In Braunschweig, Frankfurt und Potsdam wurde kriegszerstörtes architektonisches Erbe wieder aufgebaut. Berlin nun nachgelegt - das Stadtschloss steht wieder. Am Wochenende kamen Tausende, um die Baustelle zu besichtigen.
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Fortuna war immer bei uns, sagt Wilhelm von Boddien. Und dann lächelt er und freut sich. Das Berliner Stadtschloss steht. Gerade sind die Bauarbeiter dabei, die Gerüste im Schlüterhof abzubauen und den ungehinderten Blick auf dessen prächtig rekonstruierte Barockfassade freizugeben.
Ein gutes Jahr noch, und dann soll die Eröffnung 2019 gefeiert werden. Dann hat Berlin endgültig ein neues Wahrzeichen. Und gegenüber der Museumsinsel gibt es dann genug Raum für die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. "Humboldt-Forum" wird dieses Quartier heißen - ein Ort des internationalen Austausches und der Begegnungen der Kulturen soll er werden.
2015: Richtfest für den Neubau des Berliner Stadtschlosses Bild: picture-alliance/dpa/P. Zinken
Ein lang gehegter Lebenstraum
Als Gymnasiast hat der in Norddeutschland aufgewachsene Wilhelm von Boddien das geteilte Berlin besucht. Danach begann er, sich intensiv mit preußischer Geschichte zu beschäftigen - und vom Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses zu träumen.
Im Krieg war das Gebäude schwer beschädigt und 1950 auf Weisung von Walter Ulbricht gesprengt worden. Wenige Jahre später wurde dann auf einem Teil des Areals der legendäre Palast der Republik gebaut.
Nach dem Fall der Mauer, als vieles plötzlich nicht mehr galt und Berlin neu gedacht wurde, ließ von Boddien, nun ein erfolgreicher Geschäftsmann, vor dem Palast der Republik grellgelb gemalte Barockkulissen aufstellen und entfachte damit eine der zähesten Debatten im soeben wieder vereinten Deutschland.
Lange war die Baustelle von einer Plastikplane verhülltBild: picture-alliance/dpa/M. Skolimowska
Als "Schlossgespenst" wurde er von den Medien verhöhnt, sein erklärter Plan, mindestens 85 Millionen Euro Spendengelder zur Unterstützung des Wiederaufbaus des Schlosses einzutreiben, milde belächelt. Aber Fortuna war immer bei ihm.
Und irgendwann waren Kommissionen, Jurys und der Bundestag sich einig: Der Abriss des Asbest-verseuchten Palastes der Republik und der Wiederaufbau des Stadtschlosses wurden beschlossen.
Das Schloss steht wieder
Seit der Grundsteinlegung sind fünf Jahre vergangen. In dieser Zeit ist - Stichwort Raub- und Beutekunst - viel über das künftige Humboldt Forum und den Umgang mit all den Artefakten aus Afrika, Asien und Südamerika debattiert worden. Aber das Schloss stellt keiner mehr in Frage.
Bild: DW/photocrom
Die kritischen Berliner haben es zu ihrer Sache gemacht. Flossen die Spendengelder aus der Hauptstadt anfänglich nur spärlich, so machen sie heute mehr als 50 Prozent aus. 85 Millionen Euro hat Wilhelm von Boddiens Förderverein bereits eingetrieben. Nur für die Kuppel, die das Schloss nun auch noch bekommen soll, fehlen noch 20 Millionen. Ende 2019 will Wilhelm von Boddien auch dieses Geld zusammen haben.
Was bislang gebaut wurde, können sich Interessierte am 25. und 26. August 2018 genauer ansehen, an zwei Tagen ist das Stadtschloss eine offene Baustelle. Zu besichtigen ist auf der einen Seite der nicht rekonstruierbare, weil ursprünglich arg verwinkelte Ostflügel, an dessen Stelle der italienische Architekt Frank Stella einen extrem nüchternen Betonriegel hat bauen lassen.
Und dann die anderen Flügel: Innen zumeist modern gestaltet, weitläufig, mit Rolltreppen und Klimaanlagen, aber an den Fassaden und vor allem im großen Innenhof, der nach seinem ursprünglichen Bauherrn Schlüter benannt ist, feinster Barock.
Feinste Baukunst: Roboter haben die Stuckteile gefrästBild: picture alliance/dpa/F. Stoffers
Aufwendige Arkaden und tiefe Laubengänge, Säulen, Friese, Girlanden, Löwenköpfe und Adler, ein gewitztes Mit- und Durcheinander, rekonstruiert nach alten Fotos, nach Farb- und Gesteinsresten. Alles von Robotern und erfahrenen Handwerksmeistern in die endgültige Form gebracht. Am Samstagnachmittag geben die Berliner Philharmoniker hier ein Konzert - gratis - die Eintrittsgelder sollen komplett dem Bau zugute kommen.
Auf der Zielgeraden
Noch ist auf der Großbaustelle im Zentrum von Berlin viel zu tun. Aber es geht gut voran, man liegt im Zeit- und Kostenplan von insgesamt 600 Millionen Euro. Das ist ein kleines Wunder, Wilhelm von Boddien ist mittlerweile 76 Jahre alt. Pünktlich zu Alexander von Humboldts 250. Geburtstag am 14. September 2019 will er Eröffnung feiern.
Die Geschichte des Berliner Stadtschlosses
Wo einst die preußischen Könige residierten, entsteht ein neues Kulturzentrum im Herzen Berlins: das Humboldt Forum. Wegen technischer Probleme wird es wohl erst 2020 eröffnen - zu spät für das Humboldt-Jahr.
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Berliner Stadtschloss um 1900
Der Grundstein wurde bereits 1443 gelegt, seine endgültige Gestalt erhielt die Residenz ab 1701. Baumeister Andreas Schlüter gestaltete die Schlossfassaden nach italienischem Vorbild. Das Berliner Stadtschloss galt als größtes Barockbauwerk nördlich der Alpen, es hatte 1210 Räume.
Bild: ullstein bild
Schäden nach dem Krieg
Während des Zweiten Weltkriegs brannte das Schloss bei einem schweren Luftangriff aus. Das Feuer hatte nahezu alle Prunkräume im Nord- und Südflügel vernichtet. Andere Gebäudeteile blieben erhalten, so auch die Außenmauern mitsamt dem plastischen Schmuck, die tragenden Wände und auch Haupttreppenhäuser.
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Erst vernächlässigt, dann gesprengt
In den Nachkriegsjahren fanden in den intakten Gebäudeteilen, etwa im Weißen Saal, noch Ausstellungen statt. Aber 1950 beschloss die DDR-Führung das Schloss zu sprengen, trotz zahlreicher Proteste. Es sei "kein deutsches Kulturerbe". Stattdessen wurde der Marx-Engels-Platz angelegt, ein Ort für Massenkundgebungen.
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Sozialistisches Zwischenspiel
In den 1970-er Jahren ließ SED-Chef Erich Honecker den Palast der Republik errichten. In dem Mehrzweckbau tagte die Volkskammer, traten Rockmusiker wie Udo Lindenberg auf, hier gab es zahlreiche Restaurants und Bars. Nach dem Fall der Mauer wurde das Gebäude 1990 wegen Asbestbelastung geschlossen und später abgerissen.
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Täuschend echt
Gleich nach der Wende begann die leidenschaftliche Diskussion um den Wiederaufbau des Stadtschlosses. 1993 organisierte ein Kreis der Befürworter eine medienwirksame Aktion: für 100 Tage wurde mit einer Folien-Fassade das Schloss in Originalgröße simuliert. 2002 votierte der Deutsche Bundestag für den Neubau des Schlosses.
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Wiederaufbau in Originalgröße
2008 gewann der Italiener Franco Stella den Architekturwettbewerb. Sein Entwurf verknüpft das barocke Äußere mit einem neuen Innenleben. Unter dem Namen Humboldt Forum soll im wiederaufgebauten Schloss ein internationales Kunst- und Kulturzentrum entstehen.
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Die Baustelle im Blick
Die Humboldt-Box ist zu einem temporären Wahrzeichen Berlins geworden: Seit 2011 informiert sie über Geschichte und Zukunft der Berliner Schlosses. Schon in den ersten 50 Tagen wurden 100.000 Besucher gezählt. Von der Panoramaterrasse eröffnet sich ein weitläufiger Blick auf die Schlossbaustelle.
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Jetzt gehts los!
Am 12. Juni 2013 legt Bundespräsident Joachim Gauck den Grundstein. Auf diesem eingraviert sind zwei Zahlen: 1443 und 2013. Sie markieren das Datum für die Grundsteinlegung des historischen Schlosses und das Datum des Wiederaufbaus. Richtfest wurde im Juni 2015 gefeiert.
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Alter Schmuck für neue Mauern
Während die Grundmauern errichtet werden, entstehen in der Schlossbauhütte die barocken Fassadenteile. Bildhauer fertigen etwa 3000 Einzelzeile originalgetreu, nach historischen Vorlagen an. Die Schloss-Fassade wird etwa 80 Millionen Euro kosten, finanziert nur durch Spenden. Insgesamt soll das neue Schloss rund 590 Millionen Euro kosten, den Großteil zahlt der Bund.
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Ausblick
Auch über den geplanten Eröffnungstermin hinaus wird gebaut. 2019 sollte das Humboldt Forum eröffnet werden - nun wird es 2020. Dann können die Berliner Museen ihre Schätze außereuropäischer Kulturen zeigen, die Humboldt-Universität wird zu internationalen Konferenzen einladen und der Schlosshof als Kulisse für Musik- und Theateraufführungen dienen.