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Politik

Entspannte "Black Lives Matter"-Proteste

7. Juni 2020

Eis essen statt Gewalt: Der bisher größte Protesttag in Washington nach dem Tod von George Floyd blieb friedlich. Militär und Polizei hielten sich zurück, viele Demonstranten brachten ihre Kinder mit vor das Weiße Haus.

USA: Black Lives Matter Protest in Washington D.C.
Bild: DW/C. Bleiker

Ganz eine Million Menschen sind es wohl doch nicht, die an diesem Samstag nach Washington DC gekommen sind, um an einer Vielzahl "Black Lives Matter"-Protesten teilzunehmen. Aber die Demos, von denen einige Social Media Nutzer als "One Million March" oder "Eine Million gegen Polizeigewalt" gesprochen hatten, brachten Zehntausende Menschen überall in der US-Hauptstadt auf die Straße. Es ist der für Washington bisher größte Protest seit der Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten am 25. Mai in Minneapolis.

Starke Forderungen, entspannte HaltungBild: DW/C. Bleiker

Um 13 Uhr Ortszeit marschiert eine große Menschenmenge vom Lincoln Memorial Richtung Weißes Haus. Sie passiert zwar an jeder Straßenkreuzung gepanzerte Militärfahrzeuge und Soldaten in Tarnfarben-Uniform. Aber im Gegensatz zu vorherigen Tagen ist die Situation entspannt. Einer der Protestierenden unterhält sich mit einem Soldaten über Baseball.

Jill, 75, die seit 20 Jahren in Washington lebt, stört die Militärpräsenz trotzdem. "Geht nach Hause!", ruft die weißhaarige Dame einer Gruppe Soldaten entgegen. "Ich bin zornig darüber, dass wir zu diesem Zeitpunkt Soldaten in der Stadt haben", sagt Jill, die mit ihrer Freundin Maude unterwegs ist. "Sie am Lincoln Memorial zu sehen - das ist einfach eine obszöne Geste." Sie habe einen solchen Einsatz noch nie in ihrer Stadt erlebt.

Diesmal keine Polizei vor der St. John's Kirche

Friedlicher Protest in WashingtonBild: DW/C. Bleiker

US-Präsident Donald Trump hatte mehr Militär in die Hauptstadt beordert, nachdem die Proteste am Montagabend eskaliert waren, nachdem Polizei und Secret Service friedlich Protestierende noch vor Beginn der Sperrstunde mit Tränengas und Blendgranaten vom Weißen Haus zurückgedrängt hatten. Die Demonstranten waren einem Fototermin des Präsidenten vor der St. John's Kirche im Weg gewesen.

An diesem Samstag ist die kleine Kirche gegenüber des Weißen Hauses wieder für alle frei zugänglich. Lafayette Park, die Grünfläche direkt vor dem Weißen Haus, ist zwar mit einem hohen Metallzaun abgeriegelt. Aber anders als Montag stehen die tausenden Protestierenden an diesem Nachmittag zwischen St. John's und Lafayette Park keinen städtischen Polizisten, Soldaten oder anderen Sicherheitskräften gegenüber. Erst ein ganzes Stück weiter die 16. Straße runter, mehrere Blocks vom Weißen Haus entfernt, haben sich Sicherheitskräfte aufgebaut, um die Straße für Autos zu blockieren.

Neuer Name und symbolträchtiger Ort des Protestes: Black Lives Matter PlazaBild: DW/C. Bleiker

So ist eine Protestmeile entstanden auf der 16. Straße - oder der Black Lives Matter Plaza, wie sie von Washingtons Bürgermeisterin Muriel Bowser umbenannt wurde. Bowser ließ den Slogan in riesigen gelben Lettern auf die Straße malen, die direkt aufs Weiße Haus zuführt. Jetzt herrscht hier eine fast entspannte Atmosphäre. Viele Familien sind mit kleinen Kindern unterwegs, erschöpfte Demonstranten liegen auf den Stufen der St. John's Kirche im Schatten.

Kinderbücher statt Geschosse

Ein paar Meter neben der Kirche hört man neben Rufen wie "Hände hoch, nicht schießen" und "Ich kann nicht atmen", den letzten Worten von George Floyd, am Samstagnachmittag auch Musik. Ein Halbkreis hat sich um Abimbola George und seine Freunde gebildet. Die jungen Schwarzen tanzen, animieren die Leute, zu klatschen - und verteilen Kinderbücher an die Menge. "Bücher, keine Geschosse!" ruft eine von Georges Freundinnen, während sie den Menschen die Bücher in die Hand drückt.

Das Schweigen der Weißen sei Teil der Gewalt, bringt diese Aktivistin zum AusdruckBild: DW/C. Bleiker

"Wir wollen, dass die Menschen sich schlau machen und auch noch etwas anderes von diesen Protesten mitnehmen", sagt George. "Letztes Wochenende schlug mir ein Polizist auf den Kopf", aber zuhause bleiben käme für ihn nicht in Frage. "Ich muss etwas tun, und ich habe mich für das hier entschieden." Um 14 Uhr hat die kleine Gruppe alle ihre 500 Bücher verteilt.

Entspannt am Eiswagen

Andere Menschen haben kleine Pavillons auf der Black Lives Matter Plaza aufgebaut und verteilen gekühlte Wasserflaschen und Energiedrinks. Die Demonstranten, die seit Stunden in der prallen Hitze durch ihre Masken atmen, können die Erfrischung gebrauchen. Vor einem Klapptisch, an dem eine Frau gratis Pizza aus Lieferkartons verteilt, hat sich eine kleine Schlange gebildet. Und ein Stück die Straße rauf steht eine ganze Reihe Eiswagen, die Milchshakes und Eis am Stiel anbieten - dafür muss allerdings bezahlt werden.

Nicht hitzig - nur heiß: Protestzug in der MittagssonneBild: DW/C. Bleiker

Etwa 10 Minuten zu Fuß von der Black Lives Matter Plaza hat die Foundry United Methodist Church ihre Türen geöffnet. Wer will, darf hier die Toiletten benutzen. Whitney ist eine der Freiwilligen der Gemeinde, die Müsliriegel und Wasser verteilt. "Ich habe eine medizinische Ausbildung und nachdem, was am Montag passiert war, wurde ich gefragt, ob ich hier helfen kann", sagt sie. An diesem schwülen Nachmittag seien die Proteste aber zum Glück friedlich. "Ich habe mich bisher erst um einen Hitzschlag kümmern müssen." Demonstranten und Organisatoren ziehen am Ende dieses großen Protesttages eine positive Bilanz.

 

Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker
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