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Eloquent und unbequem: Gesine Schwan

Judith Hartl 19. Mai 2004

Die erste Frau als Bundespräsident? Die Chancen für die rot-grüne Kandidatin Gesine Schwan sind gering, denn in der Bundesversammlung haben CDU/CSU und FDP die Mehrheit. Doch kein Zweifel: Gewinnen würde sie gerne.

Gesine SchwanBild: AP

Ihre Frisur ist schon so etwas wie ihr Markenzeichen. Blonde Locken, in geordnetem Chaos hochgesteckt. Dazu trägt Gesine Schwan meist klassisches Kostüm. Über 400 Auftritte hat die Bundespräsidenten-Kandidatin von SPD und Grünen seit Anfang März absolviert. Tingelt durch die gesamte Republik und macht quasi Wahlkampf für sich - quer durch die Parteien. Denn auch wenn schon jetzt so gut wie fest steht, dass aufgrund der Mehrheitsverhältnisse Horst Köhler Bundespräsident wird, rechnet sich Gesine Schwan Chancen aus: "Erstens ist es bei mir immer so gewesen, dass mich Aufgaben, die schwierig sind, besonders gereizt haben. Ich wäre, glaube ich, gar nicht gerne eine Zählkandidatin im umgekehrten Sinne, dass ich machen könnte, was ich wollte, die Stimmen sind sowieso schon gezählt." Das sagt sie lächelnd, unverkrampft.

Sie ist überzeugt von sich und versucht, andere zu überzeugen. Dass sie den Deutschen wieder Vertrauen geben möchte, in die Politik, in ihr Land: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich nach relativ kurzer Zeit, wenn ich ins Amt gewählt werde, die wesentlichen Personen zusammenbringen kann, zumal ich auch auf beiden Seiten ganz klar gehört habe, dass man mir persönlich großes Vertrauen entgegenbringt." Gesine Schwan wäre keine leise Bundespräsidentin. Sie ist energisch, streitbar, enorm eloquent und nimmt kein Blatt vor den Mund. Das Verhältnis zu ihrer Partei, der SPD, war nicht immer spannungsfrei. So machte sie sich in den 70er Jahren bei der Partei-Linken - übrigens auch bei Kanzler Schröder - unbeliebt als sie sich für den Nato-Doppelbeschluss ausspricht und fliegt 1984 aus der Grundwertekommission der SPD. Der Grund: Sie stemmt sich gegen Willi Brandts Entspannungspolitik gegenüber dem Ostblock, weil sich die Partei - ihrer Meinung nach - zu wenig für die Menschenrechte einsetzt.

Vorbild Weizäcker

Seit 1999 ist Gesine Schwan, die übrigens neun Sprachen spricht, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Sie sagt, dass Gerhard Schröder sie wohl nicht aufgestellt hätte, wenn sie ein Mann wäre und dass sie als Frau sehr wertvolle Qualitäten für das Amt des Bundespräsidenten mitbringt: "Frauen haben oft die Aufgabe, zumal wenn sie berufstätige Mütter sind, sehr viele verschiedene Lebensbereiche zusammenzubringen, zu

vermitteln in Konflikten, auflösend zu wirken, helfend zu wirken. Das alles sind gute Voraussetzungen, um diese Macht auszuüben."

Gesine Schwan hat zwei erwachsene Kinder, ihr Mann starb 1989. Ihr Lebensgefährte ist Peter Eigen, ehemaliger Chef der Weltbank und jetziger Leiter der Anti-Korruptions-Organisation "Transparency International". Am Tag vor der Bundespräsidenten-Wahl feiert Gesine Schwan ihren 61. Geburtstag. Sie wirkt sehr viel jünger, wenn sie über ihren Lieblings-Bundespräsidenten spricht: "Richard von Weizsäcker ist in diesem Amt mein Vorbild. Er hat über Jahre hinweg auf ganz vorbildliche Weise die Vergangenheitsprobleme, die uns belasten, aufbereitet. Er hat es verstanden, schwierige Sachen so zu formulieren, dass sich die breite Bevölkerung davon angesprochen fühlt, ohne dass er vereinfacht hat. "Viele Deutsche trauen Gesine Schwan das ebenfalls zu. Würde der Bundespräsident vom Volk gewählt, dann hätte sie laut Umfragen sehr gute Chancen. Das freut sie und sie versichert, dass es für sie keine Katastrophe wäre, die Wahl am Sonntag (23.5.) zu verlieren. Schließlich gäbe es an der Viadrina-Universität für sie als Präsidentin genug zu tun.

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