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Druckmittel Energie? Der Fall Russland

25. September 2009

Ob Öl oder Gas - ohne Lieferungen aus dem Ausland würde die europäische Energieversorgung zusammenbrechen. Vor allem Russland wird deswegen oft vorgeworfen, Energie als politisches Druckmittel zu mißbrauchen.

Bild: AP

Der 1. Januar 2009: Russland dreht der Ukraine den Gashahn zu, der russische Gasprom-Konzern stoppt seine Lieferungen an das Nachbarland. In Moskau tritt Gasprom-Chef Alexej Miller vor die Presse, erklärt die Verhandlungen mit der Ukraine über die Gaslieferungen für 2009 für gescheitert. Miller wirft der Ukraine vor, sie wollen einen Gas-Konflikt mit Russland inszenieren. Schon seit Monaten hatten Gasprom und die Ukraine über ausstehende Zahlungen gestritten.

Weil die Ukraine das wichtigste Transitland für russische Gasexporte nach Europa ist, kommt es zu Lieferengpässen in Deutschland, Ungarn, Polen und vielen anderen europäischen Staaten. Besonders schlimm betroffen ist Bulgarien: Zehntausende frieren bei Temperaturen von bis zu 17 Grad Minus in ungeheizten Wohnungen.

Energiegroßmacht Russland?

Rund ein Viertel ihres Gases bezieht die Europäische Union aus Russland. Einige Staaten, beispielsweise Bulgarien, sind völlig abhängig von russischen Lieferungen. Und so entfacht der Gas-Streit die Diskussion über die Verlässlichkeit des Energielieferanten Russland.

Kompressorstation an einer Gaspipeline in Richtung WestenBild: AP

Einige Beobachter glauben, dass Russland mit dem Lieferstopp Druck auf die in Richtung Westen strebende ukrainische Führung ausüben wollte. Marcel Viëtor, Russland-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sieht das anders. "Ich glaube, dass in den meisten Fällen, in denen Russland unterstellt wird, Energie als politisches Druckmittel zu benutzen, ökonomische Motive für die Politik der Staaten und der Unternehmen verantwortlich sind." Ökonomische Interessen seien zum Beispiel die Erzielung von Preiserhöhungen, die Eintreibung von Schulden oder der Erwerb von Pipelinenetzen. "Das ist letztendlich auch in der Ukraine und Belarus der Fall gewesen", sagt Viëtor.

Gegenseitige Abhängigkeit

Flüssiggasförderung in RusslandBild: AP

Auch die Gefahr, dass sich die Europäische Union erpressbar macht, wenn sie sich zu sehr auf russische Energielieferungen verlässt, hält der Experte für gering. Schließlich sei die Abhängigkeit zwischen der EU und Russland wechselseitig: "Wenn Russland tatsächlich Energie als politisches Druckmittel einsetzen würde, dann würde das sehr schnell auf Russland zurückschlagen, und zwar sehr negativ zurückschlagen, da die EU der wichtigste Absatzmarkt für Russland ist." Russland könne es sich auf absehbare Zeit nicht erlauben, es sich mit seinen Kunden zu verscherzen, betont Viëtor.

Trotzdem suchen westliche Energiekonzerne und die Europäische Union spätestens seit dem letzten Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine nach Alternativen. So soll zum Beispiel die geplante Nabucco-Pipeline ab 2014 Gas vom Kaspischen Meer nach Europa transportieren. Und zwar - zumindest bisher - ohne russische Beteiligung.

Autor: Nils Naumann
Redaktion: Hartmut Lüning