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Politik

Enttäuschung und Wut in Jerusalem

9. Dezember 2017

Am Freitag gingen tausende Palästinenser auf die Straße, um gegen die Entscheidung von US-Präsident Trump zu protestieren, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Tania Krämer berichtet von dort.

Jerusalem (Ost) Proteste nach Ankündigung Trumps zu US Botschaft
Ost-Jerusalem: Wütende Proteste in angespannter LageBild: picture-alliance/AA/S.Z. Fazlioglu

"Ost-Jerusalem ist unsere Stadt, wir leben nun mal hier", sagt Mahmoun Abassi, seine beiden Söhne an seiner Seite. Der Palästinenser ist heute extra zum Freitagsgebet in die Al-Aksa-Moschee in die Altstadt gekommen. Um "ein Zeichen zu setzen für meine Heimatstadt", wie er sagt. Am Mittwoch hatte der amerikanische Präsident Donald Trump Jerusalem als die Hauptstadt Israels anerkannt. Damit kam er einem Wahlversprechen in den USA nach - und einem langjährigen Wunsch Israels. Für die Palästinenser wiederum war es ein schwerer Schock. Denn sie wollen Ost-Jerusalem einmal als die Hauptstadt ihres zukünftigen Staates sehen.

"Trump gibt etwas an ein anderes Volk, was weder ihm noch den anderen gehört", sagt Bashar Mashni und spricht einen Satz aus, der heute ganz oft zu hören ist. Der Jungunternehmer ist mit seinen Freunden zur Altstadt gekommen. "Jetzt gehen wir Palästinenser auf die Straße, und auch in anderen arabischen Ländern wird demonstriert. Auf unsere Politiker können wir uns nicht verlassen. Wir müssen das selbst in die Hand nehmen." Immer wieder gibt es Sprechchöre, das ist "unsere Stadt, Jerusalem". Es sind mehrere hundert Palästinenser, die sich nach dem Freitagsgebet dort versammeln. Beobachtet von Journalisten und Fernsehkameras aus aller Welt, die sich vor der Altstadt aufgebaut haben. Der Protest ist weitgehend friedlich, doch immer wieder gehen israelische Spezialeinheiten und berittene Polizei gegen die Demonstranten vor und versuchen sie vom Platz zu vertreiben. Einige Palästinenser werden festgenommen.

Medienvertreter aus aller Welt vor dem DamaskustorBild: DW/Tania Kraemer

Tausende protestieren im besetzten Westjordanland

Proteste gibt es auch im gesamten Westjordanland - tausende gehen dort auf die Straßen. Über 700 Palästinenser werden bei den Zusammenstößen zwischen israelischer Armee und Demonstranten verletzt, vor allem durch Gummigeschosse und Tränengas. Im Gazastreifen wird ein junger Mann bei Protesten am Grenzzaun erschossen. Ismail Hanija, Chef der Hamas in Gaza hatte am Donnerstag zu einer dritten Intifada aufgerufen. Just an dem Tag, an dem sich die erste Intifada (Aufstand) zum 30. Mal jährt. Doch ob die Massen diesmal auch langfristig folgen werden, ist ungewiss. "Es ist zu spät, dass die palästinensische Führung von ihren Bürgern so etwas verlangt, nachdem sie sich über zehn Jahre in den eigenen Reihen (zwischen Hamas und Fatah) gestritten und die Bevölkerung im Stich gelassen hat", sagt Sami Abdel Shafi, unabhängiger Beobachter aus Gaza-Stadt. "Es ist Aufgabe der Politik, dem politischen Kurswechsel der USA entgegenzutreten, aber nicht Aufgabe der Menschen, die einfach erschöpft sind."

Heftige Proteste auch im WestjordanlandBild: Getty Images/AFP/A. Momani
Israel Grenzpolizei sichert im Juli den Tempelberg mit MetalldetektorenBild: picture alliance/dpa/newscom/D. Hill

Andere denken an die Proteste im Sommer, als Israel Metalldetektoren an den Eingängen zum Haram Al Sharif, dem Tempelberg, angebracht hatte. Zuvor hatten dort drei israelisch-arabische Attentäter zwei israelische Polizisten erschossen. Nach wochenlangen Protesten musste die israelischen Regierung dem Druck weichen und die Metalldetektoren wieder entfernen. "Ich denke, jede Phase hat ihre Mittel, und ich glaube, die letzten zwei Intifadas waren die richtigen Mittel zu der damaligen Zeit", sagt Passant Bashar Mashni. "Wir müssen jetzt etwas finden, was uns jetzt in dieser Zeit effektiv hilft."

Ratlosigkeit über die US-Entscheidung

Doch die jetzige Situation scheint fast ausweglos. Dabei schwankt die Stimmung zwischen Enttäuschung, Wut, aber auch Ratlosigkeit. "Ich fühle mich in meiner eigenen Stadt, als sei ich Ausländer, so werde ich hier behandelt", sagt Haitham, ein junger Palästinenser, der mit seinen Freunden die Proteste und das Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte verfolgt. Rund 320.000 Palästinenser leben in Ost-Jerusalem. Auch wenn sie in einer Stadt leben, haben sie nicht die gleichen Rechte und Dienstleistungen wie israelische Jerusalemer. Ihnen wird nur eine Art Residenzstatus gewährt, ein sogenannter "Jerusalemer Ausweis", der ihnen aber auch aberkannt werden kann. Palästinenser aus dem Westjordanland wiederum benötigen eine Erlaubnis der israelischen Behörden, um Jerusalem besuchen zu können. Wer im Gazastreifen wohnt, hat noch schlechtere Chancen, die Stadt und die heiligen Stätten je betreten zu können - auch hier wird eine Erlaubnis der israelischen Behörden benötigt, die selten erteilt wird. Auch deshalb ist Jerusalem mit seinen heiligen Stätten nicht nur politisch wichtig, sondern auch ein Sehnsuchtsort für viele Palästinenser. Die jetzige Entscheidung des US-Präsidenten verstärkt die Ungewissheit, wie es jetzt hier weitergeht.

Israelische Sicherheitskräfte vor der Jerusalemer AltstadtBild: DW/Tania Kraemer
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