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Theater: Freier Eintritt mit Hakenkreuz

18. April 2018

Am Geburtstag Adolf Hitlers feiert Serdar Somuncus Inszenierung von Taboris "Mein Kampf" Premiere in Konstanz. Wer mit einer Hakenkreuz-Binde erscheint, erhält freien Eintritt. Dagegen regt sich Protest.

Ein Werbeplakat für das Stück 'Mein Kampf', das ab dem 20. April am Theater Konstanz aufgeführt wird (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kästle

"Geschmacklos, bizarr und nicht akzeptabel": Mit Empörung reagieren die Deutsch-Israelische Gesellschaft in der Bodensee-Region und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Konstanz auf eine Idee, die sich das Theater Konstanz zur Premiere von George Taboris (1914-2007) Theatersatire "Mein Kampf" am 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, ausgedacht hat: Besucher, die mit einem Hakenkreuz-Symbol erscheinen, bekommen für die Aufführung eine Freikarte. Wer hingegen eine Karte kauft, kann sich entscheiden, ob er als Zeichen der Solidarität mit den jüdischen Opfern der Shoa einen Davidstern trägt. In einem offenen Brief rufen die beiden Gesellschaften dazu auf, die Veranstaltung zu boykottieren. 

Intendant entschuldigt sich öffentlich

Die Idee löste eine heftige Debatte über die Freiheit der Kunst im Theater aus. Darf ein Theater dazu aufrufen, in Deutschland verbotene NS-Symbole im öffentlichen Raum zu zeigen oder nicht? Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Konstanz bestätigte, sind wegen der geplanten Aktion bereits Anzeigen eingegangen. Diese würden nun geprüft.

Der Theaterintendant Christoph Nix hingegen verteidigt die Idee. Er verweist auf ein eigens in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das die künstlerisch-vermittelnde Funktion der Idee belege. Es sei ein Versuch, den Menschen aufzuzeigen, wie leicht sie zu bestechen seien. Nix sieht darin auch eine Auseinandersetzung mit Rassismus: "Und das Theater ist der einzige Ort, an dem unmittelbar solche Auseinandersetzungen stattfinden." Wegen der zahlreichen Beschwerden entschuldigte sich der Intendant allerdings bei einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag (17.04. 2018) öffentlich: "Es trifft mich, wenn ich erfahre, dass jüdische Freunde und Mitbürger durch unsere Inszenierung verletzt worden sind", so Nix.

Theaterintendant Christoph Nix verteidigte sein umstrittenes Konzept bei einer Pressekonferenz, entschuldigte sich aber auchBild: picture-alliance/dpa/F. Kästle

Regisseur prangert salonfähig gewordenen Antisemitismus an

Der in der Türkei geborene Kabarettist und Regisseur der Inszenierung, Serdar Somuncu, sieht in der offensiven Provokation den möglichen Ausgangspunkt für einen offenen Diskurs über den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland. Ihm gehe es darum, die demokratische Verfassung zu schützen: "Aber nicht dadurch, dass wir uns zum Opfer machen oder uns zurückziehen in Räume und kleine abgezirkelte Bereiche, in denen wir mit Gleichgesinnten Gleichgesinntes austauschen – sondern offensiv raus auf die Straße und zwar direkt ins Gesicht unserer politischen Gegner." Nach Angaben des Theaters hätten sich bereits überraschend viele Interessenten für eine Freikarte gemeldet. Allerdings solle das Stück kein Nazi-Treffpunkt werden. Zu jeder der 14 Vorstellungen würden nur wenige Besucher mit Freikarte zugelassen, heißt es. Wegen der kontrovers geführten Debatte fürchtet das Theater Zwischenfälle. Deshalb habe man zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen für den Premierentag am 20. April getroffen. Außerdem würden die Mitarbeiter darauf achten, dass die Symbole nach der Aufführung wieder eingesammelt werden.

Kabarettist Serdar Somuncu hat George Taboris Stück "Mein Kampf" neu inszeniertBild: picture-alliance/dpa/F. Kästle

Stadt Konstanz distanziert sich: "Grenze überschritten"

Das stimmt die Stadt Konstanz jedoch nicht milde. Gegenüber dem öffentlichen-rechtlichen Südwestrundfunk (SWR) distanzierte sich Andreas Osner, der Erste Bürgermeister der Stadt, von der Inszenierung. "Dass man die Gefühle der Nachkommen eines fast ermordeten Volkes ganz grob verletzt - da ist für mich eine Grenze überschritten", so Osner.

Dass die Premiere außerdem auf Adolf Hitlers Geburtstag fällt, empfinden Kritiker als blanken Hohn. Nach Darstellung von Nix sei der Termin ein früher Wunsch seines verstorbenen Freundes George Tabori, aus dessen Feder das Stück stammt. Statt Freikarte durch Hakenkreuz oder Solidaritätsbekundung durch den Davidstern verweisen die deutsch-israelischen Vereine in dem offenen Brief auf eine dritte Option: "Man kann auch keine Theaterkarte kaufen."

ak/kk (dpa, afpe)

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