Was bringen CO2-Ausgleich-Optionen bei Flugreisen?
Veröffentlicht 7. Februar 2025Zuletzt aktualisiert 9. Februar 2025![Flugzeuge mit Kondensstreifen am Himmel, Fotomontage](https://static.dw.com/image/71493886_800.webp)
Wer für den Sommerurlaub ins Flugzeug steigt, aber wegen der Folgen für das Klima ein schlechtes Gewissen hat, kann ein paar Euro mehr bezahlen und damit zusätzlich sogenannte "CO2-Zertifikate" erwerben. Dieses "grünere Ticket" bietet die Möglichkeit, entstandene Treibhausgasemissionen auszugleichen. Zumindest versprechen das die Anbieter.
In den letzten Jahren wurden solche CO2-Zertifikate immer beliebter. Der Markt, auf dem solche Emissionsgutschriften gekauft und verkauft werden, hat sich allein von 2020 bis 2021 fast vervierfacht. Derzeit liegt er bei rund zwei Milliarden Euro. Fast die Hälfte dieser Emissionsgutschriften wurden für Aufforstungsinitiativen verwendet.
Der Luftverkehr ist für fast drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich - der Großteil davon wird durch Passagierflüge verursacht. Da einige Wälder bis zu 1000 Tonnen CO2 pro Hektar speichern können, scheint es ein verlockendes Angebot, in Wälder und Bäume zu investieren und so die eigene CO2-Bilanz zu senken.
Nehmen wir zum Beispiel einen Hin- und Rückflug von Frankfurt nach Atlanta, USA, für zwei Personen. Er verursacht in etwa 4,5 Tonnen CO2. Die Menge ist vergleichbar mit den jährlichen Emissionen eines PKWs, schätzt Trees for All. Die in den Niederlanden ansässige Nichtregierungsorganisation setzt sich für das Pflanzen von Bäumen im In- und Ausland ein.
Das Pflanzen von genügend Bäumen, um die Emissionen für diesen Flug auszugleichen, würde geschätzt rund 100 Euro kosten, also etwa 22 Euro pro Tonne CO2. Doch woran erkennt man, ob ein entsprechendes Klimaschutzprojekt seriös ist, und ob dieser Ausgleich auch wirklich stattfindet? Die DW hat mit zwei Experten gesprochen.
Informationen und Kosten spielen eine Rolle
Die Preise für Gutschriften auf dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt, wie für den Flug, können erheblich schwanken. Ein niedriger Preis bedeutet dabei nicht unbedingt ein gutes Geschäft für die Umwelt.
"Will man wirklich was bewirken, also indem man Bäume pflanzt oder die Abholzung eines Waldes verhindert, muss man im Schnitt mit Kosten von etwa 20 bis 30 Dollar pro Tonne rechnen", erklärt Elias Ayrey. Er ist einer der Gründer von Renoster, einem Unternehmen, das bei der Bewertung von Kohlenstoffkompensationen hilft.
Zusätzlich zu den Angaben der Anbieter sollten sich Verbraucher über Zertifizierung und Kontrollen informieren, betont der Klimaökonom und Rechtsanwalt Danny Cullenward. Nicht alle relevanten Informationen seien für die Verbraucher leicht zu finden.
Dabei geht es nicht nur um den Preis. Cullen rät, nachzufragen: "Was ist das für ein Projekt? Welche Methodik wird bei der Erstellung der technischen Daten angewandt?"
Die wichtigsten Fragen sind: Erstens, sollte dieser Wald überhaupt abgeholzt werden? Mit anderen Worten: Führt das Schutzprojekt wirklich zu neuen Kohlenstoffreduzierungen?
Die zweite Frage, die Cullenward und andere Experten stellen würden, lautet: Was ist die Ausgangslage? Wenn dieser Wald abgeholzt würde, wie viel CO2 würde er dann in die Atmosphäre freisetzen? Und wie viel CO2 speichert er, wenn er - dank der CO2 Zertifikate - erhalten bleibt?
Wie funktionieren freiwillige Kohlenstoffmärkte?
Es gibt mehrere Kohlenstoffmärkte, die nebeneinander existieren. Zum einen gibt es Märkte für die Einhaltung gesetzlicher Standards, wie das System für den Emissionshandel der EU.
Zum anderen gibt es den Artikel 6 des Pariser Klima-Abkommens, der es Ländern erlaubt, individuell mit CO2-Zertifikaten zu handeln und so ihre Bilanz zu verbessern.
Der freiwillige Kohlenstoffmarkt, auf dem Unternehmen und Privatpersonen Emissionsgutschriften kaufen können, sei jedoch weitgehend selbstreguliert, sagt Ayrey. dieser Markt besteht aus mehren Teilen.
Da sind einmal die Register, also private Einrichtungen, die keiner Aufsichtsbehörde unterliegen. Sie schreiben normalerweise ihre eigenen Regeln und stellen Zertifikate aus.
Dann gibt es die Projektentwickler, die die Projekte erstellen und die Gutschriften verkaufen. Eine weitere separate Einheit, die aus Prüfern besteht, kontrolliert, ob die Projekte die von den Registern aufgestellten Regeln einhalten.
Die Gutschriften werden dann von Maklern gekauft und verkauft. Einige nehmen die Projekte genau unter die Lupe, aber nicht alle, so Ayrey, der nach seiner Promotion in Forstwissenschaften mehrere Jahre für einen Kohlenstoffmakler gearbeitet hat.
Entscheidend ist aber, dass diese Verfahren kaum kontrolliert werden und es praktisch keine Aufsicht gibt. Der Markt reguliert sich also weitestgehend selbst, der Verbraucher tappt also häufig im Dunkeln.
Das sei ein Problem, so Ayrey, da die wichtigsten Projektentwickler in den USA und der EU sitzen, die meisten waldbasierten Zertifikate aber im globalen Süden vergeben werden.
Wichtige Faktoren bei Waldprojekten
Bemühungen zum Schutz bestehender Wälder und die Wiederaufforstung zerstörter Flächen werden als ein Schlüssel zur Bekämpfung des Klimawandels gesehen.
Insgesamt hält Ayrey die Wiederaufforstung für eine gute Lösung. Doch manchmal sieht die Realität vor Ort anders aus als auf dem Papier.
Als er zum ersten Mal für einen Kohlenstoffmakler arbeitete, bewertete er eine breite Palette von Projekten. Die Ergebnisse waren "beunruhigend". Ayrey nennt das Beispiel eines Naturschutzprojekts am Rande des Amazonas-Regenwaldes.
Das Projekt konnte die Abholzung nicht stoppen, da es zu Angriffen von außen kam, und die Polizei machtlos war. Zum anderen "waren und sind die Gutschriften bis heute noch im Umlauf", so Ayrey. "Nur sehr wenige Kohlenstoffprojekte wurden nach einem Skandal jemals aus dem Verkehr gezogen."
Ein anderes Beispiel: ein 200-Millionen-Dollar-Projekt, das mit dem UN-Programm REDD+ zur Wiederaufforstung und Emissionsreduzierung verbunden war und angeblich Wälder in der Region Mai Ndombe in der Demokratischen Republik Kongo vor der Abholzung schützen sollte.
Bei diesen Wäldern handele es sich jedoch um Sumpfwälder, so Ayrey. Sie waren also weder als Nutzholz noch als Anbaufläche wertvoll, damit hat das Projekt gar nicht zu neuen Kohlenstoffreduktionen geführt.
Außerdem wussten viele Bewohner weder, dass sie auf Projektland lebten, noch dass sie Anspruch auf einen Teil der rund 200 Millionen Dollar hatten, die nach Schätzungen von Ayrey durch das Projekt erwirtschaftet wurden. Ein Bericht der Nichtregierungsorganisation Rainforest Foundation UK aus dem Jahr 2020 ergab, dass jeder Bewohner im Lauf von zehn Jahren Projektzeit umgerechnet nur zwischen 0,10 und 0,76 Dollar bekam. Diese ungerechte Verteilung habe auch zu Gewalt geführt, so Ayrey.
Sind alle CO2-Gutschriften suspekt?
Der Markt für freiwillige Kohlenstoffprojekte ist zuletzt deutlich geschrumpft, auf 723 Millionen Dollar im Jahr 2023. Einige in der Branche führen dies auf Bedenken hinsichtlich der Legitimität von Kompensationsprogrammen zurück.
Sind deshalb all diese Programme problematisch? Experten sind sich in diesem Punkt uneinig. Wenn es um die Kompensation von Flugemissionen geht, findet Cullenward, das Geld sei anderswo besser angelegt. Ihre Effektivität beruhe auf schwer zu beweisenden Hypothesen, sagt er.
"Wollten Sie den Wald abholzen? Vielleicht kann ich Sie dafür bezahlen, das nicht zu tun. Aber letztendlich kann man nicht überprüfen, ob die Person auch das getan hätte, was sie sagt", erklärt er.
Ayrey hat jedoch die Hoffnung noch nicht aufgegeben. "Ich habe Kohlenstoffprojekte gesehen, bei denen über 200.000 arme Familien in Afrika dafür bezahlt werden, Bäume auf ihren Farmen zu pflanzen. Durch eines dieser Projekte ist beispielsweise Uganda aus dem Weltall sichtbar grüner geworden."
Er ist der Meinung, dass die Branche bessere Regulierung braucht. "Wenn man vernünftige Regeln aufstellen würde, könnte es funktionieren. Ich weiß das, weil ich schon oft gesehen habe, wie es funktioniert hat. Nur: in den meisten Fällen funktioniert es eben nicht."
Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.
Redaktion: Tamsin Walker, Jennifer Collins, Anke Rasper