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Schädliche Sanktionen

Martin Schrader 31. Oktober 2006

Wirtschaftssanktionen können verheerende Folgen für ein Land haben. Dennoch gelten sie als probates Handwerkszeug der internationalen Außenpolitik. Von Fachleuten jenseits der Politik wird dies heftig kritisiert.

Containerschiffe im Hamburger Hafen
Containerschiffe im Hamburger HafenBild: dpa - Bildfunk

Wirtschaftssanktionen sind ein beliebtes Mittel der Außenpolitik, um so genannte Schurkenstaaten wie Nordkorea vermeintlich gefügig zu machen. Ihr Erfolg wird jedoch von Friedensaktivisten und Ökonomen gleichermaßen bezweifelt. Nach Ansicht des Friedensforschers Peter Strutynski werden die Sanktionen, die der UNO-Sicherheitsrat gegen Nordkorea verhängt hat, ihre erhoffte Wirkung verfehlen und das Regime nicht von seinem Atomprogramm abbringen. "Sie werden stattdessen das Leid der nordkoreanischen Bevölkerung verschärfen", sagt Strutynski, der an der Universität Kassel die Arbeitsgemeinschaft Friedensforschung leitet.

Nordkoreas Reis-Bauern sind vom jüngsten UN-Embargo betroffenBild: dpa - Report

Der Sicherheitsrat hatte am 15. Oktober Sanktionen gegen Nordkorea verhängt, nachdem dort sechs Tage zuvor eine Atombombe zu Testzwecken gezündet worden war. Diese Sanktionen setzen seitdem mehrere Länder wie Südkorea, China, Australien und die USA schrittweise um. Dazu gehört die Unterbindung des Handels mit militärisch nutzbaren Gütern ebenso wie die Einschränkung von Reisen nordkoreanischer Regierungsmitglieder. Strutynski kritisiert unter anderem, dass Pflanzenschutzmittel als militärisch nutzbar klassifiziert würden. Das Lieferverbot schade der nordkoreanischen Landwirtschaft und damit dem ohnehin Hunger leidenden Volk.

"Massenvernichtungswaffe"

Welche verheerenden Folgen Wirtschaftssanktionen für die Bevölkerung eines Landes - jedoch nicht für seine Regierenden - haben können, zeigt das Beispiel Irak. 13 Jahre lang hatte die UNO ein umfassendes Wirtschaftsembargo gegen das Land verhängt, bis es schließlich die USA und ihre Verbündeten 2003 besetzten. Hans von Sponeck war Koordinator des UN-Programms "Öl für Lebensmittel" und ist mit den Folgen des Embargos vertraut. Rückblickend nennt er die Sanktionen in seinem Buch "Ein anderer Krieg. Das Sanktionsregime der UNO im Irak" (2005) eine "Massenvernichtungswaffe". Im Gespräch mit DW-WORLD fügt er hinzu: "Die Sanktionen haben Genozid-Verhältnisse geschaffen." Der pensionierte Diplomat begründet seine Aussage mit den 1,5 Millionen Menschen, die infolge der Sanktionen gestorben seien. Die Kindersterblichkeit im Irak sei zu Zeiten der Sanktionen die höchste weltweit gewesen.

Hans von Sponeck (Archiv)Bild: AP

Von Sponeck warnt vor der kontraproduktiven Wirkung dieser wirtschaftlichen Strafmaßnahmen, die sich andernorts wiederholen kann. Er habe sich im Irak mit Ärzten, Pfarrern, Ministern, Professoren, pensionierten Beamten, Studenten und Hausfrauen getroffen - "ein echter Querschnitt ihrer Gesellschaft, die der Widerstand gegen etwas verband, das sie als völlig verquere internationale Politik betrachteten."

Urteil der Ökonomen

Diese Erkenntnis bestätigt auch eine Untersuchung des Seminars für Finanzwissenschaft der Universität Fribourg in der Schweiz. Mit Handelsembargos wollten die "Senderländer" die "Zielländer" schädigen und so ihre Regierungen zu Verhaltensänderungen zwingen, fasst es der Leiter des Seminars, Reiner Eichenberger zusammen. "Diese Idee ist bestechend einfach - doch leider auch falsch", erläutert er. Denn obwohl multilaterale Embargos die Zielländer wirtschaftlich schnell ruinieren könnten, zeigten Untersuchungen, dass sie regelmäßig die Regierungen stärkten. Wie lange Diktatoren trotz Embargos die Macht in ihren Händen halten können, zeigen nicht nur die Regierungszeiten von Saddam Hussein oder Fidel Castro auf Kuba.

Auch Yassir Arafat habe die Blockade durch Israel in die Hände gespielt, weil sie ihm ermöglichte, die wenigen rationierten Güter an die verarmte Bevölkerung zu verteilen. Damit habe er die Menschen an sich binden können. - Nordkorea ist seit den 1950er-Jahren an Sanktionen gewöhnt. Damals verhängten die USA ein Wirtschaftsembargo gegen das Land. Das kommunistische Regime hat dies jedoch nicht zu Fall gebracht.

Politischer Mut kann sich lohnen

Unterernährte nordkoreanische Arbeiter lehnen sich gegen ihre Regierung nicht aufBild: AP

Welches Mittel aber bleibt der Außenpolitik, wenn Embargos das Gegenteil des gewünschten Ziels erreichen und die Dauer eines Regimes eher verlängern als verkürzen? Der Friedensforscher Strutynski, der Diplomat von Sponeck und die Finanzwissenschaftler von der Universität Fribourg sind sich einig: einzig der politische Dialog. "Wenn man selber Sicherheit haben will", sagt Strutynski, "muss man zuerst und vor allem die Sicherheitsinteressen anderer beachten." Er fordert deshalb eine Nichtangriffsgarantie für Nordkorea, um der Regierung mögliche Ängste zu nehmen. Von Sponeck geht einen Schritt weiter. Er meint, die US-Regierung müsse selbst mit gewalttätigen Gruppen wie der Fatah und der Hisbollah im Nahen Osten verhandeln, um international für mehr Sicherheit zu sorgen.

Solche Schritte erfordern politischen Mut, der womöglich nur wenigen Staatmännern oder -frauen gegeben ist. Er kann freilich hoch belohnt werden, wie ein Schritt des früheren südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jung zeigte. Er reiste im Jahr 2000 als erster Präsident des Landes zu Gesprächen nach Nordkorea. Es war das bislang einzige Gipfeltreffen zwischen dem Süden und dem Norden seit der Teilung der Halbinsel im Jahr 1953. Für seine Bemühungen erhielt Kim Dae Jung noch im selben Jahr den Friedensnobelpreis.

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