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Energiebericht birgt Zündstoff

Jens Thurau27. November 2001

Klimaschutz ade? Der Energiereport des Wirtschaftsministers sorgt für Zwist im Regierungslager.

Bild: AP

Neuer Zündstoff für die rot-grüne Regierung. Am Dienstag stellte der parteilose, von der SPD aufgestellte Wirtschaftsminister Werner Müller in Berlin seinen Energiebericht vor. Und darin äußert er erhebliche Zweifel, ob die langfristigen Klimaschutzziele der Regierung - eines der Kernprojekte der Grünen - erreichbar sind. Bis 2005 will Deutschland rund 25 Prozent des klimaschädlichen Kohlendioxids einsparen, das hält auch Müller für realistisch. Aber bis 2020 auf einen Wert von minus 40 Prozent zu kommen, das gefährde die Versorgungssicherheit.

Kollision zwischen Klimaschutz und Wirtschaft

Außerdem sieht Müller beim Klimaschutz Probleme für die Wirtschaft: "Ich mache mir Sorgen um die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft in der sehr langen Sicht und durchaus auch um den Industriestandort Deutschland, falls wir 2020 als einziges Land überaus ehrgeizige Kohlendioxid-Einsparziele verbindlich festlegen." Das 40-Prozent Ziel hatte noch vor dem Regierungswechsel eine Bundestags-Enquete-Kommission empfohlen, Rot-Grün hatte die Vorgabe dann übernommen.

Müller legte nun Schätzungen vor, wonach sich die Kosten der Klimaschutzpolitik auf rund 500 Milliarden Mark hochrechnen. Wenn durch den Ausstieg aus der Kernenergie weniger Strom produziert werde, könne das kaum durch Einsparungen und erneuerbare Energien wettgemacht werden; Braun -und Steinkohleproduktion müssten also forciert werden - was die Klimabilanz verschlechtere. Derzeit hat Deutschland gegenüber dem Referenzjahr 1990 bereits eine Reduktion von rund 18 Prozent geschafft. Die energiepolitischen Ziele Wirtschaftlichkeit und Versorgungsgarantie dürften aber nicht zugunsten des Umweltschutzes vernachlässigt werden, betonte Müller.

Grüne halten an Klimaschutz fest

Das rief sofort die Kritik von Naturschutzverbänden, der SPD und den Grünen hervor. Grünen-Parteichef Fritz Kuhn hält am Regierungsziel fest: "Wir sehen überhaupt keinen Grund, von den Energie -und Klimaschutzzielen der Bundesregierung abzurücken. Wir haben uns verpflichtet, bis 2005 national 25 Prozent an Kohlendioxid zu reduzieren. Und wir halten auch das Ziel, 2020 40 Prozent zu schaffen, für erreichbar."

Von 20.000 neuen Jobs durch die Energiewende geht ein Gutachten aus, dass Bundesumweltminister Jürgen Trittin in Auftrag gegeben hat. Müller räumte ein, dass er und sein Ministerkollege bei diesem Thema über Kreuz liegen. Unterstützung für die grüne Sicht kam ausgerechnet aus der SPD. Fraktionsvize und Umweltexperte Michael Müller nannte das Minister-Papier recht drastisch einen Chaos-Bericht und mutmaßte, der Minister wolle sich offenbar beim Energieriesen E-ON bewerben. Gewohnt trocken fiel Werner Müllers Kommentar dazu aus: "Jeder Mensch ist frei, seine Gedanken zu äußern. Wenn ein Mitglied des Fraktionsvorstandes der SPD das einen Chaos-Bericht nennt, will ich ihn in seiner Meinung durchaus belassen. Es disqualifiziert die Person mehr als den Bericht. Sie dürfen sicher sein, dass ein Bericht, an dem die Energieabteilung meines Hauses anderthalb Jahre sorgfältig gearbeitet hat, kein Chaos-Bericht ist."

Deutschland als Vorreiter beim Klimaschutz

Einig sind sich die Streithähne aber wenigstens in einem Punkt: Andere Staaten müssten dem guten deutschen Beispiel beim Klimaschutz endlich folgen. Der Streit zwischen den Koalitionären ist natürlich der Opposition willkommen: Es sei verheerend für das Land, von einer solchen Chaos-Truppe regiert zu werden, nahm der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Peter Ramsauer, die Wortwahl des Regierungsstreits dankbar auf.