ernsthaften Schritte unternimmt, um Bukeles autoritären Impulsen Einhalt zu gebieten, befürchte ich, dass Journalisten und Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen massiv verfolgt werden könnten, wie dies in Venezuela und Nicaragua der Fall ist."

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