Bundestagswahlkampf: Elon Musk und sein Plädoyer für die AfD
26. Januar 2025
"Larger than life" ist in den USA ein Modewort, um Persönlichkeiten mit außergewöhnlichem Charisma und Erfolg zu beschreiben. Und genauso sprach Elon Musk am Samstag auch in Deutschland zu den Besuchern des Wahlkampfauftakts der AfD: "überlebensgroß".
Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Mit zur Siegerpose erhobenen Fäusten nahm der Multimilliardär die riesige Leinwand der Messehalle in Halle an der Saale im Bundesland Sachsen-Anhalt vollkommen ein. Und die Anhänger der Alternative für Deutschland jubelten ihm schwarz-rot-goldene Deutschland-Fahnen schwenkend zu.
Historiker: "Frontalangriff auf die deutsche Erinnerungskultur"
Zwei Tage vor dem 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, des größten Vernichtungslagers der Nazi-Diktatur, rief Musk seine geneigte Zuhörerschaft zu, Deutschland lege zu viel Gewicht auf "vergangene Schuld": "Kinder sollten nicht für die Sünden ihrer Eltern, geschweige denn ihrer Urgroßeltern verantwortlich gemacht werden."
Als "Frontalangriff der AfD auf die deutsche Erinnerungskultur mit der Hilfe des Oligarchen Musk" bezeichnete das der Historiker Matthias Wehowski in seinem Social-Media-Kanal: "Man kann gar nicht stark genug betonen, wie gefährlich das für die Demokratie ist", so Wehowski weiter, der unter anderem am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung der Technischen Universität Dresden forscht.
Die deutsche Erinnerungskultur widmet sich in erster Linie dem Gedenken an das millionenfache Unrecht der Nationalsozialisten unter der Führung Adolf Hitlers (1933 bis 1945), darunter der Holocaust und der Zweite Weltkrieg. Sie schließt aber seit den 1990er-Jahren auch die Aufarbeitung der sozialistischen Diktatur der SED in der DDR (1949 bis 1990) ein.
Musk zweifelt Einordnung der AfD als rechtsextrem an
Die AfD macht seit Jahren mit massiver Kritik an der Erinnerungskultur Wahlkampf. Dazu gehören die Thesen, die Erinnerungskultur verhindere einen gesunden Nationalstolz und fördere eine Politik, die Deutschland schade.
Zu ihrem nationalistischen Diskurs gehört auch die Forderung nach einer strengen Begrenzung der Migration in die Bundesrepublik, nach konsequenter Abschiebung von Ausreisepflichtigen und nach erhöhtem Anpassungsdruck für Zugewanderte. Dafür nutzt AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel inzwischen auch offensiv den umstrittenen Begriff "Remigration". Zudem wettern AfD-Mitglieder immer wieder gegen Gender Studies und die LGBTQ+-Community.
Von deutschen Medien wird die Partei deshalb weitgehend als rechtspopulistisch oder rechtsextrem eingeordnet. Unter anderem wegen der rhetorischen Nähe zu den Nazis stuft auch der Verfassungsschutz, der deutsche Inlandsgeheimdienst, mehrere Parteimitglieder und drei Landesverbände der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" ein.
Dem widersprach Elon Musk bereits Ende Dezember in einem Gastbeitrag in der Zeitung "Welt am Sonntag": "Die Darstellung der AfD als rechtsextrem ist eindeutig falsch, wenn man bedenkt, dass Alice Weidel, die Vorsitzende der Partei, eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka hat! Klingt das für Sie nach Hitler?"
Musk: "Kämpft für eine große Zukunft für Deutschland!"
Als aktive Wahlkampfunterstützung wird auch das gut einstündige Gespräch zwischen Musk und Weidel auf dessen Kurzmitteilungsdienst X Anfang Januar gewertet. "Nur die AfD kann Deutschland retten", hatte Musk schon früher orakelt.
Am Samstag in Halle setzte er nach: "Kämpft für eine große Zukunft für Deutschland!", rief er dem johlenden Publikum zu, als seien sie die dazu Auserwählten. Die Bedeutung der anstehenden Wahl indes sei kaum zu unterschätzen, so Musk: "Das Schicksal Europas, das Schicksal der Welt könnten an dieser Wahl hängen", vielleicht sogar die "Zukunft der Zivilisation".
Mit ganz ähnlichen Aufrufen hatte Elon Musk US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf sekundiert. Außerhalb der USA geht Musk nicht nur mit der AfD auf Tuchfühlung. Auch der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni von der rechten Partei Fratelli d'Italia soll er nahestehen.
Ist Elon Musk ein rechter Ideologe?
Zunächst einmal ist Elon Musk ein visionärer Unternehmer. Mit Tesla hat er den weltweiten Automobilmarkt aufgemischt. Mit seiner Firma SpaceX baut er ein weltumspannendes Satellitennetz auf, das schon heute die entlegensten Winkel der Erde mit Internet versorgt. Eines seiner erklärten Ziele ist die Besiedlung des Planeten Mars. Disruption, also das Zerfetzen bestehender Strukturen durch neue Lösungen, ist für ihn das Normale, nicht die Ausnahme.
Dementsprechend liegt es nahe, dass Musk eine libertäre Politik begrüßen würde, die dem Staat nur minimale legislative Kompetenzen zuerkennt. Solche Ideen sehe er möglicherweise auch bei der AfD, sagte der Politikberater und Social-Media-Spezialist Martin Fuchs dem Bayerischen Rundfunk.
Neben Nationalismus steht die Partei auch für wirtschaftliche Deregulierung und - in diesem Zusammenhang - auch für das Zurückdrängen der Europäischen Union als vermeintliche Regulierungsmaschine. "Und da ist die AfD wahrscheinlich der einfachste Partner, den man gewinnen kann, um für Unruhe zu sorgen, für Chaos zu sorgen", so Fuchs. Wenngleich die Wirtschaftsweise Veronika Grimm darin einen Irrtum sieht: "Die AfD ist ja keine klar wirtschaftsliberale Partei", sagte sie dem Sender ARD.
Geht es Musk also nur um ein freies Unternehmertum und nicht um ein indentitäres, völkisches Gedankengut? Dagegen spricht, dass der Tech-Milliardär häufig gegen die Woke-Bewegung wettert und Verschwörungsmythen wie den "großen Austausch" verbreitet, demzufolge europäische Eliten die hiesige Bevölkerung durch Menschen aus anderen Weltregionen ersetzen wollen. Auch dies teilt er zumindest mit Teilen der AfD.