Energiesparen: Ohne Licht kein Geschäft
1. November 2022Die Winterzeit ist zurück und mit ihr die früh einbrechende Dunkelheit. Schon am Nachmittag ist die Sonne verschwunden und die Lichter gehen an. Das kostet Strom und der ist teuer. Geheizt werden muss bei zunehmender Kälte ebenfalls. Doch wie viel Licht und Wärme darf angesichts der hohen Energiepreise noch sein?
Eine im Sommer noch theoretische Frage muss nun in die Praxis umgesetzt werden. Laut Energieeinsparverordnung dürfen Büroräume in öffentlichen Gebäuden auf maximal 19 Grad geheizt werden, wo niemand sitzt, bleibt die Heizung aus. Kaltes Wasser zum Händewaschen, Beleuchtung nur noch dort, wo sie unbedingt gebraucht wird. Denkmäler und Sehenswürdigkeiten werden nicht mehr angestrahlt, Werbeschilder nur noch stundenweise.
Warme Decken im Büro
Auch Unternehmen stellen Sparpläne auf. Firmen lassen ihre Mitarbeiter räumlich zusammenrücken oder schicken sie ins Home-Office, damit große Flächen gar nicht mehr beheizt und beleuchtet werden müssen. Vielerorts will die Wirtschaft analog zur Einsparverordnung für öffentliche Gebäude nur noch bis 19 Grad heizen. Für Büromitarbeiter werden warme Decken in Aussicht gestellt.
Schwierig wird es dort, wo Licht und Wärme zum Geschäft gehören. Das gilt nicht nur für so offensichtliche Bereiche wie Saunen, Schwimmbäder und Wellness-Anlagen. Hier werden sich die Betreiber genau ausrechnen müssen, ob sich ihr Geschäftsmodell noch rechnet.
Kunden lieben es warm und hell
Neu kalkulieren muss auch der Einzelhandel. Um die Waren sprichwörtlich ins rechte Licht zu rücken, wird viel Energie gebraucht. Einkaufszentren sind bis in den letzten Winkel hell ausgeleuchtet. In den Schaufenstern brennen reihenweise Scheinwerfer und locken damit in der dunkeln Jahreszeit die Käufer in die Geschäfte. Drinnen sorgen angenehme Temperaturen und ausgefeilte Lichtkonzepte dafür, die Stimmung zu erzeugen, die Kunden in Kauflaune versetzt.
Doch der Wohlfühlfaktor kostet. Lohnt es sich also finanziell, das Geschäft energieintensiv bis in die späten Abendstunden offen zu halten? Wo die Rechnung nicht mehr aufgeht, reduzieren Händler ihre Öffnungszeiten bereits. Vor allem in kleineren Städten oder in Lagen, wo ohnehin nicht so viele Kunden unterwegs sind.
Kälte ist der größte Kostenfaktor im Lebensmittel-Handel
Der Lebensmittel-Einzelhändler Aldi-Nord lässt in vielen seiner rund 2200 Filialen eine Stunde früher das Licht ausgehen. "Wir wollen in diesen Zeiten unseren Beitrag leisten und Energie einsparen", heißt es auf den Schildern, die im Eingangsbereich der Discounter auf verkürzte Öffnungszeiten hinweisen. Nur Geschäfte, die in Einkaufszentren sind oder in denen die Kundenfrequenz zwischen 21 und 22 Uhr besonders hoch ist, sollen verschont bleiben.
Die Konkurrenz bezweifelt allerdings, dass Aldi auf diese Weise nennenswert Energie einsparen kann. "Die damit erzielbare Energieeinsparung wäre marginal", schreibt Raimund Esser von der Rewe-Unternehmenskommunikation auf Anfrage. Fast die Hälfte des Energiebedarfes entfalle im Lebensmittelhandel auf Kühlung, also Kältetechnik, die unabhängig von den Öffnungszeiten verbraucht werde.
Mit Kühltruhen kann man auch heizen
Energieeffizienz sei schon lange ein Thema, schreiben auch andere Handelsriesen wie Edeka und die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören. Wo möglich, werden Photovoltaik-Anlagen gebaut, um Strombedarf zu decken. Rewe und Edeka schreiben, dass sie ihre Kühlregale in der Regel verglast haben. Kaufland rüstet derzeit entsprechend um. Alle geben an, Kühlung und Wärme technisch weiter koppeln zu wollen.
"Kühltruhen und -schränke erzeugen mehr Wärme als Kälte", schreibt Dominik Knobloch von der Kaufland-Unternehmenskommunikation. "Diese Abwärme nutzen wir, indem sie einer Industriefußbodenheizung zugeführt wird, die unter der gesamten Verkaufsfläche verlegt ist." Zusätzlich werde die gespeicherte Wärme für die Lüftungsanlage, die Türluftschleier bei den Eingängen und die Heizkörper in den Büro- und Sozialräumen genutzt. "Hierdurch decken wir fast vier Fünftel des gesamten Wärmebedarfs einer Kaufland-Filiale ab", erklärt Knobloch.
Umrüstung auf LED-Lampen
Bei der Beleuchtung wird im Lebensmitteleinzelhandel vermehrt auf LED-Lampen gesetzt, die noch weniger Strom verbrauchen als Energiesparlampen. Bei Lidl sind bereits alle Filialen umgerüstet. Bei Neubauten könne die Beleuchtung so optimiert werden, dass "zukünftig nochmals 30 Prozent mehr Energie im Bereich Beleuchtung" eingespart werden könnte, heißt es in einer Stellungnahme.
Die Öffnungszeiten verkürzen wie Aldi-Nord, das will derzeit keine der großen Handelsketten. "Wir sehen derzeit keinen Anlass, unseren Kund:innen einen reduzierten Service anzubieten", schreibt Hanna Koll vom Edeka-Presseteam in Hamburg, fügt aber hinzu: "Selbstverständlich beobachten wir den Wettbewerb weiter aufmerksam und überprüfen kontinuierlich unser Vorgehen."
Weihnachtsmärkte sollen nun doch stattfinden
Eine nicht unerhebliche Rolle dürfte für die Geschäftsleute die von der Regierung in Aussicht gestellte Strom- und Gaspreisbremse spielen. Wenn Energie zwar teuer ist, die Kosten aber über die Einnahmen erwirtschaftet werden können, bleibt mehr möglich als gedacht. Das zeigt sich beim Blick auf die Winter- und Weihnachtsmärkte. Im Sommer wurden sie vielfach noch in Frage gestellt oder gleich ganz abgesagt. Die meisten Absagen wurden inzwischen aber revidiert.
Auch mit Blick auf die Schausteller. Wegen der Corona-Pandemie haben viele Märkte zwei Jahren lang entweder gar nicht oder nur unter massiven Beschränkungen stattgefunden. In München wurde der traditionelle Christkindelmarkt 2021 nur wenige Tage vor der Eröffnung abgesagt. Die Branche steht finanziell mit dem Rücken zur Wand und braucht dringend Einnahmen.
Mit gedeckelten Energiepreisen lohnt es sich
In Berlin ist seit dem letzten Oktoberwochenende die "Winterwelt" am Potsdamer Platz aufgebaut. Auf den ersten Blick ist alles wie gehabt, nur die Eisbahn für die Schlittschuhläufer fehlt. An hell ausgeleuchteten Holzbuden werden Glühwein, Bratwürste, Zuckerwatte und gebrannte Mandeln verkauft. Kinder rodeln auf einer zwölf Meter hohen und 70 Meter langen Schanze, die allerdings aus Kunststoff besteht.
Die klassischen Weihnachtsmärkte öffnen in der Regel ab Ende November. Dann ist es noch früher dunkel und viel kälter. Für die Betreiber heißt das, genau abzuwägen, wie viel Einschränkungen die Kunden mitmachen werden. Heizpilze, die in der Regel mit Gas betrieben werden, haben mehrere Städte bereits verboten. Vielerorts ist zu hören, dass die Beleuchtung auf den Weihnachtsmärkten optimiert wird. Festbeleuchtung soll später ein- und früher wieder ausgeschaltet werden, große Leuchtelemente ganz wegfallen.
Wie viel Preissteigerung machen die Kunden mit?
In jedem Fall dürfte der wärmende Glühwein teurer werden. Die Geschäftsleute an den Weihnachtsmarktständen werden ihre höheren Kosten genauso an die Kunden weiterreichen wollen, wie es der Lebensmitteleinhandel bereits macht.
Auch Aldi-Nord wird weiter kalkulieren und im Frühjahr entscheiden, ob es sich lohnt, die Öffnungszeiten wieder zu verlängern. Dabei dürfte vor allem auch der Personalmangel eine Rolle spielen. "Wir freuen wir uns, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in den vergangenen Jahren Außerordentliches geleistet haben, durch die Reduzierung der Öffnungszeiten ein wenig mehr Freizeit geben zu können", heißt es von Aldi.