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Politik

Marshallplan wirft Fragen auf

Adrian Kriesch Abidjan
2. März 2017

In der Elfenbeinküste wirbt Entwicklungsminister Gerd Müller für seinen "Marshallplan mit Afrika". Vielen in der Afrikanischen Entwicklungsbank ist das Papier jedoch zu unkonkret. Aus Abidjan berichtet Adrian Kriesch.

Elfenbeinküste | Gerd Müller mit Frannie Leautier, Vize-Chefin der Afrikanischen Entwicklungsbank
Gerd Müller mit Frannie Leautier, Vize-Chefin der Afrikanischen EntwicklungsbankBild: DW/A. Kriesch

Rund 20 Vorstandsmitglieder sitzen an einem riesigen Tisch im modernen Gebäude der Afrikanischen Entwicklungsbank im Zentrum der ivorischen Wirtschaftsmetropole Abidjan. Fast alle sind gestandene Banker mit jahrelanger Erfahrung in der Entwicklungsfinanzierung. Einmal in der Woche treffen sie sich hier und besprechen Projektanträge, jährlich etwa 300 pro Jahr. Im vergangenen Jahr sagten sie Kredite im Umfang von fast elf Milliarden Dollar zu.

Am Ende des Tisches sitzt der heutige Gast, Gerd Müller. Der deutsche Entwicklungsminister spricht über seinen "Marshallplan mit Afrika". Das ist bisher ein rund 30-seitiges Konzeptpapier, das er als eine "neue Ebene" der Entwicklungszusammenarbeit in Bereichen wie Wirtschaftsentwicklung, Handel, Bildung und Energieversorgung sieht. Eine Partnerschaft mit Afrika - deshalb sei er hier. "Ich sehe Sie als die Stimme Afrikas", sagt Müller zu den Bankern. "Hier sitzen die Experten."

"Stärkere Fokussierung nötig"

Die Fachleute danken Müller höflich für seine Initiative und sein Engagement für den Kontinent. Dann folgt Kritik. "Die Strategie und die Vision wirken sehr breit angelegt. Ich glaube, es ist eine stärkere Fokussierung nötig", sagt ein Vorstand. Der Plan konzentriere sich vor allem auf die Schaffung von Jobs und Perspektiven für die Jugend: "Vielleicht ist der Name 'Marshallplan' dafür nicht der richtige."

Es fehle vor allem an Zahlen, beklagt ein anderer Banker. "Was könnte Deutschland denn genau zur Verfügung stellen?"

Engere Zusammenarbeit statt Finanzspritze

Anders als im berühmten Vorbild und Namensgeber, dem amerikanischen Marshallplan für Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, geht es Müller nicht um eine milliardenschwere Finanzierung. Er will die Entwicklungszusammenarbeit umkrempeln, enger mit den Partnern zusammenarbeiten und auch Afrikas Eliten stärker in die Pflicht nehmen. Illegale Geldabflüsse aus Afrika und die von multinationalen Unternehmen praktizierte Steuerflucht sollen bekämpft werden. Eine stärkere Förderung der Privatwirtschaft ist zentrales Element, unfaire Handelshemmnisse sollen abgebaut werden, afrikanische Produkte besseren Zugang zu Europas Märkten bekommen.

Bei seinem Treffen mit dem Entwicklungsbank-Vorstand musste sich Müller kritischen Fragen stellenBild: DW/A. Kriesch

"Ich muss da kurz nachhaken, Herr Minister", sagt ein Banker aus Nigeria. "Jeder hier an diesem Tisch weiß, dass die aktuelle Landwirtschaftspolitik nicht fair für Afrika ist. Statistisch gesehen bekommt eine Kuh in Europa mehr Subventionen als ein durchschnittlicher afrikanischer Bauer." Müller nickt. Doch die Frage, wie genau er das fairer gestalten will, bleibt unbeantwortet.

Viel Aufmerksamkeit in Deutschland

Denn noch ist Müllers Plan nur ein Konzept seines Ministeriums. Auch wenn er das gerne ändern würde: Auf die Handelspolitik hat sein Haus kaum Einfluss. Viele seiner Ideen werden bereits seit Jahren in der Entwicklungspolitik diskutiert. Müllers Kritiker betrachten die Bezeichnung Marshallplan deshalb als irreführend. Andere finden es brillant, denn der Titel bringt Afrika und Müllers Ressort plötzlich enorme Aufmerksamkeit in Deutschland.

Seit der Flüchtlingskrise ist Afrika in der deutschen Politik wieder präsenter. Finanzminister Wolfgang Schäuble will im Rahmen der deutschen G20-Präsidentschaft Investitionspartnerschaften mit ausgewählten afrikanischen Ländern schließen. Kanzlerin Angela Merkel reiste bereits in die Migrationstransitländer Mali und Niger und in dieser Woche auch nach Ägypten und Tunesien. Und Müller wirbt im In- und Ausland für seinen Marshallplan, zuletzt prominent unterstützt von EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani.

Entwicklungsbank als strategischer Partner

Das Konzept des Ministers passe gut zu den Prioritäten der Bank, lobt denn auch die Vize-Chefin der Afrikanischen Entwicklungsbank, Frannie Leautier. Es orientiere sich an den Zielen der Afrikanischen Union: "Das Wort 'mit' Afrika ist sehr wichtig", sagt die Tansanierin. "Es ist das erste Mal, dass etwas über Afrika mit Afrika gemacht wird." Sie begrüße auch die im Plan geäußerte Idee, einen EU-Kommissar für Afrika einzuführen.

Besuch bei einer Schokoladenfabrik in Abidjan: So stellt sich Müller den Marshallplan vorBild: DW/A. Kriesch

Müller erhofft sich von einer engeren Kooperation mit der Bank neue Anlageprodukte und Risikoinstrumente, um Investitionen und den afrikanischen Privatsektor zu fördern - zum Beispiel durch ein Kreditprogramm für junge Unternehmer. "Wir gehen in dieselbe Richtung und die Bank ist ein ganz wichtiger strategischer Partner", so Müller im DW-Interview. In Bezug auf die Instrumente, die zu entwickeln seien, gebe es große Übereinstimmungen zwischen ihm und dem engeren Vorstand der Bank.

Nur zwei Prozent Kritik?

Und die geäußerte Kritik im erweiterten Vorstand? "Journalisten hören immer die zwei Prozent Kritik. Kritik ist Anregung - und die ist hocherwünscht." Eingegangen ist der Entwicklungsminister auf die Kritik der Banker aber kaum. Und so grübeln einige Vorstandsmitglieder wohl immer noch, wie genau Müller manche Punkte in seinem Plan umsetzen will: die Nehmer-Geber-Abhängigkeit reduzieren, die Industrialisierung anstoßen, mit einer häufig überforderten öffentlichen Verwaltung ohne Reformwillen zusammenarbeiten.

"Wir wissen, dass zuvor bereits viele Initiativen ergriffen wurden - ohne Erfolg", sagt ein Banker. Der Plan sei eine gute Diskussionsgrundlage, aber sicherlich verbesserungsfähig. Er wünsche Müller "viel Erfolg und Mut für diese Idee".

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