Berlin kürzt Entwicklungshilfe - Hilfsorganisationen warnen
30. Juli 2025
Für Hilfsorganisationen ist es ein schwerer Schlag. "Es bestürzt uns. Und es trifft Menschen im globalen Süden", sagt Oliver Müller, Leiter von Caritas international, einer der Organisationen, die sich in der Not- und Katastrophenhilfe weltweit engagieren. Müller schaut kritisch, ja entsetzt auf den Entwurf des Bundeshaushalts für 2026, der am Mittwoch von der Bundesregierung beschlossen wurde.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat den Entwurf vorgestellt. Demnach rutscht der Etat des "Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" (BMZ) erstmals seit dem Jahr 2018 unter die Grenze von zehn Milliarden Euro. Es ist ein Minus von 330 Millionen Euro. Schon im Vorjahr war der Etat um knapp eine Milliarde Euro geschrumpft.
Caritas warnt: Nothilfe-Projekte fallen ersatzlos weg
Doch das ist nicht die einzige Kürzung. Was Oliver Müller gleichfalls alarmiert: Im Etat des Auswärtigen Amtes (AA) sollen die Ausgaben für humanitäre Nothilfe im Jahr 2026 um gut die Hälfte wegbrechen. Es gebe mehrere große Projekte, die seine Organisation bisher dank staatlicher Gelder stemmen könne, aber: "Die fallen erstmal ersatzlos weg."
Müller betont, Caritas international werde nun nicht "mit dem Rasenmäher" kürzen: "Es gibt einfach Notlagen, die wir als so groß und schrecklich ansehen, dass wir mit mehr eigenen Mitteln, mit Spenden und auch mit kirchlichen Geldern weiterarbeiten wollen."
Als Beispiel verweist Müller auf die Unterstützung von Binnenvertriebenen im Osten der Demokratischen Republik Kongo, "eine der großen humanitären Katastrophen der Gegenwart". Dafür gebe es nun keine Gelder des AA mehr: "Schlimmstenfalls hilft da niemand mehr." Derzeit liege es im Trend, bei der Hilfe für die weltweit Ärmsten zu sparen, sagt Müller und verweist auf die USA, auf Großbritannien, Belgien und weitere EU-Länder.
Experten kritisieren die deutsche Regierung
An den geplanten Kürzungen der Bundesregierung gab es breite Kritik von weiteren Organisationen. VENRO, der Dachverband der Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe, warnte Deutschland davor, sich "aus der Verantwortung zu stehlen".
Angesichts der absehbaren Kürzungen sei eine strategisch ausgerichtete internationale Zusammenarbeit nicht mehr möglich. Die Bundesregierung übersehe die Bedeutung der Arbeit fachlich qualifizierter und vor Ort vernetzter Organisationen aus der Zivilgesellschaft bei der Nothilfe. Das sei "absolut unverständlich".
Bereits am Vortag hatten 17 Hilfsorganisationen gemeinsam der Bundesregierung vorgeworfen, mit dieser Finanzplanung "nicht nur lebensrettende Maßnahmen, sondern auch Deutschlands strategische Interessen und internationale Glaubwürdigkeit" zu gefährden. An dem Appell beteiligten sich unter anderen Brot für die Welt, die Welthungerhilfe, One und Oxfam. Im Juni gab es bereits einen ähnlichen Appell von 30 Organisationen.
Mit all dem verliert das Haus von Ministerin Reem Alabali Radovan (SPD), die seit Mai im Amt ist, Handlungsmöglichkeiten. Die sinkende Bedeutung der Entwicklungspolitik zeigt sich beim Blick auf den Gesamthaushalt.
Vom vorgesehenen Gesamtetat von 520,5 Milliarden Euro entfallen 9,94 Milliarden auf das BMZ. Das sind gut 1,9 Prozent. Den höchsten Prozentsatz erreichte dessen Haushalt mit 2,87 Prozent (2019) unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel (2005-2021). Sie betonte mehrfach die Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit.
Als Schwerpunkte des Bundeshaushalts für 2026 - zu einem Drittel durch neue Kredite finanziert - nannte Finanzminister Klingbeil die Konsolidierung des Haushalts, die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und die wachsende Bedeutung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr angesichts des russischen Angriffskriegs. Ohne den russischen Präsidenten Wladimir Putin würde dieser Haushalt anders aussehen, sagte der SPD-Politiker und Vizekanzler der schwarz-roten Bundesregierung.
Das 0,7-Prozent-Ziel ist Vergangenheit
Als Klingbeil an diesem Mittwoch vor Journalistinnen und Journalisten eine Stunde zum Etatentwurf 2026 spricht, kommt das Thema Entwicklungszusammenarbeit knapp gegen Ende vor. Finanzstaatssekretär Steffen Meyer bestätigt, dass in den kommenden Jahren auch die sogenannte ODA-Quote spürbar sinkt.
Sie steht in der internationalen Fach-Sprache für den Anteil der Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit am Bruttonationaleinkommen. 2024 lag sie in Deutschland bei 0,67 Prozent. Meyer nannte 0,52 Prozent für 2026 und nur noch 0,43 für 2029. Damit ist das seit Jahrzehnten angestrebte und international ausgegebene Ziel von 0,7 Prozent erledigt.
Klingbeil verwies gegen Ende seiner Pressekonferenz darauf, dass der Rückgang der Gelder für die internationale Entwicklungszusammenarbeit auch der Kompromisssuche während der Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD geschuldet sei.
Seine Partei habe das BMZ als eigenständiges Ministerium beibehalten wollen, erläuterte er. Das habe man erreicht, aber die Mittel gingen zurück. Seit langem wird immer wieder - vor allem von der liberalen FDP, aber auch von Teilen der konservativen Unionsparteien - die Streichung des BMZ angeregt.
Oliver Müller von Caritas International betonte, das eigenständige BMZ bleibe trotz geringerer Finanzmittel wichtig: "Wenn es das Ministerium nicht gäbe, wäre es noch schlimmer."
Wichtig sei aber der Bewusstseinswandel, die Erkenntnis, dass das Engagement in der Entwicklungspolitik und der humanitären Nothilfe auch der globalen Sicherheit und dem Klimaschutz diene: "Das hilft letztlich auch uns in Deutschland."