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Literatur

Enoh Meyomesse: "Ich will mich bedanken!"

Sabine Peschel
15. November 2017

Jährlich am 15. November, dem "Tag des inhaftierten Schriftstellers“, erinnert der Internationale PEN an verfolgte Autoren. Einer von ihnen ist Enoh Meyomesse aus Kamerun. Er kam frei und lebt derzeit in Deutschland.

Köln Enoh Meyomesse ( Schriftsteller und Politiker aus Kamerun)
Bild: DW/M. Dronne

Enoh Meyomesse (geb. 1954) ist Lyriker, Romanautor, Dramatiker, Historiker und politischer Aktivist. Nach seinem Studium in Paris und Straßburg kehrte er nach Kamerun zurück. Er veröffentlichte Gedichtbände, Romane, Theaterstücke und politische Essays, zudem arbeitete er an einem monumentalen Geschichtswerk über Kamerun. Manche seiner Bücher wurden aufgrund ihrer regierungskritischen Inhalte zensiert. Nachdem er bei den Präsidentschaftswahlen des Jahres 2011 kandidieren wollte, wurde der Autor verhaftet und monatelang in Einzelhaft und bei vollständiger Dunkelheit eingesperrt. Erst ein Jahr nach seiner Festnahme wurde er im Dezember 2012 von der Militärjustiz zu sieben Jahren Haft und zu einer Geldstrafe verurteilt. 2013 erhielt der inhaftierte Meyomesse den Oxfam Novib/PEN Freedom of Expression Award. Schriftsteller im Ausland brachten seinen Fall vor die UN-Menschenrechtskommission. Im April 2015 wurde das Urteil gegen ihn revidiert. Seit Oktober 2015 lebt Meyomesse in Darmstadt als Stipendiat des Elsbeth-Wolffheim-Programms des PEN und der Stadt Darmstadt.

Auf Deutsch erschienen die Bücher "Tagebuch eines afrikanischen Illegalen" und "Frühling in Deutschland". 2017 wurden Texte Meyomesses in der PEN-Anthologie "Zuflucht in Deutschland. Texte verfolgter Autoren" im S. Fischer Verlag veröffentlicht.

DW: Es ist ziemlich genau sechs Jahre her, dass Sie in Kamerun festgenommen wurden. Was waren die Gründe für Ihre Inhaftierung?

Enoh Meyomesse: Sie warfen mir vor, dass ich einen Staatsstreich geplant hätte, mich mit einer Spezialarmee verbündet und Waffen versteckt haben sollte. Sie suchten bei mir zuhause, aber sie fanden nichts. Ich wurde trotzdem mit dieser Anklage verhaftet. Ich war drei Jahre im Gefängnis, ehe ich 2015 freigelassen wurde.

Was war ausschlaggebend für Ihre Inhaftierung, abgesehen von den vorgeschobenen Begründungen? Ging es um das, was Sie in Ihren Büchern oder als Lyriker geschrieben hatten, oder wurden Sie eingesperrt, weil Sie Präsident werden wollten?

Im März 2017 wurde Kameruns Präsident Paul Biya von Papst Franziskus zur einer Privataudienz empfangenBild: Getty Images/AFP/V. Pinto

Ich glaube, beides trifft zu. Ich hatte mich gegen Paul Biya, der seit 1982 im Amt war, als Kandidat aufstellen lassen wollen. Aber ich kam aus derselben Region wie der Präsident, das war das Haupthindernis für meine Kandidatur. Sie konnten nicht zulassen, dass jemanden den Anspruch hatte, als Kandidat der Südlichen Region aufzutreten. Das war, denke ich, der vorrangige Grund.

2015 wurde das Urteil revidiert. Sie wurden für unschuldig befunden und freigelassen. Wie kam es dazu?

2013 war ich zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden. Mein Rechtsanwalt focht das Urteil an. In der Revision stellte man fest, dass ich keinen Staatsstreich geplant hatte. Deshalb ließ man mich frei. Ich hatte keine Waffen, keine Verbindungen zu irgendeiner Armee oder bewaffneten Rebellen in Kamerun - es gab einfach keinerlei Beweise.

Das juristische System in Kamerun funktioniert also doch, zumindest halbwegs?

In Kamerun sind die Richter manchmal unabhängig, manchmal stehen sie unter dem Druck der Herrschenden. In meiner Angelegenheit durfte ich feststellen, dass sie in ihrer Entscheidung frei waren und nicht unter Druck standen. Das hat mich sehr überrascht!

Wie wichtig war die Unterstützung durch andere Schriftsteller, als Sie im Gefängnis waren?

Im Oktober 2017 kam es im englischsprachigen Norden Kameruns zu Protesten und FestnahmenBild: Reuters/TV

Ich kann sagen, dass die Unterstützung von Schriftstellern aus der ganzen Welt, organisiert über den PEN, fantastisch war. Sie haben Tausende von Briefen geschrieben: an den Präsidenten in Kamerun, an den Premierminister, den Präsidenten der Nationalversammlung, den Justizminister und den Gefängnisdirektor. Zeitweise bekam ich mehr als 200 Postkarten im Gefängnis. Diese Briefe haben meine Situation verändert. Die Autoren schickten mir Geld ins Gefängnis, jeden Monat 100 Euro. Ohne Geld stirbst du im Gefängnis. Nach meiner Freilassung erhielt ich ein Stipendium, mit dem ich nach Deutschland kam. Das war fantastisch.

Was ist Ihre Muttersprache?

Das ist Fang, eine Sprache, die im südlichen Kamerun, in Gabun, Äquatorialguinea und im Kongo gesprochen wird. Aber ich habe Französisch, Englisch und ein bisschen Spanisch in der Schule gelernt.

Sie haben in Frankreich studiert, Sie schreiben und kommunizieren auf Französisch. Warum sind Sie nach Ihrer Haftzeit nach Deutschland gekommen?

Das habe ich mir nicht ausgesucht, ich wurde eingeladen. Und ich habe dankbar angenommen.

Wie ist Ihr Leben jetzt?

Ich habe in Deutschland ein gutes Leben. Man hat mir ein wunderbares Appartement zur Verfügung gestellt, und ich erhalte jeden Monat einen Betrag für meinen Lebensunterhalt. Ich reise viel, ich werde viel eingeladen. Ich kann viele Bücher kaufen und viel schreiben. Das ist fantastisch.

Schreiben Sie täglich?

Ja, ich schreibe an jedem Tag, soweit möglich. Ich schreibe viel. Zur Zeit arbeite ich an einem Roman mit dem Titel "Les Misérables". Den habe ich einem Roman von Victor Hugo entlehnt, denn ich betrachte die Politiker in meinem Land als "Misérables", als Elende.

Wie ist die Situation für Schriftsteller - oder für Intellektuelle oder Akademiker allgemein - gegenwärtig in Kamerun?

Viele Journalisten sitzen im Gefängnis. Als Schriftsteller lebt man in Kamerun in ständiger Unsicherheit. Sie können einen jederzeit erledigen.

Könnten Sie nach Kamerun zurückkehren?

Das weiß ich nicht. Es könnte sein, dass mir gar nichts passierte, wenn ich zurückginge, oder ich könnte wieder ins Gefängnis wandern. Ich habe darauf keine Antwort.

Enoh Meyomesse bei einer Veranstaltung in Köln im Februar 2017Bild: Ralf Juergens

Ist Ihre Frau zusammen mit Ihnen in Darmstadt?

Nein. Das deutsche Konsulat in Jaunde hat sich absolut geweigert, ihr ein Einreisevisum auszustellen. Wir haben alles probiert, aber ohne jeden Erfolg.

Wie ist das möglich?

Sogar die Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters, hat sich gegenüber dem Auswärtigen Amt und dem Konsulat in Jaunde für mich eingesetzt. Aber sie blieben mit allen möglichen Ausreden bei ihrer Weigerung. Alle anderen Stipendiaten des PEN-Programms, zum Beispiel Schriftsteller aus Bangladesch, konnten mit ihren Familien gemeinsam kommen. Aber das Konsulat in Jaunde bleibt ablehnend. Die Konsulin erteilt manchmal in einem Monat nur ein einziges Visum, ein einziges. Ich habe alle Unterlagen, und ich möchte auch nicht für immer in Deutschland bleiben. Wenn mein Stipendium ausläuft, werde ich nach Kamerun zurückkehren oder in ein anderes Land gehen, vielleicht mithilfe des PEN. Das alles habe ich dieser Konsulin erzählt, aber sie blieb unerbittlich.

Sie sind jetzt schon zwei Jahre hier. Wie lange läuft Ihr Stipendium noch?

Noch ein Jahr, bis Oktober 2018.

Können Sie selbst, so lange Sie hier sind, Schriftstellern oder Journalisten helfen, die in Kamerun im Gefängnis sitzen?

Ja. Manchmal schicke ich ihnen ein bisschen Geld, damit sie besser überleben. Ich habe Freunde, die inhaftiert sind. Ich möchte mich bei den Menschen in Deutschland bedanken, dass sie mir geholfen haben, als ich im Gefängnis war. Sie haben mich nach Deutschland eingeladen, haben mir eine Wohnung und einen Laptop gegeben und gute Bedingungen für mich geschaffen, so dass ich schreiben kann. Das ist wunderbar, und dafür danke ich Ihnen.

Das Gespräch führte Sabine Peschel. Die DW traf Ennoh Meyomesse bereits vor zwei Jahren im Rahmen des Specials Art of Freedom. Freedom of Art.
 

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