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Ende der Kreidezeit

9. Februar 2012

Immer mehr deutsche Klassenzimmer verwandeln sich: Smartboards, Tablets und digitale Schulbücher erobern Schulbänke und Lehrerpulte. Doch wie setzt man die neue Technik sinnvoll ein und wem nützt sie?

Lehrer André Spang und Schüler der Kaiserin Augusta Schule in Köln beim Unterricht mit dem iPad. Bilder entnommen aus dem Pressekit. Link:http://ipadkas.wordpress.com/presse/ ***ACHTUNG: Das Bild darf nur im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu diesem Projekt der Kaiserin Augusta Schule verwendet werden.***
Unterricht mit dem iPadBild: asbach-foto.de

Wenn André Spang unterrichtet, bleibt die Tafel oft leer, die Kreide unbenutzt. Der 45-Jährige lehrt am Kölner Kaiserin-Augusta-Gymnasium Religion und Musik. Dicke Wälzer und staubige Karten fehlen hier allerdings. Spang setzt in seinem Unterricht auf Tablet-PCs. Seit einem Jahr sind an seiner Schule 30 iPads im Einsatz.

Damit liegt die Schule voll im Trend. Nicht nur die Tablets mit ihren berührungsempflindlichen Bildschirmen und den verschiedenen Applikationen drängen auf den Schulmarkt. Intelligente Tafeln, die man mit Spezialstiften oder Händen beschreibt, und auf denen man Filme gucken und sich durchs Internet klicken kann, sind im Vormarsch. Auch digitale Bücher, die bequem auf dem eigenen PC oder Tablet durchgeblättert werden können, suchen sich ihren Weg zu neugierigen Schülern : multimedial und immer schnell aktualisiert.

Unterricht mit dem iPadBild: asbach-foto.de

Die Klasse von André Spang haben sich mittlerweile daran gewöhnt, wenn ihr Lehrer die wuchtigen schwarzen Koffer in den Klassenraum rollt und die iPads austeilen lässt. In seinem Unterricht erarbeiten sie Faltblätter, Plakate, Präsentationen und schreiben ein eigenes "Wiki", ein Online-Nachschlagewerk. "Es ist ein Online-Heft, in das nur Schüler und Lehrer unserer Schule schreiben können. 90 Prozent des Inhalts wurde aber von den Schülern erstellt. Sie bilden darin das ab, was sie machen", erklärt Lehrer Spang. Dass seine Schule gerade iPads für solche Arbeiten benutzt, ist eher praktischen Umständen geschuldet: Der Raum mit den Computern war ständig überbelegt, Laptops wären schlicht zu schwer durch die Schule zu transportieren gewesen. Spang nutzt regelmäßig Apps im Unterricht, lässt Schüler auf den digitalen Klavier-Tasten des Tablet-Screens Musik komponieren oder ihre Präsentationen mit dem Aufnahmeprogramm aufzeichnen.

Ein geschickter Schachzug

Dabei nutzen nicht etwa nur junge Kollegen die neue Technik, meint Spang, sondern alle Altersklassen und Fächer. Selbst im Sport-Unterricht könne man die Tablets zur Recherche und zur Dokumentation einsetzen.

Eine Einstellung, die Hersteller Apple gefallen wird – denn der Technologiekonzern drängt mit Macht auf den Schulmarkt. Jüngst stellte das Unternehmen seinen jüngsten Clou vor: Eine neue Version seines kostenlosen Programmes "iBook". Mit dieser App sollen Schüler und Studenten digitale Lehrbücher auf ihr iPad laden. Bildung sei tief in der "DNA von Apple" verankert, sagte Marketingchef Philip Schiller. Doch was wie eine Bildungsoffensive klingt, ist in Wirklichkeit natürlich ein unternehmerischer Schachzug: Der Konzern züchtet eine Generation von Apple-Fans heran, die – einmal an Apple gewöhnt – kaum auf ein anderes Produkte umsteigen wird.

Auf dem Tablet kann man auch Klavierspielen.Bild: asbach-foto.de

Selbst eigene Schulbücher kann man mit einer Apple-Software erstellen. Eine Option, die auch der Kölner Lehrer André Spang nutzen möchte: "Wir sind gerade dabei, die Wiki-Beiträge aufzubereiten und sie dann als digitales Buch und unterstützendes Lernmaterial in den Unterricht mit einzubinden. Das soll ein interaktives Buch werden – mit Texten, Hyperlinks, interaktiven Bildern, Erklärungen, Filmen und Audios." Es existieren keine Zahlen, wie viele Tablets, Smartboards und digitale Bücher insgesamt bereits in deutschen Klassenzimmern im Einsatz sind. So multimedial versiert wie beispielsweise Korea ist Deutschland jedoch noch lange nicht. Korea will bis 2015 all seine Unterrichtsmaterialien digitalisieren - von der Grundschule bis zur Oberstufe.

Das Ende des Lernens?

Der Verein "Schulen ans Netz" sieht noch große Defizite in der technischen Ausstattung deutscher Klassenräume. "Die Schüler sind immer mehr von digitalen Medien geprägt, die Schule darf da nicht hinten anstehen, sondern muss mitmachen", meint die Geschäftsführerin des Bonner Vereins, Maria Borsch. Sie fordert auch eine bessere Fortbildung von Lehrern. Denn längst nicht jeder könne die neuen Medien pädagogisch sinnvoll im Unterricht einsetzen.

Kritiker fürchten, dass mit dem Einzug der digitalen Medien der Verfall der Schrift kommt. Online-Karteikarten statt handschriftlicher Aufzeichnungen, Blogeinträge statt Diskussionen in der Klasse – das Verlernen des Lernens, das Ende der schulischen Kommunikation?

Die große grüe Tafel ist bald Geschichte.Bild: picture-alliance/dpa

Dabei nutzt Lehrer Spang die neuen Medien gerade, um mehr Kommunikation in der Klasse zu schaffen. Er lässt seine Schüler untereinander ihre Wiki-Beiträge kommentieren, schafft Raum zum aktiven Mitmachen. Demnächst will er seine Schüler sogar twittern lassen. Neben der Kommunikation in der Klasse soll dann eine weitere in digitaler Form wie ein Newsticker an der Wand mitlaufen. Auch das über die Tablet-PCs. Ein Experiment, das die Schüler in ihrer Lebenswirklichkeit abholt und die Lehrer vor neue Herausforderungen stellt. Ersetzen wird es allerdings weder Lehrer wie Herrn Spang, noch das Miteinander der Schüler.

Autorin: Laura Döing
Redaktion: Silke Wünsch

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