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"24 Milliarden sind eine Menge Geld"

27. Juni 2017

Sylvia Kotting-Uhl, Atompolitikexpertin der Grünen, zeigt sich im DW-Interview erleichtert, dass die Energiekonzerne 24 Milliarden in einen Fonds für Atommüll einzahlen. Aber wird das Geld auch alle Kosten decken?

Radioaktiver Abfall im Salzbergwerk Asse
Fehlerhafte Entsorgung von Atommüll in der Vergangenheit. Wird jetzt alles besser?Bild: dapd

Deutsche Welle: Frau Kotting-Uhl, die Bundesregierung und die Energieversorger haben einen historischen Vertrag unterzeichnet: Die Verantwortung für die End- und Zwischenlagerung des Atommülls übernimmt nun der deutsche Staat. Die Energiekonzerne zahlen dafür ab 1. Juli rund 24 Milliarden Euro in einen neu errichteten Fonds zur Finanzierung des Atommülls.Sind Sie damit zufrieden?

Sylvia Kotting-Uhl: Allen Berechnungen nach sind diese 24 Milliarden durchaus viel Geld, und man kann damit eine Endlagerung und eine Endlagersuche in der gebotenen Sorgfalt durchführen. Insofern bin ich froh, dass diese 24 Milliarden für die Zwischen- und der Endlagerung zur Verfügung stehen.

Reicht das Geld?

Das weiß man heute nicht. Dieses Risiko tragen die Steuerzahler. Aber es ist schon eine Menge Geld.

Umweltverbände kritisieren das Abkommen. Sie sagen, dass sich die Bundesregierung über den Tisch hat ziehen lassen. Denn die Energiekonzerne haben einige Klagen gegen die Bundesregierung nicht zurückgenommen. Zum einen klagten sie erfolgreich gegen die Steuer auf die Brennelemente. Hier muss  die Regierung nun rund sechs Milliarden Euro an die Energiekonzerne zurückzahlen. Und dann klagt noch der schwedische Konzern Vattenfall gegen den Atomausstieg vor einem internationalen Schiedsgericht, und auch hier geht es um Milliarden. Wurden hier Fehler beim Abkommen gemacht?

Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen Fraktion im BundestagBild: Stefan Kaminski

Ja. Ich teile die Kritik der Umweltverbände. Wir Grüne haben von Anfang an gefordert, dass alle Klagen vom Tisch müssen, weil der Staat sich sonst lächerlich macht bei dem Deal. Auf der einen Seite haben die Konzerne einen Vorteil, da sie nicht mehr in der Haftung sind. Anderseits hat der Staat das Geld für die Entsorgung gesichert. Sich während dieses Deals gleichzeitig auch noch vor Gericht zerren zu lassen, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Für mich ist dies ein Armutszeugnis, dass die Bundesregierung hier nicht wirklich einen Schlussstrich verlangte. 

Bei der Steuer für Brennelemente fordern wir, dass diese wieder eingeführt wird und verfassungsgemäß ist. Das Geld war damals gedacht, um die maroden alten Atomlager zu sanieren und die Energiekonzerne an den Kosten zu beteiligen.   

Sind Sie trotz aller Kritik noch mit dem Abkommen zufrieden?

Es ging darum zu retten, was noch zu retten ist. Es bestand die Gefahr, dass am Ende die Steuerzahler für die gesamte Entsorgung aufkommen müssen, weil die Energiekonzerne entweder Insolvenz anmelden oder die lukrativen Teile ihrer Unternehmen so abspalten, dass diese nicht für den Atommüll zahlen müssen. Die Konzerne waren dabei, sich aus der finanziellen Verantwortung zu ziehen.

Deswegen war es notwendig, dass man diesen Bestrebungen einen Riegel vorschiebt und dieses Geld für die Entsorgung des Atommülls rettet. Es ist einerseits schmerzhaft, dass man die Konzerne aus der Nachhaftung entlässt. Auf der anderen Seite bin ich aber auch ganz froh, dass die Konzerne endgültig keinen Einfluss mehr auf den Betrieb der Zwischen- und Endlagerung haben. Das ist eine gute Botschaft, weil die Konzerne immer die Preise drücken wollten.

Zwischenlager in GorlebenBild: GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH

Deutschland steigt aus der Atomkraft aus und hat jetzt einen staatlichen Fonds für die Endlagerkosten. Auch in anderen Staaten sind Atomkraftwerke inzwischen sehr alt und die Kosten für die Endlagerung rücken näher. Welchen Rat geben Sie anderen Ländern?

Die frühzeitige Sicherung der Rückstellungen. Die Betreiber von Atomkraftwerken müssen dafür überall Geld zurücklegen. Dies ist leichter, wenn die Konzerne noch das Geld haben. Das Ende der Atomkraft kann schwer für die Energiekonzerne sein. Sie können rote Zahlen schreiben und in die Insolvenz gehen, wenn sie nicht auf eine andere Energieerzeugung umschwenken. Ich empfehle, frühzeitig die Gelder zu sichern.

Sylvia Kotting-Uhl ist atompolitische Sprecherin der Grünen Fraktion im Bundestag und Expertin für atomare Folgen im In- und Ausland.

Das Interview führte Gero Rueter.

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