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Nachhaltiges Bauen

3. Juni 2011

Mit einem neuen Standard will das UN Umweltprogramm den Energieverbrauch von Gebäuden messbar machen. Er soll Eigentümern helfen, die Effizienz ihrer Gebäude zu bestimmen. Später soll er zum CO2 Zertifikatehandel dienen.

Ein Arbeiter verlegt eine Bodendämmung in einer großen Halle (Foto: Bayer MaterialScience)
Sind Gebäude weltweit vergleichbar?Bild: Bayer Material Science

"Common Carbon Metric" nennt sich der Standard, den das UN Umweltprogramm UNEP verbindlich und weltweit zur Bestimmung der Energieeffizienz von Gebäuden einführen will. Dieser berechnet sich bei Bürogebäuden in Kilowattstunden pro Quadradmeter. "Das bedeutet: Wieviel Strom, Gas oder Öl ein Raum mit einer bestimmten Grundfläche über eine bestimmte Zeit verbraucht. Daraus errechnen wir einen Koeffizienten zur Bestimmung von lokalen Treibhausgas-Emissionen," erklärt Maria Atkinson, Chefin der Initiative für Nachhaltiges Bauen und Klima (SBCI) Ende Mai 2011 bei einer UN-Konferenz in Leverkusen.

Atkinson fordert -Investieren oder Verschmutzungsrechte kaufenBild: Bayer MaterialScience

Der so ermittelte Wert soll Architekten, Planern, Bauingenieuren und Bauherren helfen, zu erkennen, wie nachhaltig - beziehungsweise wie sparsam - ihre Gebäude sind. Sinn der Carbon-Metric sei zudem, den Eigentümern von Gebäuden etwas an die Hand zu geben, mit dem sie den "CO2-Fußabdruck" ihrer Gebäude dokumentieren können, betont Atkinson. Damit könnten sie feststellen, ob er über- oder unterdurchschnittlich ist.

Kilowattstunden pro Quadratmeter Nutzfläche

"Wir hoffen, dass später die Energieeffizienz von Gebäuden auch im Handel mit CO2- Verschmutzungsrechten eingesetzt werden kann. Wenn mein Gebäude schlechter ist als der Durchschnitt, muss ich CO2-Zertifikate kaufen. Wenn ich aber keine Zertifikate kaufen will, muss ich investieren, um die Energieeffizienz zu steigern," so beschreibt Atkinson ihre Vision.

Verschiedene Dämmstoffarten - Rechts ist ein zukunftsweisender Dämmstoff auf Grundlage der NanotechnologieBild: Bayer Material Science

Die meisten Gebäude und Häuser seien heutzutage überhaupt nicht nachhaltig, kritisiert Arab Hoballah vom UN Umweltprogramm UNEP. Sie machen sogar weltweit den Großteil der CO2-Emissionen aus, "irgendwo zwischen 30 und 40 Prozent der Gesamtemissionen. Das ist ein riesiger Anteil," sagt Hoballah.

Dennoch wurden Immobilien, anders als Industrie und Verkehr, bisher nicht in den Handel mit CO2- Verschmutzungsrechten einbezogen. Das liege einerseits an der Unübersichtlichkeit der weltweiten Bauvorschriften, andererseits an der sehr unterschiedlichen Kultur des Bauens. Auch habe die Öffentlichkeit die Kosten für nachhaltiges Bauen lange überschätzt, bedauert Hoballah.

Hoballah hält gute Architektur weltweit für machbarBild: Bayer MaterialScience

Höhere Anfangsinvestitionen nicht scheuen

Lange habe man geglaubt, dass sich die Investitionen in ein energieeffizientes Gebäude erst über einen sehr langen Zeitraum auszahlen. Dies stimme aber nicht. "Wir beweisen jetzt mit Ingenieuren, Architeken und Bauherren, dass die zusätzlichen Investitionen nur marginal sind und man sie sehr schnell wieder zurückbekommen kann," so der UNEP-Vertreter.

Wie drastisch das Verhältnis ist, machen sich viele Bauherren gar nicht klar, erklärt Thomas Braig von Bayer. Er ist Spezialist für umweltschonendes und energieeffizientes Bauen. So machten die Anfangsinvestitionen, also die Planung und der Bau von Gebäuden gerade mal zwanzig Prozent der Kosten aus, die ein Gebäude im Laufe seiner Existenz verursacht. "Weit über 75 Prozent der Kosten entstehen durch den Betrieb des Gebäudes. Deshalb zahlen sich höhere Anfangsinvestitionen später oft um ein Vielfaches aus," meint der Energieexperte.

Braig warnt vor hohen BetriebskostenBild: Bayer Material Science

Dies gelte nicht nur in den Industriestaaten, sondern auch in Entwicklungs- oder Schwellenländern, versichert Arab Hoballah vom UN Umweltprogramm. Man könne zwar nicht die Baumethodik aus Deutschland nehmen und in Burkina Faso einsetzen, "aber man kann nach Burkina Faso gehen und Lösungen finden, die es den Menschen dort zum Beispiel ermöglichen, an den Stromkosten für ihre Klimaanlage zu sparen."

Vor allem sei nachhaltiges Bauen keine Frage des Geldbeutels. Es sei möglich, Sozialwohnungen zu bauen, die einerseits niedrige Kosten verursachen, aber auch qualitativ hochwertig sind und wenig Energie verbrauchen. Dazu könnten Techniken wie die Nutzung von Solarenergie, intelligente Abschattungen oder kontrollierte Be- und Entlüftung dienen.

Herstellung vor Ort erhöht die AkzeptanzBild: Bayer Material Science

Planungen angepasst an die Lebenswirklichkeit

Um weltweit Bewusstsein für die bestehenden Möglichkeiten zu schaffen, müssten Bauherren und Architekten die Lösungen aber auch anfassen und praktisch erleben können sagt Thomas Braig von Bayer. Pilotprojekte die zur Nachahmung anregen seien extrem wichtig. "Je realistischer sie sind, desto mehr werden sie akzeptiert werden."

Deshalb müssten sie für die jeweiligen Länder, Regionen und wirtschaftlichen Verhältnisse passen. Es kommt heute nicht darauf an, die Wände so dick, wie möglich zu machen und die Fenster so gut wie möglich zu isolieren. Vielmehr gehe es um "die intelligente Kombination von richtigen Lösungen in einem vernünftigen Ausmaß."

Und das fange mit ganz trivialen Dingen an. So müssten in Zentral- und Nordeuropa die Fenster so positioniert werden, dass sie im Winter Sonnenwärme hereinlassen. "In südlicheren Regionen sollten die Fenster nach Norden ausgerichtet sein," so Braig.

Besonders wichtig sei auch, die Produktion und Verarbeitung der modernen Baustoffe selbst in die regionale Wirtschaftslandschaft einzubetten. Deshalb habe Bayer eines seiner energieeffizienten Modellgebäude in Indien bewusst dort gebaut, wo die Firma selbst eine Fertigungsanlage für Dämmstoffe betreibt.

Autor: Fabian Schmidt
Redaktion: Judith Hartl