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Endstation für Flüchtlinge in Jordanien

Doris Bulau18. September 2012

Unter großen Gefahren flüchten viele Syrer in die jordanische Wüste. In der überfüllten Zeltstadt Saatari sind sie vorerst in Sicherheit. Aber wie es für die fast 30.000 Flüchtlinge weitergeht, ist ungewiss.

Flüchtlinge stehen am Zaun im Lager Saatari (Foto: Doris Bulau)
Bild: Doris Bulau

Der Fluss Yarmuk an der syrisch-jordanischen Grenze ist bekannt für seine Naturbelassenheit - die Landschaft raubt einem den Atem: Das azurblaue Wasser schlängelt sich durch ein tiefes Tal, vorbei an steilen Hängen. Doch die Idylle ist trügerisch. Tausende Flüchtlinge aus Syrien schlagen sich hier die steilen Serpentinen hinauf, oft im Laufschritt bis zur Erschöpfung. Auch Bilad und Mohammed (Namen von der Redaktion geändert) haben den mühsamen und gefährlichen Weg auf sich genommen.

"Die Freie Syrische Armee hat uns bei der Flucht geholfen", erzählen sie. "Wir sind durch das Tal zu Fuß gelaufen, dann hat uns die jordanische Armee in Empfang genommen." Alle, die es wie Bilad und Mohammed nach Jordanien schaffen, müssen erst einmal am Militärposten in D'neibe warten. Zusammengerottet in Gruppen sitzen sie oft stundenlang unter dem Schatten eines Olivenhains.

Erster Empfang durch die Soldaten am MilitärpostenBild: Doris Bulau

Immer wieder fährt der Geländewagen der jordanischen Soldaten vor, immer wieder steigen Frauen und Kinder ab, immer wieder folgen ihnen alte und junge Männer zu Fuß. Alle tragen sie Plastiktüten oder abgewetzte Stoffbeutel bei sich, gefüllt mit dem Nötigsten. D'neibe war lange ein verschlafener Grenzübergang - ein kleiner Flachbau, vor dem die Soldaten selbst oft saßen und warteten. Jetzt haben die Soldaten alle Hände voll zu tun mit dem Flüchtlingsstrom, kontrollieren die Papiere der Syrer. Über ihre Grenze flohen in den vergangenen Wochen die meisten Flüchtlinge, andere Grenzabschnitte hatte die syrische Armee rechtzeitig hermetisch abgeriegelt.

Endstation Saatari

Am Abend geht die Reise für die Flüchtlinge weiter: Die Soldaten bringen sie ins etwa 40 Kilometer entfernte Camp Saatari. In dem Wüsten-Zeltlager, das die Weltflüchtlingsorganisation UNHCR Ende Juli in Nordjordanien errichtet hat, endete vorerst auch Bilads und Mohammeds Flucht. Dort leben sie nun mit rund 30.000 syrischen Flüchtlingen zusammen. Die Luft ist staubig. Der Wind wirbelt stetig Sand auf und lässt die Zeltplanen knattern. Teilnahmslos, wie in Trance sitzen die meisten Menschen vor ihren Zelten. Viele sind traumatisiert von dem, was sie in Syrien zuletzt erlebt haben, von ihrer Reise, von der Ungewissheit über die eigene Zukunft.

Syrische Flüchtlinge in Not

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Auch Bilad und Mohammed wissen nicht, wie es nun weitergeht. Eigentlich sind sie Studenten. Damaskus ist ihr Wohnort. Nun sind sie froh, hier im Lager zu sein. Aber es frustriert sie, dass sie nicht weiterstudieren können. Was wird nun aus ihnen? Der 19-jährige Bilad zuckt mit den Schultern. Eine Antwort hat er darauf nicht. Zusammen mit dem 20-jährigen Mohammed haben sie die Freie Syrische Armee unterstützt, ihr bei kleineren Sabotage-Aktionen geholfen. Doch dann habe es keine Waffen mehr gegeben, erzählen sie. "Wir sahen keine Chance mehr für uns, deshalb wollten wir weg."

Nun sitzen sie im Zelt und diskutieren mit ihren Freunden die Lage in Syrien. Gelegentlich helfen sie auch beim Aufbau der Zelte, verankern sie im Sandboden und zurren die Sicherungsseile fest. Etwas genervt sind sie, wie fast alle im Lager, vom dauernden Krach der vielen LKW, die Baumaterial herankarren.

Matratzen für die Flüchtlinge - im Herbst wird es kalt in der WüsteBild: Doris Bulau

Doch gleichzeitig schätzen Bilad und Mohammed auch, was um sie herum aufgebaut wird: kleine Gemeinschaftsküchen, Duschanlagen und Toiletten. Wege werden mit Kies aufgeschüttet, um die Auswirkungen der vielen Sandstürme einzudämmen.

Deutscher Einsatz in Saatari

Unter den vielen Helfern befinden sich auch einige Deutsche. Peter Kussmaul, Koordinator des deutschen Technischen Hilfswerks (THW) in Saatari, ist bereits mehr als 20 Jahre im Auslandsdienst und bewundert die Arbeit seiner 40 jordanischen Hilfskräfte im Lager: "Was ich hier prima finde, sind die gut ausgebildeten Leute mit sehr hoher Einsatzbereitschaft", sagt er. Keiner meckert, keiner ist genervt, auch wenn sich die Arbeitszeiten manchmal auf 14 Stunden ausdehnen.

Die Aufgaben des THW sind vielfältig und dienen der Infrastruktur im Lager: Wasseraufbereitung, Stromversorgung, Winterzelte errichten. Wenn es jetzt auf die kalte Jahreszeit zugeht, müssen die Bad- und Duschanlagen, Wasserstellen und Küchen überdacht werden. Und zwar zügig, denn in spätestens zwei Monaten können die Nächte in der Wüste sehr kalt werden. Große Probleme bereitete dem Deutschen bislang auch die Kriminalität im Lager: Es werde geklaut und vandaliert. "Aber", räumt der Koordinator ein, "das kriegen wir allmählich in den Griff."

Weiteres Problem: Bisher sind die versprochenen Schulen im Lager noch nicht eröffnet. Große Militärzelte stehen bereit, aber es fehlen Lehrer. Woher sie kommen sollen, weiß keiner. In der Nordregion Jordaniens sind die Lehrer bereits überlastet durch Doppelschichten für Flüchtlingskinder, die in Dörfern und Städten mit ihren Familien Unterkunft gefunden haben.

Wie sieht ihre Zukunft aus? - Jugendliche in SaatariBild: Doris Bulau

Kurz vor dem Lagerkoller

Um die Gesundheit im Lager kümmern sich unter anderen die Hilfsorganisation CARE und das Weltflüchtlingswerk UNHCR. "Was ganz wichtig ist", erklärt Thomas Schwarz von CARE, "dass wir uns um Kinder und Jugendliche kümmern." Sie hätten wie Bilad und Mohammed zum Teil extrem traumatische Erlebnisse hinter sich und diese nun von Syrien mit nach Jordanien gebracht. Die Gewaltbereitschaft unter den Jugendlichen sei groß, bestimmt durch den Frust über das öde Lagerleben, die eigene Perspektivlosigkeit, fehlende Freunde oder Familie.

Zudem sind sie im Lager praktisch eingeschlossen: Verwandte müssen sich umständlich eine Besuchsgenehmigung besorgen, raus aus dem Lager kommt keiner. Die jordanische Polizei hat das Zeltlager streng gesichert. Dabei wollen die meisten einfach nur zurück nach Syrien, in die Heimat. Auch Bilad und Mohammed hoffen auf eine friedliche Lösung, auf ein neues Leben in Damaskus und eine doch noch sichere Zukunft.

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