An diesem Donnerstag entscheidet die UEFA-Exekutive darüber, wer die Fußball-Europameisterschaft 2024 ausrichtet. Deutschland oder die Türkei? Wir haben wichtige Bereiche abgeklopft. Ergebnis: 4:1 für Deutschland.
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Organisation von Fußball-Großereignissen
In Sachen Erfahrung liegt Deutschland ganz klar vorn. Egal ob bei den WM-Endrunden 1974 und 2006, der EM 1988 oder der Frauenfußball-WM 2011, über organisatorische Mängel wurde eigentlich nie geklagt. Viele bezeichnen Deutschland deshalb auch als "Organisationsweltmeister". Die Türkei hat deutlich weniger Erfahrung als Gastgeber von Fußball-Großereignissen. Bisher steht lediglich die Weltmeisterschaft der U20-Junioren im Stammbuch. Als Vorzeige-Veranstaltung taugte sie nicht, die Zuschauerzahlen waren enttäuschend.
Vorteil Deutschland: 1:0.
Die Stadien
Der DFB hat zehn Stadien als mögliche Spielorte benannt: Berlin, Leipzig, Hamburg, Dortmund, Gelsenkirchen, Köln, Stuttgart, Frankfurt, München und Düsseldorf. Die UEFA-Prüfer attestierten allen zehn Arenen ein "gutes Niveau". Alle seien voll funktionsfähig und würden bereits regelmäßig für Fußballspiele genutzt.
Die EM-Spielorte 2024
Vierzehn deutsche Städte haben sich als Spielort für eine mögliche EURO 2024 in Deutschland beworben. Der DFB gibt zehn von ihnen den Zuschlag und geht damit in die entscheidende Bewerbungsrunde gegen die Türkei.
Bild: picture-alliance/dpa/O. Lang
Berlin - Olympiastadion
Berlins Olympiastadion ist so etwas wie das deutsche Wembley. Hier finden seit 1985 die DFB-Pokal-Endspiele statt. 2006 war das anlässlich der Olympischen Spiele 1936 erbaute Stadion WM-Endspielort. Höchstwahrscheinlich wird das auch im Juli 2024 wieder der Fall sein. Eine deutsche Nationalmannschaft hat hier aber noch nie ein Finale gespielt. Weder 1936 noch 2006.
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Berlin - Ständig in Bewegung
Deutschlands Hauptstadt gilt als eine der sich am schnellsten veränderten Städte der Welt. Seit dem Fall der Berliner Mauer hat die Vier-Millionen-Metropole ihr Gesicht stark verändert. Neue, moderne Bauten wurden hochgezogen, alte Schmuckstücke wieder aufgehübscht. Im Jahr 2016 sollen insgesamt 12 Millionen Gäste die ehemals geteilte Stadt besucht haben.
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München - Allianz Arena
Wie ein eben erst gelandetes Ufo sieht die Münchener Arena aus. Die Folienkissen auf der Außenfassade können in den Farben Rot, Blau oder Weiß erleuchtet werden und erzeugen bei Dunkelheit ein beeindruckendes Bild. Hier wurde bei der WM 2006 das Eröffnungsspiel Deutschland gegen Costa Rica ausgetragen. Das Stadion ist mittlerweile im alleinigen Besitz der FC Bayern München AG.
Bild: DW/A.Götzmann
München - Mediterranes Flair
Reizvoll ist auch die Stadt München, die bei Umfragen zur Lebensqualität und zur Zufriedenheit ihrer Bewohner stets weit oben abschneidet. Wahrzeichen der Stadt sind unter anderem die Frauenkirche und das Neue Rathaus am Marienplatz (Foto). Münchens Herz schlägt bei schönem Wetter auf den vielen Plätzen mit ihren Straßencafés. Dann laden auch der englische Garten und die Isar zum Verweilen ein.
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Dortmund - Signal Iduna Park
Alle zwei Wochen beeindrucken die Dortmunder Fans in der Bundesliga mit ihrer gelben Wand. Auch bei Länderspielen, wenn statt rund 80.000 "nur" 65.581 Zuschauer zugelassen sind, ist die Kulisse im ehemaligen Westfalenstadion eindrucksvoll. Schon bei der WM 2006 war Dortmund Spielstätte. Hier gab es Deutschlands spätes 1:0 gegen Polen und das bittere Halbfinal-Aus gegen Italien.
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Leipzig - Red Bull Arena
Auch Leipzig, 1900 Gründungsort des DFB und Heimat des ersten deutschen Meisters im Jahr 1903, ist dabei. Das neue Stadion mit seinen knapp 43.000 Plätzen, das Bundesligist und Champions-League-Teilnehmer RB vor einiger Zeit gekauft hat, steht im denkmalgeschützten Kessel des ehemaligen Leiziger Zentralstadions. Das Zentralstadion hatte 100.000 Plätze.
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Leipzig - Messestadt im Wandel
Leipzig war schon zu DDR-Zeiten eine Wirtschaftsmetropole. Seit der Wende hat die Stadt ihr einst graues Gesicht stark verändert. Alljährlich lädt sie zu Ehren Johann-Sebastian Bachs zum Bachfest ein. Überregional bekannt sind das Gewandhaus-Orchester und der Thomaner-Chor. Mit den Montagsdemonstrationen rund um die Nikolaikirche begann 1989 die friedliche Revolution, die zum Ende der DDR führte.
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Köln - Rheinenergie Stadion
Auf den Grundmauern des alten Müngersdorfer Stadions entstand zur WM 2006 die neue Kölner Arena, deren vier Eckpfeiler nachts weithin leuchten. Die Heimat des FC ist rot, steil und meistens gut besucht. Die Arena fasst 46.195 Zuschauer. Sie liegt im schönen Kölner Grüngürtel und in unmittelbarer Nachbarschaft der Deutschen Sporthochschule sowie der DFB-Trainerakademie.
Bild: picture-alliance/ULMER
Köln - Lebensfreude zwischen Dom und Rhein
Köln, so heißt es, ist optisch keine schöne Stadt - es sind vielmehr die herzlichen Menschen, die die Rheinmetropole so liebenswert machen. Der Dom, die gothische Kathedrale direkt am Rheinufer, ist das meistfotografierte Bauwerk Deutschlands. Jedes Jahr kommen Hunderttausende Touristen nach Köln, um gemeinsam mit den Einheimischen den Kölner Karneval zu feiern.
Bild: Imago/J. Tack
Gelsenkirchen - Arena auf Schalke
Im Norden von Gelsenkirchen erhebt sich auf einem Hügel die Arena auf Schalke. Die Heimstätte des FC Schalke bietet 54.740 Zuschauern Platz. Bei Regen oder schlechtem Wetter kann das Dach der Arena geschlossen werden. Schon bei der WM 2006 war Gelsenkirchen Spielort. In der Arena finden neben Fußballspielen auch Konzerte und seit Jahren die World Team Challenge im Biathlon statt.
Nachdem es zwischenzeitlich mehrere Sponsorennamen trug, heißt die Arena des HSV jetzt wieder Volksparkstadion. Das neue Stadion mit seinen 51.500 Plätzen entstand durch einen geschickten Umbau des alten Volksparkstadions, das eine Laufbahn hatte. Zwei Tribünen wurden abgerissen, das Spielfeld um 90 Grad gedreht und die alten Seitentribünen fortan als Ränge an den Kopfseiten des Stadions genutzt.
Bild: picture-alliance/HOCH ZWEI/P. Szyza
Hamburg - Hafenmetropole im Norden
"Wer noch niemals in lauschiger Nacht, einen Reeperbahnbummel gemacht, ist ein armer Wicht", sang einst Hans Albers. Hamburgs "sündige Meile" hat zwar viel von ihrem alten Charme verloren, ist aber weiterhin ein Touristenmagnet. Auch wegen der Alster, des Hafens und der Musicals kommen Gäste nach Hamburg. Die Skyline beherrscht mittlerweile die nach langer Bauzeit fertiggestellte Elbphilharmonie.
Bild: picture alliance/dpa
Frankfurt - Commerzbank Arena
Logischerweise ist auch Frankfurt, mit seiner 48.000 Zuschauer fassenden Arena, wieder einer der Spielorte. Die Bankenmetropole am Main ist Sitz des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Nicht weit von der Arena soll auf dem Gelände der bisherigen Galopprennbahn demnächst die neue DFB-Zentrale entstehen.
Bild: dpa
Düsseldorf - Esprit Arena
Bei der Bewerbung als WM-Spielort ging Düsseldorf trotz moderner Arena 2006 noch leer aus. Diesmal sind die Rheinländer dabei. Das wuchtige Stadion, das von außen eher an ein überdimensioniertes Möbelhaus erinnert, bietet 51.500 Zuschauern Platz. Und wenn mal einige Sitze frei bleiben, ist das nicht weiter schlimm. Durch ihr buntes Design, sieht die Tribüne auch unbesetzt immer voll aus.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch
Düsseldorf - Kunst und Architektur
Während die Düsseldorfer Fortuna momentan wieder in der 2. Bundesliga spielt, ist die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen kulturell in der oberen Liga unterwegs. Mit vielen namhaften Museen, die Werke bekannter Künstler ausstellen, der international bedeutenden Messe und der deutschen Oper am Rhein. Architektonisch begeistern der neu gestaltete Medienhafen und das Landtagsgebäude.
Bild: picture alliance/Blickwinkel/S
Stuttgart - Mercedes-Benz Arena
Der Name des Stadions mit seinen 54.812 Plätzen zeigt schon, wer in und um Stuttgart für Arbeitsplätze sorgt. Die Landeshauptstadt Baden-Württembergs ist Deutschlands Autometropole: Mercedes und Porsche kommen aus Stuttgart. Sportlich ist das Stadion Heimstätte des VfB. 2006 feierte die deutsche Mannschaft hier zum Abschluss des Sommermärchens den Sieg im Spiel um Platz drei gegen Portugal.
Bild: AP
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Auch die Türkei schickt zehn Stadien ins Rennen: zwei in Istanbul, je eine Arena in Ankara, Antalya, Bursa, Eskisehir, Gaziantep, Izmit, Konya und Trabzon. Nur sieben dieser Spielstätten bescheinigt die UEFA, sie seien schon jetzt voll einsatzfähig. Vor allem das Atatürk-Olympiastadion in Istanbul, das für die EM in ein reines Fußballstadion umgebaut werden soll, bereitet der UEFA Sorgen. Der Umfang der nötigen Arbeiten berge angesichts des Zeitrahmens "ein Risiko", so die Prüfer des europäischen Verbands, nicht nur für die EURO 2024, sondern auch für das Finale der Champions League 2020, das dort ausgetragen werden soll. Als weiterer Nachteil für die Türkei gilt, dass die deutschen Stadien größere Kapazitäten und damit das höhere Einnahmen-Potenzial haben. Gleich sieben Arenen in der Türkei fassen weniger Zuschauer als das kleinste Stadion, mit dem sich der DFB bewirbt - Düsseldorf mit 46.264 Besuchern.
Vorteil Deutschland: 2:0.
Stimmung
In beiden Länden ist Fußball der Volkssport Nummer eins. Die Türkei ist für ihre heißblütigen Fans berühmt, auch die UEFA beschreibt das Land als "leidenschaftliche Fußball-Nation", in der auch der Staatspräsident voll hinter der Bewerbung um die EURO 2024 stehe.
Doch auch in Deutschland könnte eine EM - wie bei der WM 2006, dem "Sommermärchen" - eine wahre Fußball-Euphorie auslösen. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts FORSA, die der DFB veröffentlichte, befürworten 74 Prozent der Deutschen über 16 Jahre eine EM in Deutschland, unter den Fußballinteressierten sind es sogar 89 Prozent.
Unentschieden: Es bleibt beim 2:0 für Deutschland.
Infrastruktur
Auch hier punktet die deutsche Kandidatur ganz eindeutig. Die Lage im Herzen Europas ist für Fans, die aus dem europäischen Ausland anreisen, günstiger als jene der Türkei im Südosten des Kontinents. Auch die Wege zwischen den Spielorten in Deutschland sind verglichen mit jenen in der Türkei deutlich kürzer, die Stadien können gut per Auto oder Bahn erreicht werden. Der geplante türkische Spielort Trabzon, weit im Nordosten des Landes am Schwarzen Meer gelegen, ist noch gar nicht ans türkische Bahnnetz angeschlossen, ebenso wenig Antalya. In der türkischen Bewerbung heißt es, bis 2024 sollten 17 Milliarden Euro in den Ausbau des Straßen- und Bahnnetzes investiert werden. Die UEFA ist angesichts der aktuellen Währungskrise der türkischen Lira skeptisch: "Die neuesten wirtschaftlichen Entwicklungen im Land können die öffentlichen Investitionen unter Druck setzen."
Vorteil Deutschland: 3:0.
Finanzen
Ohne Zweifel geht es der UEFA auch darum, mit der Europameisterschaft so viel Kasse wie möglich zu machen. Da ist es dem Verband schon ein Dorn im Auge, dass "die deutschen Behörden die Steuerbefreiung gestrichen" haben und somit "etwaige Gewinne" zu versteuern wären. Im Gegensatz zur türkischen Bewerbung müsste die UEFA zudem Miete für die Stadien zahlen. So ganz scheint die UEFA den finanziellen Zusagen der Türkei allerdings nicht zu vertrauen. Die von der Regierung um Staatschef Recep Tayyip Erdogan versprochenen Steuergarantien seien "nicht vollständig" konform mit "den aktuell geltenden Gesetzen und Verpflichtungen nach geltendem internationalem Recht", heißt es im Prüfungsbericht. Dennoch ...
Vorteil Türkei: nur noch 3:1 für Deutschland.
Menschenrechte
Trotz der Diskussion in Deutschland um die Rassismusvorwürfe des zurückgetretenen Nationalspielers Mesut Özil - die Vorwürfe gegen die Türkei wiegen ungleich schwerer. Die Lage der Menschenrechte ist unter Präsident Recep Tayyip Erdogan, gelinde gesagt, problematisch: Die Presse- und Meinungsfreiheit ist eingeschränkt, Tausende von Oppositionellen sitzen ohne Prozess hinter Gittern. Selbst die UEFA, sonst eher zurückhaltend bei politischen Statements wird in ihrem Prüfungsbericht deutlich: "Das Fehlen eines Aktionsplans im Bereich der Menschenrechte ist ein Grund zur Sorge." Dem DFB wird dagegen bescheinigt, alles zu tun, um mögliche Menschenrechtsverletzungen während des Turniers zu verhindern.