Nach zweieinhalb erfolgreichen Jahren endet die Zeit von Xabi Alonso in der Fußball-Bundesliga. Der Meistercoach geht zurück in seine Heimat Spanien. Für Bayer Leverkusen hat das Konsequenzen - nicht nur auf der Bank.
Für Xabi Alonso war der Trainerposten in Leverkusen der erste als Cheftrainer im ProfifußballBild: Federico Gambarini/picture alliance/dpa
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Offiziell ist es noch nicht, aber es besteht kaum noch ein Zweifel daran, dass Xabi Alonso die Fußball-Bundesliga verlässt und von Bayer 04 Leverkusen zu Real Madrid wechseln wird. Nach dem Aus der "Königlichen" im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Arsenal und der Niederlage im spanischen Pokalfinale gegen den Erzrivalen FC Barcelona, der unter Ex-Bundestrainer Hansi Flick wohl auch die Meisterschaft gewinnen wird, sind die Tage von Carlo Ancelotti als Real-Trainer gezählt. Der Italiener wird Madrid nach der Saison verlassen - und möglicherweise demnächst als Nationaltrainer in Saudi-Arabien arbeiten.
Alonso gilt als der Wunschkandidat des mächtigen Real-Präsidenten Florentino Perez. Zwar hat er in Leverkusen noch einen Vertrag bis 2026, allerdings kann er vorzeitig wechseln, wenn sich einer seiner drei Ex-Klubs FC Liverpool, FC Bayern München oder eben Real Madrid meldet und ihn als Trainer verpflichten möchte. Als mögliche Ablösesumme, die Bayer 04 für Alonso kassiert, werden 15 bis 20 Millionen Euro gehandelt.
Xabi Alonso (r.) war bei Real Madrid und beim FC Bayern Spieler von Carlo Ancelotti (l.) - nun wird er sein NachfolgerBild: Christian Kolbert/picture alliance/kolbert-press
Dass Alonso den Werksklub nach zweieinhalb Jahren verlässt, gilt als beschlossene Sache. Der 43-Jährige selbst hat ein klares Bekenntnis zu seinem aktuellen Arbeitgeber bisher stets vermieden. "Ich weiß nicht, was passieren wird", sagte er vergangene Woche. Vor einem Jahr, als er von Liverpool und dem FC Bayern umworben wurde, hatte er frühzeitig alle Spekulationen beendet und sich für eine weitere Saison in Leverkusen entschieden.
Double-Sieg nach 31 Jahren ohne Titel
Für Bayer 04 Leverkusen, Double-Sieger von 2024, endet damit nach zweieinhalb Jahren eine Erfolgsgeschichte. Alonso kam im Oktober 2022 zum Werksklub, der damals nach schlechtem Saisonstart nur 17. der Bundesliga-Tabelle war. Der Spanier, der zuvor noch kein Amt als Cheftrainer bei einem Profiklub bekleidet hatte, führte die Mannschaft in seinem ersten Jahr noch in die Europa League und schaffte danach etwas, das es zuvor im deutschen Fußball noch nicht gegeben hatte.
Ohne eine einzige Niederlage wurde Bayer Leverkusen 2024 erstmals deutscher Meister und sicherte sich auch den Sieg im DFB-Pokal. In der Europa League scheiterte Bayer 04 erst im Finale an Atalanta Bergamo. Zuvor hatte der Verein 31 Jahre lang keinen Titel gewonnen. Mit dem DFB-Pokal-Sieg von 1993 und dem Erfolg im UEFA-Pokal von 1988 hatte es ohnehin erst zweimal etwas zu bejubeln gegeben.
Meistertrainer: Xabi Alonso brachte Bayer Leverkusen und dessen Fans 2024 den lang ersehnten TitelBild: Michael Probst/AP Photo/picture alliance
Alonso impfte seinen Spielern eine Siegermentalität ein, die Leverkusener Profis in entscheidenden Momenten und Spielen bislang stets gefehlt hatte. Die Fähigkeit, knappe Spiele regelmäßig durch späte Tore noch zu drehen, brachte dem Team den Spitznamen "Laterkusen" ein.
Bittere Niederlagen, verpasste Chancen
Im Jahr nach dem großen Erfolg ließ Alonsos Mannschaft diese Qualität allerdings oft vermissen. Zwar kann Bayer 04 in der Saison 2024/2025 das zweitbeste Ergebnis seiner Vereinsgeschichte erreichen, leistete sich aber insgesamt zu viele schwache Auftritte und vermeidbare Punktverluste durch Unentschieden. Am Ende wird der FC Bayern München wohl souverän Meister, Leverkusen mit Abstand dahinter Zweiter - allerdings mit deutlichem Vorsprung auf Rang drei.
Gegen die Bayern war für Leverkusen auch im Achtelfinale der Champions League Schluss. Besonders bitter für Alonso und sein Team war die unnötige Niederlage im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Drittligist Arminia Bielefeld.
Mit dem Abgang Xabi Alonsos (r.) muss sich auch Florian Wirtz (l.) Gedanken machen, ob er in Leverkusen bleibtBild: Marius Becker/dpa/picture alliance
Nach diesem und anderen schwachen Auftritten musste sich Alonso, der im Meisterjahr als unantastbar galt, immer wieder Kritik an seiner Taktik gefallen lassen. "Die Taktik war vielleicht nicht die beste", gab er nach dem überraschenden Pokal-Aus zu und räumte auch Wochen danach ein: "Ich spüre den Schmerz noch, weil wir eine riesige Chance verpasst haben, nach Berlin zu fahren und wieder ein Finale zu spielen."
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Wie entscheidet sich Florian Wirtz?
Der Abgang Alonsos wird auch in der Mannschaft personelle Konsequenzen haben: Für Bayer-Superstar Florian Wirtz fällt nun ein starkes Argument weg, weiterhin in Leverkusen zu bleiben. Der Offensivspieler wird mit Manchester City in Verbindung gebracht, könnte Alonso aber auch zu Real Madrid folgen. Auch der FC Bayern möchte den 21-Jährigen gerne verpflichten. Als Ablösesumme würden wohl 120 bis 130 Millionen Euro fällig.
Neue Perspektiven eröffnet der Wechsel von Xabi Alonso dagegen für die Spieler, die zuletzt unter dem Spanier mit ihren Einsatzzeiten nicht mehr glücklich waren und einen Vereinswechsel in Betracht gezogen haben. Dazu gehören die beiden Stürmer Patrik Schick und Victor Boniface, außerdem Nationalspieler Robert Andrich und der ehemalige Nationalspieler Jonas Hofmann.
Folgt Xavi auf Xabi oder kommt ten Hag?
Und selbstverständlich muss der Werksverein neben diesen Personalfragen an erster Stelle klären, wer Alonsos Platz auf der Trainerbank einnehmen soll. Hier laufen im Hintergrund bereits die Vorbereitungen für einen fließenden Übergang, und die Spur führt unter anderem ebenfalls nach Spanien.
Zwei potentielle Alonso-Nachfolger aus Spanien: Imanol Alguacil (l.) und Xavi Hernandez (r.)Bild: Joan Monfort/AP/picture alliance
Neben dem Niederländer Erik ten Hag, dem ehemaligen Coach Manchester Uniteds, der vom Fachmagazin "Kicker" bereits als Nachfolger genannt wird, gelten Imanol Alguacil, Xavi Hernandez und Cesc Fabregas als Favoriten. Der 53-Jährige Alguacil ist aktuell Trainer bei Alonsos Heimatverein Real Sociedad San Sebastian, hat aber bereits angekündigt, seinen Posten zum Saisonende aufzugeben. Xavi, der als Spieler an der Seite Alonsos mit Spanien Welt- und Europameister wurde, trainierte zuletzt den FC Barcelona (2021 - 2024) und holte mit den Katalanen einen Meistertitel und zwei Pokalsiege. Fabregas ist seit vergangenen Sommer Cheftrainer bei Aufsteiger Como 1907 in der Serie A.
Ob einer der drei tatsächlich nach Leverkusen kommt, muss sich zeigen. Die Verbindungen nach Spanien sind dank Leverkusens spanischem Geschäftsführer Fernando Carro allerdings sehr gut - und die Werkself hat schon einmal beste Erfahrungen mit einem spanischen Coach gemacht, der zuvor noch keinen Klub in der Bundesliga trainiert hatte.
Bayer Leverkusen - vom ewigen Zweiten zum deutschen Meister
Bayer Leverkusen sichert sich zum ersten Mal die deutsche Meisterschaft. Lange galt die Werkself als Team, das im entscheidenden Moment versagt. Die Klubgeschichte ist voller bitterer Niederlagen und verpasster Titel.
Bild: Anke Waelischmiller/Sven Simon/picture alliance
Bundesliga-Start beim FC Bayern
Der Klub entsteht 1904 als Sportverein für Arbeiter der "Farbenfabrik vormals Friedrich Bayer Co. Leverkusen", aus der später die heutige Bayer AG wird. Das Fußballteam spielt lange in unteren Klassen. 1979 gelingt als Meister der 2. Bundesliga Nord der Aufstieg in die Bundesliga. Das erste Spiel im Oberhaus bestreitet Leverkusen im August 1979 im Münchener Olympiastadion gegen die Bayern (Foto).
Bild: Ludwig Hamberger/dpa/picture alliance
Top-Spieler aus Südkorea
Erster echter Star der Leverkusener Bundesliga-Mannschaft ist der Südkoreaner Cha Bum-kun. Der Stürmer wechselt 1983 von Eintracht Frankfurt zur Werkself und bleibt sechs Jahre lang bei Bayer 04, bis er seine Karriere 1989 in Leverkusen beendet. Cha ist Publikumsliebling und auch beim ersten Titelgewinn für Bayer 04 dabei.
Bild: Fritz Rust/picture alliance
Starkes Comeback gegen Espanyol Barcelona
Die Werkself gewinnt 1988 gegen Espanyol Barcelona den UEFA-Pokal. Das Finale wird damals noch mit Hin- und Rückspiel ausgetragen. In Barcelona geht Bayer mit 0:3 unter, und auch zu Hause sieht es lange nicht gut aus. Doch in der starken zweiten Halbzeit schießt Leverkusen drei Tore und schafft den Ausgleich. Es geht ins Elfmeterschießen, das Bayer mit 3:2 für sich entscheidet. Leverkusen feiert.
Bild: Eissner/Kicker/IMAGO
Favoritensieg im Berliner Olympiastadion
Fünf Jahre nach dem Erfolg im UEFA-Cup folgt der zweite - und für lange Zeit letzte - Titel für die Leverkusener. Im DFB-Pokalfinale 1993 setzen sich Siegtorschütze Ulf Kirsten (r.) und Co. knapp mit 1:0 gegen die Amateurmannschaft von Hertha BSC durch, die es sensationell bis ins Endspiel geschafft hat. Für die Werkself ist der Sieg in Berlin der Beginn einer langen Durststrecke.
Bild: Liedel/Kicker/IMAGO
Die Macher von "Vizekusen"
Dabei ist Leverkusen Ende der 90er Jahre ein echtes Spitzenteam. Manager Reiner Calmund (r.) verpflichtet damals Trainer Christoph Daum (l.), unter dem Bayer 04 dreimal Zweiter der Bundesliga wird (1997, 1999, 2000). Die spottende Konkurrenz erfindet den Namen "Vizekusen", den sich die Leverkusener später sogar als Marke patentieren lassen. Dramatisch bestätigt wird er in Daums letzter Saison.
Bild: Roland Scheidemann/dpa/picture-alliance
Tiefschlag in Unterhaching
Vor dem letzten Bundesliga-Spieltag der Saison 1999/2000 hat Leverkusen drei Punkte Vorsprung auf den FC Bayern und braucht nur noch einen Punkt bei Aufsteiger Unterhaching, um den Titel klarzumachen. "Uns hält keiner mehr auf", tönt Daum vor dem Spiel, doch ein Eigentor von Michael Ballack (l.) leitet eine 0:2-Niederlage ein. Die Bayern gewinnen und werden Meister, Leverkusen wieder nur "Vize".
Bild: Bernd Weissbrod/dpa/picture alliance
Jede Menge Stars, keine Titel
Der Kader der Werkself ist damals gespickt mit Top-Spielern wie Ballack, Lucio und Ze Roberto (v.r.n.l.). Auch andere brasilianische Nationalspieler wie Paulo Sergio oder Emerson starten ihre internationale Laufbahn bei Bayer 04. Sie alle gewinnen in ihren Karrieren etliche Meisterschaften und Pokale - allerdings erst, nachdem sie Leverkusen verlassen haben.
Bild: Ulmer/IMAGO
Dreimal nur Zweiter
Im Sommer 2002 treibt die Werkself ihr "Vizekusen"-Syndrom auf die Spitze: Erst gibt das Team unter Trainer Klaus Toppmöller (3.v.l.) in der Bundesliga die Meisterschaft an den letzten Spieltagen aus der Hand und wird nur Zweiter. Dann verlieren die Leverkusener auch im Pokalfinale gegen Schalke 04. Das größte Spiel der Vereinsgeschichte, die dritte Titelchance, steht aber noch bevor...
Bild: Contrast/IMAGO
1:2 gegen Reals "Galacticos"
Doch auch das Champions-League-Finale 2002 in Glasgow gegen Real Madrid kann Bayer nicht gewinnen. Zinedine Zidane (r.) erzielt per Volleyschuss den Siegtreffer. Leverkusen schlägt sich achtbar, wird aber wieder nur Zweiter. Kurz darauf werden fünf deutsche Nationalspieler aus Leverkusen bei der WM zudem auch noch Vize-Weltmeister. Bundestrainer ist mit Rudi Völler, na klar, ein Leverkusener.
Bild: Sven Simon/picture-alliance
Verdiente Niederlage gegen Werder
Es dauert sieben Jahre, bis die Werkself erneut eine Titelchance bekommt. Im DFB-Pokalfinale 2009 zieht Bayer Leverkusen gegen Werder Bremen allerdings verdient den Kürzeren. Das Ergebnis von 1:0 für die Bremer klingt knapper, als das Spiel sich darstellt. Siegtorschütze ist Mesut Özil. Für Leverkusen steht damals auch der heutige Sportdirektor Simon Rolfes (3.v.l.) auf dem Platz.
Bild: Sven Simon/picture-alliance
Startrekord - aber wieder nur Zweiter
2011 schafft es die Werkself unter Trainer Jupp Heynckes (r.) wieder nur auf Rang zwei. Heynckes und sein Team stellen dabei mit 24 ungeschlagenen Spielen sogar einen Bundesliga-Startrekord auf. Tabellenführer ist Bayer 04 aber nie, und Meister wird am Ende Borussia Dortmund. Heynckes und sein Co-Trainer Peter Hermann (l.) werden vom FC Bayern verpflichtet, mit dem sie 2013 das Triple gewinnen.
Bild: augenklick/firo Sportphoto/picture-alliance
Keine Lust mehr auf "Vizekusen"
Den Namen "Vizekusen" kann bei Bayer mittlerweile niemand mehr hören. "Ich weiß nicht, mit welcher Marketingabteilung das damals ausgedacht wurde", schimpft Rudi Völler im Jahr 2013. "Das habe ich schon immer für Schwachsinn gehalten." Völler ist seit 1994 mit kurzen Unterbrechungen durchgehend im Verein tätig: als Spieler, Sportdirektor und Sport-Geschaftsführer. Einen Titel holt er nie.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Wittek
Keine Chance gegen Bayern
Von A bis Z trostlos verläuft das Pokalfinale 2020 für die Werkself. Wegen der Corona-Pandemie sind im Berliner Olympiastadion keine Zuschauer anwesend. Vor allem aufgrund einer schwachen ersten Halbzeit ist Leverkusen gegen den FC Bayern chancenlos und verliert das Endspiel mit 2:4. Das Warten auf den ersten Titel nach 1993 geht weiter.
Bild: Jürgen Fromme/firo Sportphoto/picture alliance
Neue Mentalität unter Xabi Alonso
In der sportlichen Krise gelingt Sportdirektor Simon Rolfes (l.) und den anderen Bayer-Verantwortlichen im Oktober 2022 ein echter Glücksgriff: Nach der Trennung von Trainer Gerardo Seoane übernimmt Xabi Alonso (r.) die Mannschaft. Er führt sie von Rang 17 auf Platz sechs sowie ins Halbfinale der Europa League. Vor allem aber entwickelt er eine echte Siegermentalität bei den Spielern.
Bild: Thomas Banneyer/dpa/picture alliance
Überlegen zur ersten Meisterschaft
In der aktuellen Saison lassen Alonso und die Werkself nichts anbrennen. Ungeschlagen marschieren sie durch die Liga, gewinnen viele Spiele in letzter Sekunde und werden verdient Meister. Was ist jetzt mit dem alten Spitznamen? "Xabikusen", "Galakusen", vielleicht "Doublekusen"? Nach der Meisterschaft gewinnt Bayer auch den DFB-Pokal. Nur in der Europa League zieht man im Finale den Kürzeren..
Bild: Anke Waelischmiller/Sven Simon/picture alliance