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Element der Hoffnung: Namibia und der Wasserstoff

Jasko Rust in Windhoek
7. April 2025

In Namibia wird zum ersten Mal grüner Wasserstoff hergestellt. Dies geschieht vor allem dank Investitionen aus Deutschland. Namibia hat große Pläne für einen Wirtschaftszweig, der sich am Markt erst etablieren muss.

Schräg aufgestellte Solarpaneele in langen Reihen vor Bergen auf kargem Boden
In der kargen Wüstenlandschaft der Erongo-Region Namibias liefern aktuell 44.000 Solarparnele rund 25 MW Strom für das HyIron-ProjektBild: Jasko Rust

Wer sich Namibias neusten Beitrag zur globalen Verringerung der Treibhausgasemissionen anschauen will, der muss ins karge Hinterland fahren. Vom größten Hafen des Landes in Walvis Bay geht es etwa 120 Kilometer Richtung Nordosten, in die Ausläufer der unwirtlichen Namib-Wüste. Von der ungewöhnlich ergiebigen Regenzeit in diesem Jahr hat man hier kaum etwas abbekommen. Die Umgebung wirkt gräulich-bräunlich, nur einige Berge bieten einen Kontrast zur vegetationsarmen Wüstenlandschaft.

Mittendrin schimmern 44.000 Solarpaneele in der namibischen Sonne, die ideale Bedingungen bietet. "Wir haben im Schnitt im Jahr 30 Stunden geschlossene Wolkendecke", erklärt Johannes Michels. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens HyIron, das hier seit Ende März den ersten grünen Wasserstoff in Namibia produziert.

Damit beginnt sich die Idee des verstorbenen Präsidenten Hage Geingob zu verwirklichen, der die namibische Wirtschaft mittels Wasserstoffs transformieren wollte. Eine Industrienation soll das Land werden, dringend benötigte Jobs entstehen. Die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei 37 Prozent.

In den vergangenen Jahren sind so einige Projekte entwickelt worden, am bekanntesten das Mammut-Projekt "Hyphen" im Tsau ||Khaeb Nationalpark im Süden Namibias. Ab 2028 sollen hier jährlich eine Million Tonnen grünen Ammoniaks produziert werden, hauptsächlich für den Export nach Europa und Asien. Als Flaggschiffprojekt stand es lange Zeit im Vordergrund, erntete auch viel Kritik. So befürchtet die namibische Umweltkammer irreversible Schäden an dem hochsensiblen Ökosystem des Nationalparks. Hyphen selbst weist die Vorwürfe zurück, eine umfassende Studie zur Sozial- und Umweltverträglichkeit wurde angekündigt.

Erste Anlage mit grünem Wasserstoff in Betrieb

Während das große Hyphen-Vorhaben noch Zukunftsmusik ist, liefert bei HyIron das Solarfeld bereits bis zu 25 Megawatt Strom. Die Energie wird zum einen für die beiden Elektrolyseure verwendet, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Außerdem fließt Strom in den Drehrohrofen, wo Eisenerz aus Südafrika zu Eisen verarbeitet wird. Der Wasserstoff kommt im Ofen als sogenanntes Reduktionsmittel zum Einsatz. Er nimmt die im Eisenerz enthaltenen Sauerstoffatome auf.

Übrig bleibt einerseits Roheisen für den Einsatz in der Stahlindustrie. Andererseits verbinden sich Wasserstoff und Sauerstoff wieder zu Wasser, welches dann in einem Kreislauf zur erneuten Wasserstoff-Gewinnung vor Ort eingesetzt wird.

Das "Oshivela" genannte Projekt ist Namibias erstes Eisenwerk. Und damit wird Namibia laut Michels "das erste Land der Welt, das industriell Eisen ohne CO2-Emissionen herstellt."

Er schwärmt vom namibischen Potenzial, es geht ihm darum, "zu zeigen, dass es eine Alternative zum Klimawandel gibt, die noch nicht mal so teuer ist." Und mit Klimawandel kennt man sich hier aus. Einst grasten in dem Gebiet rund 5000 Schafe, bevor zwölf Jahre lang kein Tropfen Regen mehr fiel. Die Farmbesitzer mussten verkaufen und legten damit gleichzeitig den Grundstein für eines der vielversprechendsten Dekarbonisierungsprojekte in Namibia.

HyIron-Geschäftsführer Johannes Michels begutachtet einen Teil der Wasserstoff-Produktionsanlage bei OshivelaBild: Jasko Rust

Deutschland fördert namibische Wasserstoffproduktion

Hier kommt Deutschland ins Spiel. "Wir müssen unsere Stahlindustrie dekarbonisieren," erklärt Rainer Baake im DW-Gespräch. Er ist Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die namibisch-deutschen Wasserstoffbeziehungen. "Die Eisenreduktion findet bisher in Deutschland statt, mithilfe von Kokskohle, deswegen ist die so enorm CO2-intensiv." Eine Chance für Namibia, wo sich die Wasserstoffindustrie allmählich aufbaut - vielfach mit deutschem Geld.

HyIron besteht zum Großteil aus deutschen Investoren, einzig Geschäftsführer Michels hat namibische Wurzeln. Hinzukommen 13 Millionen Euro vom Bundeswirtschaftsministerium. Das Bundesforschungsministerium fördert zudem zwei weitere Projekte mit rund 22 Millionen Euro. Bei "Hyphen" ist das ostdeutsche Energieunternehmen Enertrag Hauptanteilseigner. Die Initiative zur Zusammenarbeit ging jedoch ursprünglich von Namibia aus, betont Baake.

Hyphen will in großem Stil Sonnenenergie nutzen, um grünen Wasserstoff für den Export herzustellen - doch bislang existiert die Anlage nur auf dem PapierBild: Hyphen Hydrogen Energy

Für den Wirtschaftsexperten Robin Sherbourne ist das mit Blick auf die Hauptverursacher des Klimawandels genau die richtige Herangehensweise. "Der Privatsektor und die Regierungen reicher Länder sollten das Geld für diesen Wandel zur Verfügung stellen," sagt er gegenüber der DW.

Wie profitiert Namibia?

Förderungen allein werden jedoch nicht reichen, mahnt Sherbourne. Er ist noch skeptisch, inwiefern Namibia vom Aufbau der Wasserstoff-Industrie profitieren wird. "Es könnten Deviseneinnahmen sein, es könnten ein paar Steuereinnahmen sein. Aber wenn die Industrie noch auf Jahre nicht kommerziell tätig sein wird, macht sie nicht viele Gewinne", so Sherbourne. Dadurch gebe es nichts, was die Regierung auch besteuern könnte.

Bei HyIron ist zumindest ein Anfang gemacht. Nach eigenen Angaben kann man bereits preislich mit konventionell hergestelltem, sogenanntem grauem Eisen konkurrieren. Und wirtschaftlich rentabel sei die Anlage auch, bekräftigt Geschäftsführer Michels: "Es ist jetzt nicht so, dass wir gleich sehr gutes Geld damit verdienen werden, aber es ist so, dass wir damit gut überleben können." Generell sieht man sich noch eher als Vorreiter. "Unser Ziel ist vor allem zu zeigen, dass es funktioniert," erklärt Geschäftsführer Michels gegenüber der DW.

Ein Blick auf den in Deutschland hergestellten Drehrohrofen von HyIron. Hier wird das erste emissionsfreie Eisen der Welt produziertBild: Jasko Rust

Für den Betrieb der Anlage sind aktuell 50 Angestellte vorgesehen. Zunächst kann HyIron so 15.000 Tonnen emissionsfreies Eisen pro Jahr produzieren. Noch in diesem Jahr könnte der Startschuss für den Ausbau auf 200.000 Tonnen fallen. Und bis 2030 könnte die Kapazität auf 2 Millionen Tonnen ausgebaut werden.

Dann würde die Zahl der permanenten Arbeitsplätze nach Unternehmensangaben auf 1600 steigen. Zudem treibe man die Aus- und Weiterbildung voran, um die lokalen Kapazitäten zu erweitern. "Namibia könnte sicherlich mehrere hundert Millionen Tonnen Eisen herstellen im Jahr," bekräftigt Michels.

Fehlende Abnahmeverträge als Stolperstein für Namibia

Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg. Das Problem: fehlende Nachfrage - mit klimaschädlichen Produktionsweisen kann das grüne Eisen bislang nicht konkurrieren. Abnahmeverträge für in Namibia hergestellte grüne Wasserstoff-Produkte sind rar. Das hängt laut Baake auch mit der aktuellen Marktsituation zusammen. Die vollständige Umsetzung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus der Europäischen Union (CBAM), bei dem Preisaufschläge den Marktvorteil von klimaschädlich produziertem Stahl aufheben sollen, wird sich noch bis 2034 hinziehen. Baake spricht im DW-Gespräch für diesen Zeitraum von einer "Durststrecke" und sieht Handlungsbedarf bei der neuen Bundesregierung: "Der Emissionshandel allein wird nicht dazu führen, dass hier Verträge unterzeichnet werden."

Bislang nutzt die Metallindustrie, wie hier im westdeutschen Duisburg, klimaschädliche Kohle als Energieträger - langfristig sollen jedoch die Wettbewerbsnachteile klimafreundlicherer Technologien verschwindenBild: Roland Weihrauch/dpa/picture alliance

Als eine mögliche Maßnahme führt er verpflichtende Quoten für grüne Produkte an, etwa in der deutschen Landwirtschaft oder der Stahlindustrie. Die könnte dann mit grünem Eisen aus Namibia dekarbonisiert werden. Wirtschaftsexperte Sherbourne fordert dazu langfristige Verpflichtungen von Deutschland: "Wenn unsere Industrie hier von Deutschland abhängig ist und sich die Dinge ändern, besteht die Gefahr, dass wir hier auf unserer Industrie sitzen bleiben."

Erste Wasserstoff-Export nach Deutschland - doch Namibia schaut auf sich selbst

Dabei hat HyIron als erstes Wasserstoff-Unternehmen in Namibia einen Abnahmevertrag vorzuweisen. Der Abnehmer: Benteler, ein deutscher Automobilzulieferer. Ursprünglich waren 200.000 Tonnen emissionsfreies Eisen pro Jahr vorgesehen. Wie groß die Liefermenge zunächst tatsächlich sein wird, bleibt unklar. HyIron will dazu keine Angaben machen, Benteler lehnt eine Interviewanfrage der DW ab.

Solche Entwicklungen bereiten James Mnyupe dennoch große Freude. Er ist namibischer Wasserstoffkommissar und Leiter des Wasserstoffprogramms der Regierung. "Das ändert grundlegend die Art und Weise, wie die Leute dachten, dass die Produktion von grünem Wasserstoff in Namibia gehandhabt werden würde. Sie dachten, wir würden die Moleküle exportieren, und sie dachten, sie würden nach Europa gehen," sagt Mnyupe im DW-Interview. Stattdessen träumt er von einem lokalen Wasserstoff-Markt, mit Produkten, die entweder in Namibia selbst verwendet oder veredelt werden.

James Mnyupe ist Namibias Wasserstoffkommissar, Leiter des Wasserstoffprogramms der Regierung und Wirtschaftsberater im PräsidialamtBild: Jasko Rust

Geplant ist beispielsweise die Einrichtung von riesigen Lagerungsstätten für Ammoniak in Namibia zur Betankung von Containerschiffen, von namibischen Zügen und Lastwagen. Mnyupe beschreibt ein namibisches Logistik-Drehkreuz, mit einer emissionsarmen Transportflotte zu See, auf der Straße und auf der Schiene. So könnte man sich von möglichen Abnahmeverträgen in Deutschland unabhängiger machen. Dabei nimmt er auch seine eigene Regierung in die Pflicht.

Andere Länder wie Südkorea, Ägypten oder Marokko würden bereits jetzt in die eigene Industrie investieren, so Mnyupe gegenüber der DW. "Vielleicht kommen wir da in ein paar Jahren auch hin, wenn klar ist, dass dieser Industriezweig hierhergehört und floriert, aber irgendwann muss man anfangen, sich selbst zu unterstützen."

Wasserstoff für Namibia eine Frage der Wirtschaft, nicht des Klimas

Für Mnyupe stehen dabei auch weniger die globalen Dekarbonisierungsversuche im Vordergrund. Er ist Wirtschaftsberater: "Es geht nicht ums Klima, es geht um Geld, um die Wirtschaft," sagt er und bringt eigene CO2-Steuern ins Spiel, um die Abnahme von Wasserstoff-Produkten aus Namibia zu fördern.

Für Namibia geht es zuerst um Wirtschaft - auch bei diesem Vertragsschluss im September 2024 zwischen Michael Kellner (Staatssekretär im BMWK), Jochen Flasbarth (Staatssekretär im BMZ), Kadri Simson (EU-Kommissarin für Energie) und Tom Alweendo (Namibischer Minister für Bergbau und Energie)Bild: Jasko Rust/DW

Derweil hat HyIron nicht nur Begehrlichkeiten in Deutschland geweckt. Kurz nach unserem Besuch beim Werk sind Vertreter von Toyota zu Gast. Die haben laut Mnyupe Interesse an Anteilen und am Import von emissionsfreiem Eisen. Aber nicht nach Japan selbst, sondern ins namibische Nachbarland Südafrika. Zum dortigen Bau von Autos für den Export nach Europa.

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