Endgültig keine US-Waffen mehr für die Ukraine?
6. Juli 2025
Zu Beginn der Woche hatten die USA bestätigt, dass eine Reihe von Waffenlieferungen an die Ukraine gestoppt würde, und erinnerte damit einmal mehr daran, dass die Versorgung des osteuropäischen Landes mit militärischem Gerät nicht mehr so gesichert ist, wie es einst schien.Zwingt Munitionsmangel die USA zur Wende bei Ukraine-Hilfe?
Die Entscheidung wurde von den Vereinigten Staaten heruntergespielt. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums betonte, dass es sich um eine einmalige Entscheidung handle. "Das heißt nicht, dass wir aufhören, die Ukraine zu unterstützen oder sie mit Waffen zu beliefern", sagte Tammy Bruce. "Es geht hier nur um ein Ereignis und eine Situation. Wie es in Zukunft weitergeht, werden wir noch besprechen."
Der US-Präsident Donald Trump übt weiterhin auf beide Seiten Druck aus, einen Waffenstillstand auszuhandeln. Am Donnerstag sprach er darüber mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin - mit wenig Erfolg, wie Trump danach zugeben musste. "Ich habe heute absolut keine Fortschritte mit ihm gemacht", sagte er zu Journalisten. "Damit bin ich nicht zufrieden. Ich bin nicht zufrieden… Ich habe nicht den Eindruck, dass er aufhören will." Russland flog nach dem Gespräch einen massiven Drohnenangriff auf die ukrainische Hauptstadt Kyiv.
Seit dem Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump ist das Verhältnis zwischen den beiden Regierungschefs der USA und der Ukraine angespannt, wie Ende Februar bei einem verhängnisvollen Besuch Selenskyjs im Weißen Haus nur zu deutlich wurde. Nach dem im Fernsehen übertragenen öffentlichen Streit versuchte Selenskyj, die Unterstützung durch seine wichtigsten europäischen Verbündeten weiter auszubauen. Europa hat seitdem seine finanzielle Unterstützung ebenso wie die Lieferung von Material aufgestockt.
Halten sich die USA mit ihrer Unterstützung jedoch weiterhin zurück, würde die Position der Ukraine im Konflikt mit Russland deutlich geschwächt. "Wenn das länger anhält, hätte die Ukraine definitiv Schwierigkeiten, klarzukommen", sagt Jana Kobzova vom European Council on Foreign Relations zur DW. "Diese US-Systeme sind teilweise nicht einfach zu ersetzen. Das gilt insbesondere für die Flugabwehr, aber auch für Systeme mit größerer Reichweite, die mittlerweile in der Ukraine vor Ort hergestellt werden, allerdings nicht in den benötigten Mengen."
Geht es wirklich nur um die Ukraine?
Trotz des Streits zwischen Trump und Selenksyj geht es bei den ausgesetzten Waffenlieferungen möglicherweise auch darum, dass die USA ihre eigenen Interessen gegen die Unterstützung dutzender anderer Länder, darunter auch Israel, abwägen müssen.
"Es ist gut möglich, dass Trump seine Ressourcen nach dem Israel-Iran-Konflikt verlagern möchte", sagt Marina Miron, Militärexpertin am Defence Studies Department des King's College London, im Gespräch mit der DW.
Gegenüber der US-amerikanischen Tageszeitung "Politico" erklärte Brent Sadler, wissenschaftlicher Mitarbeiter der konservativen Denkfabrik The Heritage Foundation, es handle sich dabei vermutlich um eine Maßnahme zur Erfüllung der "Sorgfaltspflicht", mit der sichergestellt werden soll, dass die US-Streitkräfte im indopazifischen Raum und in anderen Teilen der Welt im Falle eines Konflikts über ausreichende Ressourcen verfügen.
Ben Hodges, ehemaliger Oberkommandierender der US-Landstreitkräfte für Europa widerspricht. Er glaubt nicht, dass es der US-Regierung um die Sicherung von Lagerbeständen geht. "Diese Regierung hat sich entschieden, Russland auf Kosten der Ukraine zu besänftigen", meint er. "Das zeigt auch, wie wenig die Regierung davon versteht, wie sehr es in Amerikas strategischem Interesse liegt, die Ukraine und Europa bei der Abschreckung Russlands zu unterstützen."
Aus welchen Gründen auch immer die USA die Waffenlieferungen ausgesetzt haben, die Signale, die die Regierung in ihren ersten Monaten ausgesendet hat, deuten darauf hin, dass der transatlantische Verbündete Europas nicht mehr der verlässliche Partner ist, der er einst war.
"Sowohl in Kyiw als auch im europäischen Teil der NATO ist man nach nüchterner Analyse zu dem Schluss gekommen, dass man sich nicht darauf verlassen kann, dass die USA die Ukraine immer weiter militärisch unterstützen werden", sagt Kobzova. "Das ist so, seitdem die Unterstützung im März zum ersten Mal gestoppt wurde."
Ohne die USA gehen der Ukraine Zeit und Ressourcen aus
US-Beamten zufolge, die anonym mit Nachrichtenagenturen sprachen, zählten zu den Waffen, die auf der Lieferliste standen, Patriot-Flugabwehrraketen und präzisionsgelenkte Artilleriegeschosse.
Die Aussetzung der Lieferung erfolgt zu einem kritischen Zeitpunkt, denn Russland steigert sowohl seine Waffenproduktion als auch die Zahl seiner Angriffe. Unter anderem wurden Rekrutierungszentren in Poltowa, der ukrainischen Hauptstadt Kyjiv und der Hafenstadt Odessa angegriffen. In Schlüsselregionen der Ostukraine konnte Russland zudem weiter vordringen.
Obwohl die europäischen NATO-Mitgliedsstaaten ihre Verteidigungsausgaben angehoben haben – nach dem Gipfel im Juni sollen diese auf fünf Prozent des BIPs steigen – wird eine langfristige Zurückhaltung der USA bei Waffenlieferungen die Ukraine und ihre Nachbarn in Bedrängnis bringen.
"Auf politischer Ebene ist erkannt worden, dass Europa seine Produktion steigern muss. Doch für die Ukraine geschieht nichts davon schnell genug", betont Kobzova. Sie verweist außerdem auf die Investitionen in die Verteidigungsindustrie der Ukraine, die als Puffer gegen weitere Einstellungen von US-Lieferungen dienen sollen. Mittlerweile ist Europa der größte Investor in die ukrainische Verteidigungsindustrie.
Doch auch das ist möglicherweise nicht genug. Die DW hat mit Experten gesprochen, die auf das Angebot von Selenskyj hinweisen, Rüstungsgüter direkt von den USA zu beziehen. Doch die Herstellung von Waffen braucht Zeit. Die Produktion von Flugabwehrsystemen könne mehrere Jahre in Anspruch nehmen, erklärt Miron. "Auch wenn Sie jetzt eins kaufen, dauert es, bis es auf dem Schlachtfeld ankommt. Sie geben Ihre Bestellung auf und stellen sich in der Schlange hinten an."
Könnte die Ausrüstung für verschiedene Raketen effektiver repariert und angepasst werden, wäre dies eine Möglichkeit, den unmittelbaren Bedarf zu decken. Doch da die Versorgung mit militärischen Gütern erneut ungewiss ist, zweifelt Miron, ob die Ukraine ausreichend ausgestattet ist, um die russische Offensive zurückzudrängen.
"Das Problem sind Zeit und Geld", meint Miron und weist darauf hin, dass auch Personal gebraucht wird. Etwa 90 Menschen würden benötigt, um ein Patriot-Flugabwehrsystem zu betreiben. Während der Krieg ins vierte Jahr geht, verliert die Ukraine weiter Soldaten, ohne zu wissen, wie sie diese ersetzen soll.
Europa springt ein, wo es kann
Währenddessen wächst die europäische Unterstützung für die Ukraine, sowohl rhetorisch als auch materiell. Mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft für die nächsten sechs Monate ergriff Dänemark die Gelegenheit, den Antrag der Ukraine auf Mitgliedschaft in der EU wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Am Donnerstag betonte die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, dass die EU die Ukraine stärken und Russland schwächen müsse.
"Die Ukraine ist zentral für die Sicherheit Europas. Mit unserem Beitrag für die Ukraine schützen wir gleichzeitig unsere Freiheit. Die Ukraine gehört in die Europäische Union. Das ist sowohl im Interesse Dänemarks als auch Europas", sagte Frederiksen.
Kurz zuvor hatte der deutsche Außenminister Johann Wadephul die Ukraine besucht und dort die Notlage des Landes zur wichtigsten außenpolitischen Aufgabe Berlins erklärt. Für die Ukraine könnten solche Äußerungen wichtiger als je zuvor sein, denn was die Zukunft der Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine betrifft, ist Miron pessimistisch.
"Man kann es natürlich mit Diplomatie versuchen und Trump erklären, dass die Ukraine wichtig ist, aber ich glaube, Trump hat sich schon entschieden", sagt sie. "Trump hat mit Russland viel mehr globale Probleme zu lösen als mit der Ukraine."
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.