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Energiesicherheit

30. April 2004

Nach dem EU-Beitritt muss Estland den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung deutlich erhöhen. Das ist nicht ganz einfach. Doch junge Esten suchen nach neuen Stromquellen: von Windkraft bis Sägemehl.

Pionier der Windenergie: Raimo Pirksaar, 26Bild: DW

Ingenieur Raimo Pirksaar auf dem Weg zum bisher einzigen Windpark Estlands, an die Westküste. Auch wenn nur drei Turbinen hier stehen, es ist ein Anfang. Denn nach Vorgabe der EU sollen die Esten bis 2005 ihren Anteil an erneuerbaren Energien auf 5,1 Prozent ausbauen. Bisher schaffen sie erst knapp ein Prozent.

Die Windenergie, erzählt Raimo Pirksaar, soll einmal mit gut einem Drittel dazu beitragen. Entlang der Ostseeküste sind mehrere große Windparks geplant. Denn an Estlands Küsten bläst fast immer eine ordentliche Brise.

Der 26jährige Ingenieur beschäftigt sich damit, wie Windgeneratoren das Stromnetz beeinflussen - für den staatlichen Energieversorger Eesti Energia und für seinen Master-Abschluss an der technischen Universität Tallinn. Denn wenn neue Windparks entstehen, muss das estnische Stromnetz dafür vorbereitet werden. Er untersucht zum Beispiel, wie sich der Strom von verschiedenen Turbinen auf das Netz auswirkt. Denn nicht jede Anlage bringt gleichgute Stromqualität.

Ältere Modelle können Probleme bereiten. Und mit Hilfe von Berechnungen und Messungen will Raimo auch feststellen, wie viele Turbinen das jetzige Stromnetz überhaupt verkraften kann. Denn an einigen Stellen ist das estnische Netz zu schwach.

Ein weiteres Problem: Wind liefert nicht immer Strom. Und solche Lücken können die alten estnischen Kraftwerke, die mit Ölschiefer arbeiten, kaum ausgleichen.

"Der Wind bläst mal stark und mal schwach, die Turbinen liefern also nicht immer Strom. Die Ölschiefer-Kraftwerke können nicht so schnell reagieren. Es dauert Stunden, sie hochzufahren oder zu stoppen", sagt Raimo Pirksaar. "Das ist das Problem."

Ölschiefer ist die Hauptenergiequelle Estlands, macht das Land unabhängig von Importen. Er deckt fast den kompletten Strombedarf und liefert den größten Teil der Wärme – aber auch CO² und andere Schadstoffe. Nach EU-Vorgaben müssen die Esten bis 2015 ihre Kraftwerke modernisieren, die Emissionen deutlich reduzieren.

Im Norden direkt an der russischen Grenze, bei der Stadt Narwa. Besuch eines großen Kraftwerks. Wir begleiten diesmal Valdur Lahtvee, Umweltmanager der Eesti Energia und Mitbegründer der Grünen-Bewegung in Estland. Er erzählt, dass jährlich 10 Millionen Tonnen Ölschiefer in Estland verbrannt werden. Und dass sich weniger als ein Drittel der ölhaltigen Erde zur Energiegewinnung nutzen lassen. Der Rest landet als Asche, vermischt mit Wasser, auf Halde.

Das belastet die Umwelt. Noch arbeiten die Esten daran, dieses Problem zu lösen. Unter anderem mit Hilfe neuester Kraftwerkstechnologien. Die Moder-nisierung der Kraftwerke ist voll im Gange, auch in Narwa.

Valdur Lahtvee erzählt, dass sie es schon geschafft haben, die Schwefeldioxidemissionen um 95 Prozent zu reduzieren. Darauf ist er stolz. "Die neue Technologie erhöht die Effizienz des Kraftwerks hier, von bisher 28 auf 36 Prozent. Und reduziert die Kohlendioxidemissionen deutlich. Eesti Energia will außerdem einige kleinere Kraftwerke von Ölschiefer auf Biomasse umstellen, erneuerbare Energien etablieren."

Biomasse aus Holzabfällen, etwa Sägemehl, gibt es reichlich im waldreichen Estland. Doch nur ein Teil davon wird bisher genutzt. Einige Dörfer allerdings haben kleine moderne Heizhäuser errichtet. Sie verbrennen dort Holzreste aus der Umgebung und stellen so Wärme für den ganzen Ort bereit. Avinurme heißt das Dorf, das wir besuchen, in der Mitte Estlands gelegen, umgeben von Birken und Kiefernwäldern. Raimo Pirksaar kennt es gut und ihm gefällt das Konzept. Er hofft, dass erneuerbare Energien wie Wind, Sonne und Biomasse in Estland künftig eine große Rolle spielen.