Über Jahre hinweg war die Elfenbeinküste gespalten. Die Truppen der Vereinten Nationen sollten die Bevölkerung schützen und die Gewalt im Zaum halten. Nun werden sie abgezogen. Doch der Konflikt brodelt weiter.
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Es ist eine Episode der ivorischen Geschichte, die nach 13 Jahren ihr Ende erreicht: Am Freitag verlassen die letzten Mitarbeiter der UN-Mission ONUCI die Elfenbeinküste. Glaubt man Aichatou Mindaoudou, der UN-Sonderbeauftragten für die Elfenbeinküste, kann sich die Bilanz sehen lassen: 67.000 Kämpfer seien entwaffnet und in die Bevölkerung wiedereingegliedert worden. Außerdem habe man mehrere Wahlen begleitet, darunter 2016 die erste Parlamentswahl unter Beteiligung der Opposition. Und das sei nicht alles: "Wir haben das Land dabei unterstützt, Menschenrechte zu fördern. Wir haben den Radiosender ONUCI-FM an die Stiftung Félix Houphouët-Boigny für den Frieden übertragen, die den gleichen hohen professionellen Standards folgt, um unsere Arbeit fortzusetzen."
Der Abschluss einer UN-Mission - in Afrika ist das zurzeit die Ausnahme. Die meisten Militärmissionen auf dem Kontinent werden regelmäßig verlängert - oder in neue Missionen mit veränderten Mandaten überführt. Der Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung im Land, Thilo Schöne, würde dennoch nicht von einem sanften Übergang sprechen. "Hier im Land wird der Abzug der UN-Soldaten als überstürzt empfunden." Selbst das Personal sei teilweise sehr überrascht gewesen. "De facto bleibt einiges an Ausrüstung und Geld der UN-Mission im Land, weil die Mission sich dann doch nicht so schnell abwickeln ließ."
Aus einer Krise in die nächste
Die ersten Blauhelme waren 2004 im Land stationiert worden. Damals war das Land nach einer Meuterei geteilt - die UN-Truppen hielten gemeinsam mit französischen Soldaten in einer Pufferzone die Konfliktparteien auseinander. Doch nach den Präsidentschaftswahlen 2010 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen und Gebietskämpfen zwischen Anhängern des Präsidenten Laurent Gbagbo im Süden und seines Herausforderers Alassane Ouattara im Norden. Rund 3000 Menschen starben. Ouattara galt als Wunschkandidat der internationalen Kräfte im Land: Hinter vorgehaltener Hand sagen viele, die UN-Truppen hätten sein Lager mit Waffen unterstützt.
Fakt sei, dass sich der Kontext seit Beginn der Krise kaum verändert habe, sagt Thilo Schöne. "Die Akteure sind immer noch die gleichen, es hat in diesem Jahr zahlreiche Meutereien gegeben, und die Bevölkerung hat Angst vor den Wahlen im Jahr 2020." Der soziale Zusammenhalt - eines der Ziele der UN-Mission im Land - steht in weiter Ferne.
Die Konfliktlinie läuft jetzt zwischen verschiedenen Lagern in der Regierung des jetzigen Präsidenten Ouattara. Einer seiner Gegenspieler innerhalb der Partei ist Parlamentspräsident Guillaume Soro, den Beobachter hinter den Meutereien der letzten Monate vermuten. "Die Untersuchungen zu Waffenfunden bei Anhängern des Parlamentspräsidenten laufen noch", sagt der ivorische Politikwissenschaftler Pierre Dagbo Gode. "Es ist schwer erkennbar, welche Rolle die ONUCI gespielt haben soll: Sie hat den Ivorern nicht geholfen, sich zu versöhnen; sie hat die Elfenbeinküste nicht zu einem vereinten Land gemacht."
Imagewandel beabsichtigt
Von der DW darauf angesprochen, findet die UN-Sonderbeauftragte Mindaoudou die aktuellen Probleme nicht ungewöhnlich. "Der Aufbruch aus einer Krise verläuft nie linear. Es gibt Fortschritte und Rückschritte. Wir können uns aber sicher sein, dass die Bevölkerung und die Verantwortlichen das Ziel eines stabilen Staats nicht aus den Augen verlieren." Kritiker sehen hier den eigentlichen Grund für das vorzeitige Ende der Mission: Neben Müdigkeitserscheinungen bei den Truppenstellern sei vor allem der Wunsch nach dem Image eines stabilen Landes Vater des Gedanken gewesen.
Ouattara selbst sei es gewesen, der - Seite an Seite mit dem wirtschaftlichen und militärischen Partner Frankreich - für ein Ende der UN-Mission geworben habe, sagt FES-Experte Schöne: "Die Regierung hat ein großes Interesse daran, Investoren zu zeigen, dass das Land auf einem guten Weg ist. Der Konflikt ist geregelt, es gab eine Versöhnungskommission, alles ist wieder in Ordnung." In der Tat sei es wichtig, eine neue Seite in der Geschichte des Landes aufzuschlagen, sagt Ousmane Zina, Politikwissenschaftler an der Universität Bouaké. Dennoch wecke der Abzug der UN-Truppen große Ängste in der Bevölkerung: "Die Menschen stellen sich die Frage: Wer wird jetzt die Rolle des unparteiischen Vermittlers zwischen den Ivorern übernehmen, die nicht miteinander klarkommen?"
Mitarbeit: Julien Adayé, Fiacre Ndayiragiye
UN-Truppen in Afrika: Schwieriger Einsatz
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat das Mandat der UN-Mission im Kongo um ein weiteres Jahr verlängert. Sie ist eine von vielen, die in Afrika für Frieden sorgen sollen. Ein Überblick.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler
Kongo: Die größte UN-Mission in Afrika
Seit 1999 versuchen UN-Blauhelme, den Osten der Demokratischen Republik Kongo zu befrieden. Die MONUSCO soll dort Rebellen bekämpfen und Zivilisten schützen. Mit mehr als 22.000 Soldaten und einem Jahresbudget von 1,4 Milliarden US-Dollar ist es die bislang größte und teuerste Mission der Vereinten Nationen. Trotz einiger Fortschritte im Kampf gegen Rebellen dauert die Gewalt im Land aber an.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler
Dafur: Machtlos gegen die Gewalt
UNAMID ist eine gemeinsame Mission der Afrikanischen Union und der UN. Die Soldaten sollen die Gewalt in der sudanesischen Krisenprovinz Darfur beenden. Beobachter halten die Mission für gescheitert. "Der UN-Sicherheitsrat sollte härter auf politische Lösungen hinarbeiten, statt Milliardensummen für den jahrelangen Einsatz der Truppen auszugeben", sagt Sicherheitsexperte Thierry Vircoulon.
Bild: picture-alliance/dpa/A. G. Farran
Südsudan: Wegschauen statt kämpfen
Seit Beginn des Bürgerkrieges im jüngsten Staat der Welt haben sich rund 63.000 Menschen in die UN-Stützpunkte geflüchtet. Für sie sind die Truppen der UNMISS ein wichtiger Schutz. Als es im Juli 2016 zu Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Rebellen in der Hauptstadt Juba kommt, greifen die Blauhelme aber nicht ein. Hilferufe werden ignoriert. Der kenianische Kommandant muss daraufhin gehen.
Bild: Getty Images/A.G.Farran
Mali: Der gefährlichste UN-Einsatz weltweit
Die Blauhelme sollen die Einhaltung des Friedensabkommens zwischen Regierung und Rebellen überwachen. Doch einige islamistische Terrormilizen haben das Abkommen nicht unterschrieben - und verüben Anschläge. Die MINUSMA gilt als der gefährlichste UN-Einsatz weltweit. Deutschland beteiligt sich mit 787 Soldaten und Hubschraubern. Bald könnte es der größte Bundeswehr-Einsatz im Ausland werden.
Die MINUSCA in der Zentralafrikanischen Republik hat nicht dazu beigetragen, dass Image der Vereinten Nationen in Afrika zu verbessern. Seit 2014 sind 10.000 Soldaten und 1800 Polizisten im Einsatz. Zuvor war die Zentralafrikanische Republik von einigem blutigen Bürgerkrieg erschüttert worden. Es gab Vorwürfe gegen UN-Soldaten wegen sexuellen Missbrauchs.
Bild: Getty Images/AFP/M. Longari
Westsahara: Dauerhaften Frieden schaffen
Die UN-Mission in der Westsahara ist schon seit langem aktiv. Seit 1991 soll MINURSO den Waffenstillstand zwischen Marokko und den Rebellen der "Frente Polisario" überwachen. Sie kämpft für die Unabhängigkeit der Westsahara, die Marokko 1976 besetzt hat. 2016 wies Marokko aus Verärgerung über Aussagen des UN-Generalsekretärs 84 zivile MINURSO-Mitarbeiter aus und schloss einen Stützpunkt.
Bild: Getty Images/AFP/A. Senna
Elfenbeinküste: Friedliches Ende einer Mission
Die UN-Mission in der Elfenbeinküste hat ihren Auftrag nach 14 Jahren erfüllt. Am 30. Juni 2017 geht sie zu Ende. Seit 2016 werden die Truppen sukzessive abgezogen. Der frühere Generalsekretär Ban-Ki Moon sagte, dies sei ein "Wendepunkt für die Vereinten Nationen und die Elfenbeinküste". Doch erst nach dem Abzug wird sich zeigen, ob die Mission dauerhaft erfolgreich war.
Bild: Getty Images/AFP/I. Sanogo
Liberia: Abzug in Sicht
Der UN-Einsatz in Liberia ist - wie im Nachbarstaat Elfenbeinküste - bald Geschichte. Die Soldaten ziehen Mitte 2017 ab. Seit dem Ende des 14-jährigen Bürgerkrieges sorgte UNMIL für Stabilität in Liberia und half beim Aufbau eines funktionsfähigen Staates. Liberias Regierung will nun selbst für Sicherheit sorgen. Das Land kämpft aber noch immer mit den Folgen einer verheerenden Ebola-Epidemie.
Bild: picture-alliance/dpa/N. Bothma
Sudan: Äthiopier als Friedenstifter
Die Soldaten der UNISFA patrouillieren in Abyei. Sudan und Südsudan erheben Anspruch auf das Territorium, das zwischen beiden Ländern liegt. Mehr als 4000 Blauhelm-Soldaten aus Äthiopien sichern es. Äthiopien stellt weltweit die meisten Soldaten in Friedensmissionen. Zugleich werden der äthiopischen Armee Menschenrechtsverletzungen in ihrem Heimatland vorgeworfen.
Bild: Getty Images/AFP/A. G. Farran
Somalia: Zukunftsmodell AU-Mission?
Die Blauhelme in Somalia kämpfen unter Führung der Afrikanischen Union, aber mit Billigung der UN. AMISOM soll den Terror der Al-Shabaab-Milizen in dem Krisenstaat am Horn von Afrika eindämmen. Die Mission soll für die nötige Stabilität für den Friedensprozess im Land sorgen. Äthiopien, Burundi, Dschibuti, Kenia und Uganda stellen Soldaten für die Mission.