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PolitikIrak

Ende der UN-Sondermission - Beginn einer neuen Ära im Irak?

Cathrin Schaer
9. Dezember 2025

Ende des Jahres wird die UN-Sondermission im Irak abgeschlossen und auch die meisten US-Truppen werden abgezogen sein. Manche feiern schon die neue Souveränität, andere sagen, der internationale Druck bestehe weiter.

Männer auf einem Roller fahren an einem Graffiti in Bagdad vorbei, auf dem den UN vorgeworfen wird, sie hätten sich der Intervention der USA im Irak 2003 nicht hinreichend entgegengestellt
Graffiti mit Kritik an den Vereinten Nationen zum Jahrestag des Irak-Kriegs in Bagdad 2023Bild: Ahmad Al-Rubaye/AFP/Getty Images

Nur einige Wochen noch, dann wird die Sondermission der Vereinten Nationen im Irak das Land endgültig verlassen. 22 Jahre war die UN-Unterstützungsmission für den Irak (UNAMI) im Land. Eingerichtet wurde sie kurz nach dem Einmarsch der USA im Jahr 2003.

Der Abzug der UNAMI markiere "den Beginn eines neuen Kapitels, das auf der Selbstbestimmung des Irak über seine Zukunft beruht", sagte UNAMI-Chef Mohamed al-Hassan Anfang dieser Woche, als er dem UN-Sicherheitsrat den letzten Bericht der Organisation vorlegte. 

Die irakische Regierung erklärte, eine Organisation, die den Übergang des Landes zur Demokratie unterstützen und bewerten sollte, sei auf ihrem Territorium nicht mehr notwendig.

2024 hatte die irakische Regierung 2024 die Auflösung von UNAMI beantragt. Sprecher der irakischen Regierung betonten zudem, das Land strebe eine neue, auf Gleichberechtigung basierende Beziehung zur UN an.


Im Sommer hatte die UNAMI ihre Büros im Norden des Landes geschlossen. Bis Ende dieses Monats sollen auch die Büros in Bagdad und anderen Teilen des Irak geschlossen sein. Bis September 2026 sollen alle Einrichtungen vollständig aufgelöst sein, so die UN.

Stufenweiser Abzug der US-Streitkräfte

Auch die US-Truppen werden bis September nächsten Jahres aus dem Irak abgezogen sein. Nach der US-Invasion im Irak waren bis zu 200.000 Soldaten im Land stationiert. Bis 2011 hatten die meisten das Land verlassen. Als 2014 die extremistische Gruppe "Islamischer Staat" (IS) Teile des Irak eroberte, kehrten rund 1500 US-Soldaten zurück, um die Iraker im Kampf gegen die Gruppe zu unterstützen.

In diesem Sommer wurden einige der rund 2500 noch im Irak stationierten US-Soldaten nach Syrien oder auf einen Stützpunkt in der halbautonomen Region Irakisch-Kurdistan verlegt. "Der Irak von heute ist nicht mehr das Land, das er vor 20 Jahren war", schrieb der irakische Premierminister Mohammed Shia al-Sudani letzten Monat in einem Gastbeitrag in der New York Post. "Dieser Übergang markiert den Beginn einer neuen Ära."

Zwei US-Soldaten während der Intervention gegen den "Islamischen Staat" im Irak, 2014Bild: Esteban M. Blis

Iraks Zukunft ohne UNAMI und US-Truppen

Bedeutet ihr Abzug tatsächlich einen neuen, souveränen und von internationaler Einmischung befreiten Irak, den einige Iraker bereits begrüßen? Das sei vielleicht etwas übertrieben, sagte Veronika Ertl, Leiterin des Auslandsbüros Jordanien der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), gegenüber der DW. Der Abzug sei "kein wirkliches Ende, sondern eher eine Neuausrichtung des internationalen Einflusses und insbesondere der Beziehungen zwischen den USA und dem Irak", so Ertl. "Während dies einerseits als wichtiges Signal für die Abkehr von Besatzung und Krieg gilt, haben viele irakische Akteure auch die stabilisierende Wirkung dieser Streitkräfte erkannt."

So vereinbarten der Irak und die USA im Oktober 2025, dass nicht alle amerikanischen Streitkräfte abziehen sollen; voraussichtlich werden 250 bis 350 Armeeangehörige als Berater und Ausbilder auf einem US-Stützpunkt im irakischen Kurdistan verbleiben.

Dies liegt daran, dass die Region instabiler denn je ist, erklärten irakische Politiker, darunter auch al-Sudani. Der Sturz der langjährigen Diktatur im benachbarten Syrien hat die Befürchtung genährt, dass die Terrororganisation "Islamischer Staat", die noch immer bis zu 3000 Kämpfer im Irak und in Syrien hat, die dortige Sicherheitslage nutzen könnte, um sich neu zu gruppieren. Auch der fortdauernde Konflikt zwischen Israel und anderen Ländern des Nahen Ostens, darunter Iran, sowie Israels Vorgehen gegen iranisch unterstützte Milizen bereiten dem Irak Sorgen.

Im Irak gibt es eine Reihe von Milizen, die von Teheran unterstützt werden. Einige von ihnen üben erheblichen politischen und militärischen Einfluss aus. Zwar haben sie sich seit Beginn des jüngsten Gaza-Konflikts größtenteils zurückgehalten. Dennoch fürchten sie nun, ebenfalls ins Visier Israels zu geraten.

Der irakische Premier Mohammed Shia al-Sudani und US-Präsident Donald Trump während des Friedensgipfels in Scharm el Scheich, Oktober 2025Bild: Suzanne Plunkett/PA Wire/picture alliance

Fortlaufende Sicherheitskooperation

"Eine Form der Sicherheitskooperation wird weiterhin ein zentraler Bestandteil der bilateralen Beziehungen zwischen den USA und dem Irak bleiben, selbst wenn es nur darum geht, sich gegen die anhaltende regionale Unsicherheit abzusichern", schrieb James Jeffrey, ehemaliger US-Botschafter im Irak, im September in einer Analyse für das Washington Institute for Near East Policy.

Derweil haben die Verantwortlichen der UNAMI erklärt, ihre Zuständigkeiten an das UN-Team übergeben zu haben, das parallel zu ihnen im Irak stationiert ist. Dieses Team umfasst Vertreter aus nahezu allen Bereichen, darunter Kindeswohlfahrt, Wohnungsbau, Menschenrechte, Migration, Minenräumung, Kulturerbe und Umwelt, sowie Vertreter der Weltgesundheitsorganisation (WHO), des Welternährungsprogramms (WFP) und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

"UNAMI mag seine Mission beenden, aber die UN verlässt den Irak nicht. Und der Irak wird die UN nicht verlassen", erklärte al-Hassan von UNAMI Anfang des Jahres auf einer Podiumsdiskussion.

Der UN-Sicherheitsrat berät zur eskalierenden Lage im Nahen Osten, Oktober 2024. In der Mitte Abbas Kadhom Obaid, Repräsentant des Irak im UN-SicherheitsratBild: Stephanie Keith/Getty Images

Anhaltender Druck der USA

Der Einfluss der USA auf die irakischen Angelegenheiten dürfte sich in absehbarer Zeit nicht verringern. Tatsächlich scheint die Trump-Regierung in den letzten Monaten die irakische Regierung verstärkt beeinflussen zu wollen.

Seit Jahren bemüht sich die irakische Regierung ein sensibles Gleichgewicht zwischen den USA und dem Iran zu wahren. Doch in letzter Zeit hat die US-Regierung den Druck auf den Irak erhöht, den iranischen Einfluss, insbesondere im Hinblick auf die vom Iran unterstützten Milizen, zu verringern.

Im September stuften die USA vier dieser Milizen als Terrororganisationen ein und verhängte Sanktionen gegen ein Unternehmen, das ihren Angaben nach mit Milizen in Verbindung steht. US-Politiker drohten zudem mit Sanktionen oder Behinderungen des staatlichen irakischen Ölkonzerns, dessen Einnahmen für die Wirtschaft des Landes von entscheidender Bedeutung sind, sowie der irakischen Zentralbank.

Wie Ertl von KAS betont, wäre es selbst bei einem entsprechenden Wunsch des Irak schwierig, sich vollständig vom Iran zu lösen. "Selbst wenn es gelänge, die Macht der mit dem Iran verbundenen Milizen einzudämmen, würde Teherans politischer, wirtschaftlicher, religiöser und kultureller Einfluss im Irak nicht einfach verschwinden", bemerkt sie. "Das bedeutet, dass der Druck der USA Grenzen hat. Die Frage ist, ob diese Grenzen in der Vorgehensweise der Trump-Regierung anerkannt werden."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Tödliche Minen im Irak

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