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Neues Design für deutsche Energiewende

Gero Rueter10. März 2015

Die Katastrophe von Fukushima gab der Energiewende in Deutschland einen Schub. Wind- und Solarkraft sind jetzt "die günstigsten Energieträger". Das sagt Wirtschafts-Staatssekretär Rainer Baake im DW-Interview.

Rainer Baake
Bild: Imago/IPON

DW: Herr Baake, die Atomkatastrophe von Fukushima vor vier Jahren gab der Energiewende in Deutschland einen kräftigen Schub. Wie bewerten Sie die Fortschritte?

Baake: Wir haben seit 2011 einen politischen Konsens. Die Parteien im Deutschen Bundestag wollen alle den Umbau unserer fossilen und nuklearen Energieerzeugung in Richtung Erneuerbare Energien. Dies ist ein längerfristiger Prozess, der über mehrere Jahrzehnte angelegt ist, der uns allerdings Planungssicherheit verschafft.

2011 wurden sofort acht Kernkraftwerke abgeschaltet. Dabei haben wir nach wie vor die höchste Niveau der Versorgungssicherheit in Europa, exportieren mehr Strom als zuvor ins Ausland und bebachten sehr niedrige Großhandelspreise am Strommarkt. Auch aus diesem Grund wird das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld in diesem Jahr schon sechs Monate früher freiwillig vom Netz genommen.

Vor drei Jahren sagten Sie im DW-Interview, dass die Energiewende optimiert werden muss. Jetzt sind Sie federführender Gestalter. Was sind die Herausforderungen?

Mit einer Zehn-Punkte-Energieagenda systematisieren wir die Reformvorhaben. Seit dem Jahr 2000 wurden mit dem Gesetz zur Förderung der Erneuerbaren Energien (EEG) die verschiedenen Technologien gefördert. Diese Förderung geht jetzt zu Ende.

Jetzt wissen wir, dass die Energieerzeugung mit Windkraft und Photovoltaik (PV) in Deutschland funktioniert und dass dies auch die kostengünstigsten Energieträger sind. Strom aus neuen Windkraftanlagen und neuen, großen Photovoltaikanlagen kann in Deutschland zu denselben Kosten produziert werden wie aus neuen Steinkohle- oder Gaskraftwerken. Die Frage, ob die Energiewende gelingt, hängt nun nicht mehr an der Verfügbarkeit von Technologien und auch nicht an den Kosten.

Jetzt ist die Herausforderung ein System der Stromversorgung aufzubauen, das mit wachsenden Anteilen von Windkraft und Solarstrom umgehen kann und weiterhin Versorgungssicherheit gewährt zu wettbewerbsfähigen Strompreisen für unsere Industrie.

Erneuerbarer Energien legen kontinuierlich zu. Bis 2025 soll der Anteil bei 40 bis 45 Prozent liegen.

Wie soll der Energieumbau aussehen?

Konsens ist, dass bis 2025 die Erneuerbaren Energien 40 bis 45 Prozent des Stroms liefern. Da inzwischen selbst erzeugter Strom günstiger als der aus dem Netz ist, haben wir das Abgabensystem neu justiert. Sonst würden feststehende Kosten anderen zugeschoben.

Die nächste große Herausforderung ist jetzt ein neues Design des Strommarktes. Das Stromsystem muss flexibler gestaltet werden, weil eben Wind und Photovoltaik wetterabhängig Strom einspeisen und das restliche System darauf flexibel reagieren muss.

Wir haben dazu Vorschläge gemacht, diese wurden in den letzten drei Monaten öffentlich diskutiert und jetzt werden wir einen Vorschlag entwickeln wie das zukünftige Design des Strommarktes aussehen soll. Und diesen Prozess stimmen wir sehr eng mit unseren europäischen Nachbarn ab. Dies ist in Europa wichtig, weil dies Auswirkungen auch auf die anderen Länder hat. An dieser Abstimmung arbeiten wir im Moment sehr intensiv.

Deutschland will die Emissionen in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich senken.

Bis 2022 sollen noch neun Atomkraftwerke vom Netz gehen. Aus Gründen des Klimaschutzes muss aber auch die Verstromung von Kohle stark reduziert werden. Wie sieht der Weg aus?

Das Ziel der Bundesregierung ist die Reduzierung der Treibhausgase um 40 Prozent bis 2020. Deutschland will hier mit gutem Beispiel vorangehen. Und in der Tat müssen wir hier noch zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um dieses Ziel auch zu realisieren. Und das bedeutet, dass wir in einem beschränkten Umfang Einschränkungen machen müssen bei den fossilen Kraftwerken. Gegenwärtig arbeiten wir an einen Plan zur Umsetzung.

Der zweite große Defizitbereich ist die Energieeffizienz. Wir haben deshalb am 3. Dezember einen nationalen Aktionsplan Energieeffizienz verabschiedet mit einer Vielzahl von Maßnahmen in allen Sektoren. Einige werden gegenwärtig in der Umsetzung streitig diskutiert, wie zum Beispiel die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung. Wir arbeiten derzeit an alternaitven maßnahmen, denn das Effizienzziel gilt.

Verlierer der Energiewende sind die Energiekonzerne. Atomkraftwerke gehen vom Netz, die Kohleverstromung muss kräftig sinken und die erneuerbaren Kraftwerke liegen vor allem in Bürgerhand. Das gefällt den Konzernen nicht, sie verdienen weniger Geld. Aus diesem Grund wollen sie den Prozess bremsen. Wie gehen Sie damit um?

Ich habe nicht den Eindruck, dass jetzt im Moment hier großartig gebremst wird. Ich erkenne eine große Unsicherheit am Markt, das ist richtig. Alte Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr, die Unternehmen stellen sich neu auf. Insbesondere beim Konzern Eon ist dieser Prozess zu beobachten. In den Zukunftstechnologien Erneuerbare gibt es Marktchancen, und mit dem Wandel am Strommarkt muss man umgehen wenn man weiterhin am Markt bestehen will.

Solarstrom wurde schnell sehr günstig und ist heute vielerorts die günstigste Energie. Ein globaler Boom beginnt.

Deutschland war Pionier bei der Photovoltaik. Jetzt stockt der Boom in Deutschland und viele Unternehmen gingen pleite. Dafür boomt Solarenergie in Asien und den USA. Was wollen Sie tun, damit Deutschland die aufgebaute Kompetenz nicht verliert?

Wir peilen jedes Jahr einen Ausbau von Solarkraftwerken mit einer Gesamtkapazität von 2,5 Gigawatt an. Das ist ein kontinuierlicher, auch ehrgeiziger Ausbaupfad. Die Zeiten, in denen wir drei Jahre hintereinander 7,5 Gigawatt hatten, die sind vorbei. Ich glaube, dass die PV-Industrie mit diesem Ausbaupfad wird leben können.

Die PV ist inzwischen weltweit zu einem wichtigen Akteur geworden. In sonnenreichen Gegenden kann sie bereits Strom für unter fünf Cent pro Kilowattstunde produzieren und damit selbst in den arabischen Ländern deutlich unterhalb von fossilen Brennstoffen. Der PV sage ich eine sehr gute Zukunft voraus, aber sie muss sich natürlich jeweils an die nationalen Marktbedingungen anpassen.

Diese junge Zukunftsindustrie steht im internationalen Wettbewerb. Halten Sie eine Förderung aus strategischen Gründen für sinnvoll?

Nein. Wir fördern die Energiewende, und wir legen Wert darauf, dass diese jetzt kostengünstig erfolgt. Und es ist Aufgabe der Wirtschaft, jetzt auch wettbewerbsfähig diese Produkte anzubieten. Wir werden jetzt diesen Markt nicht mit Subventionen durcheinander bringen.

In Paris findet im Dezember die wichtige UN-Klimakonferenz statt. Welche Position übernimmt Deutschland?

Europa ist mit verantwortlich für die Entstehung des Klimaproblems und den fortgesetzten Ausstoß von hohen Mengen von CO2. Die EU hat sich verpflichtet seine Treibhausgase bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel und andere Weltregionen werden sich daran messen müssen. Ich sehe eine Chance in Paris. Aber auf diesen UN-Konferenzen müssen Sie knapp 200 Mitgliedsstaaten unter einen Hut bringen. Das ist eine gewaltige Herausforderung. Wir arbeiten daran, und mit der europäischen Vorgabe, minus 40 Prozent, sind wir sehr gut aufgestellt.

Der Energieexperte und Volkswirt Rainer Baake ist Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und ist federführend für die Energiewende verantwortlich. Der grüne Politiker war bereits von 1990 bis 2005 Staatssekretär im damaligen Bundesumweltministerium und zuständig für die Energiewende und den Atomausstieg. Danach war er sechs Jahre Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe und 2012 bis 2013 Direktor der Denkfabrik „Agora Energiewende“.

Das Interview führte Gero Rueter.

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