Elflingen - Feen-Zauber gegen Corona-Blues
2. Januar 2021Es war ein Tag Anfang November, als Silke Sauer beschloss, mit ihren beiden und ein paar Nachbarskindern zu einem Spaziergang in den Wald aufzubrechen, um der Langeweile und dem Trübsinn der Corona-Zeit ein Schnippchen zu schlagen. Silke kennt das Waldgebiet zwischen Hiltmannsdorf und Egersdorf gut, knapp 20 Kilometer von Nürnberg in Franken entfernt, denn sie ist dort aufgewachsen.
Unter den hohen Kiefern nahmen die Kinder und sie ein paar herumliegende Äste und lehnten sie gegen einen Baumstamm, so dass eine Art Zelt entstand. Am Fuß einer anderen Kiefer ordneten sie dicke grüne Moosplacken über zwei Rindenstücken so an, dass sie eine gemütliche Minihütte bauten - ein freundliche Einladung an die Elfen, witzelten sie.
Als sie ein paar Tage später wiederkamen, bot sich ihnen ein erstaunlicher Anblick: Ihr Elfenhaus war noch da, ungestört und offenbar unbewohnt - aber es waren vier weitere hinzugekommen. Als sie das nächste Mal kamen, am 21. November, brachten Silke und die Kinder winzige Weihnachtsbäume und andere elfenähnliche Verzierungen mit - und sie fanden sogar noch mehr Elfenhäuser.
Kreative Werke anonymer Baumeister
"Da wussten wir, dass etwas im Gange war", erinnert sich Silke Sauer, die an der nahegelegenen Universität Erlangen-Nürnberg arbeitet. "Als wir den Weihnachtsschmuck anbrachten, muss das andere Menschen ermutigt haben. Denn als wir danach wiederkamen, hatte sich das Gelände in ein regelrechtes Elfendorf verwandelt. In einigen der Feen-Nester stehen sogar Möbel."
An diesem Punkt, als das Dorf auf rund 20 Elfen-Wohnungen angewachsen war, hing sie ein kleines Ortsschild auf und nannte das Waldstück "Elflingen". Silke Sauer fand den Landwirt, dem der Wald gehörte, und erkläre ihm, was dort passierte. Das war aber gar nicht nötig, denn der Bauer wusste über die wachsende Elfen-Kolonie bereits Bescheid und sagte, er würde es erst einmal alles so lassen wie es sei. Silke versprach ihrerseits, Dekoration aus Plastik und anderen nicht-natürlichen Materialien wieder einzusammeln, falls sie zurückgelassen würden - wann immer das sei.
Allerdings macht das Feen-Dorf Elflingen keine Anstalten, sich bald wieder aufzulösen. Im Gegenteil: Auf der Größe eines Fußballfeldes stehen mittlerweile mehr als 100 "Bauwerke"; neben kleinen Baumhäusern gibt es auch einen Spielplatz für Elfen, Höhlen und einen Pferdestall. Das Dorf ist auch kein Geheimnis mehr. Kindergartengruppen pilgern hierher und Familien kommen, um sich von seiner Atmosphäre verzaubern zu lassen. Inzwischen hat Elflingen sogar eine eigene Homepage.
Elflingen - die Magie erleben
Das Dorf Elflingen wachse so schnell, meint Silke Sauer, weil es ein perfektes Beispiel dafür sei, was sie "Corona-Kreativität" nennt. Es sei ein Freiluftgelände, das vielen Menschen erlaube, gemeinsam etwas zu schaffen, ohne dass sie sich nahekommen müssten. Und das Gefühl, quasi mit nichts etwas aufzubauen, gebe besonders viel Kraft in einer Zeit, in der in Deutschland massive Corona-Einschränken herrschten, viele Menschen sich ein bisschen hilflos fühlten und Kinder schnell gelangweilt seien.
Elflingen zu erleben, sagt Silke Sauer, erlaubt uns, den Zauber zu spüren, wenn Menschen spontan, mit viel Energie und dem selben Ziel zusammenarbeiten.
Die Häuser in Elfingen reichen von schlichten, rund 15 Zentimeter hohen Hütten über aufwendige, langgestreckte Häuser bis hin zu zweistöckigen Bauwerken von der Größe eines Kleinkindes. Strohsterne schmücken die Dächer vieler Elfen-Heime, die teils durch Zäune getrennt und teils durch Gehwege aus Zweigen verbunden sind. Jedes Haus ist einzigartig.
Während der Weihnachtsferien gebe es besonders viele Menschenbesuche im Elfenwald, erzählt Silke Sauer. Manche Besucher haben kleine gestrickte Elfenfigürchen hinterlassen. Eine echte Elfe hat allerdings noch niemand erspäht. Aber dafür sind Elfen ja nun mal bekannt: einen Zauber zu hinterlassen ohne dabei gesehen zu werden.
Adaption aus dem Englischen: Beate Hinrichs