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Entwicklungshilfe: Deutschland spart bei den Ärmsten

17. Juni 2025

Die Bundesregierung plant 2025 weitere Kürzungen bei der Entwicklungshilfe. Experten sehen darin ein Risiko für globale Stabilität und humanitäre Versorgung.

Eine Frau steht vor einer weißen Wand und stellt farbige Wasserkanister auf. Auf der Wand sind ein Bundesadler, die deutsche Flagge und das Logo der Deutschen Welthungerhilfe zu sehen.
Deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Kenia: Regenwassertanks helfen der Gemeinde Mindali, ihre Bewohner mit Trinkwasser zu versorgen Bild: Thomas Koehler/photothek/IMAGO

US-Präsident Donald Trump hatte seine zweite Amtszeit kaum begonnen, als er Anfang Februar tiefe Einschnitte in der Entwicklungshilfe auf den Weg brachte. Rund 80 Prozent sollen gestrichen werden. Mit rund 63 Milliarden Dollar war sein Land 2024 noch der größte Unterstützer von Entwicklungs- und Schwellenländern. Gefolgt von Deutschland mit gut 32 Milliarden Dollar.

Deutschland verfehlt erneut das 0,7-Prozent-Ziel

Auch die seit Mai amtierende Bundesregierung aus Unionsparteien (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD) plant für das Jahr 2025 weitere Kürzungen, nachdem bereits die alte Koalition aus SPD, Grünen und Freien Demokraten (FDP) den Etat des Entwicklungsministeriums um acht Prozent gekürzt hatte. Dadurch war die sogenannte ODA-Quote (Official Development Assistance) unter das selbst gesteckte Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens gesunken. Seit 2020 hatte sie durchgehend darüber gelegen.

Aus Sicht der Deutschen Welthungerhilfe und des Kinderhilfswerks Terre des Hommes sind die Kürzungen ein fatales Signal, zumal sich CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag nicht mehr ausdrücklich zum 0,7-Prozent-Ziel bekennen: "Damit kündigt die Bundesregierung nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine politische Abkehr von internationalen Verpflichtungen an", kritisieren beide Organisationen in ihrem "Kompass 2025" genannten Bericht zur Entwicklungspolitik. 

Deutschland soll Führungsrolle in der Friedenspolitik übernehmen

Welthungerhilfe-Generalsekretär Mathias Mogge und TDH-Vorstandssprecher Joshua Hofert fordern die Bundesregierung auf, angesichts einer zunehmend unfriedlichen Welt eine Führungsrolle in der Friedenspolitik einzunehmen. Dafür finden sich auf über 30 Seiten zahlreiche Empfehlungen an die Politik und illustrierende Grafiken zur Entwicklungszusammenarbeit.

"Deutschland muss sich für eine konsequente Achtung des humanitären Völkerrechts und der humanitären Prinzipien sowie für den Zugang zu Hilfe und den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegen und Konflikten einsetzen. Zudem muss es sich dafür einsetzen, dass Hunger nicht als Waffe eingesetzt wird", heißt es in der Bestandsaufnahme der Hilfsorganisationen. Tags zuvor hat das Stockholmer Institut für Internationale Friedensforschung (SIPRI) in seinem Jahresbericht die neusten Zahlen zur weltweiten Aufrüstung veröffentlicht.  

Humanitäre Nothilfe soll mehr als halbiert werden

Sorgen bereitet ihnen auch die geplante Kürzung von Mitteln für die humanitäre Nothilfe im Etat des Auswärtigen Amtes. Er soll um mehr als die Hälfte auf etwa eine Milliarde Euro reduziert werden. Die USA haben ihre Unterstützung für diesen von den Vereinten Nationen (UN) verwalteten Fonds komplett eingestellt. Wegen der weltweit massiven Kürzungen sieht sich Nothilfe-Koordinator Tom Fletcher gezwungen, zahlreiche Programme für die Ärmsten der Armen zu streichen.

Die Auswirkungen auf die bedürftigen und hungernden Menschen seien verheerend, beklagte der UN-Vertreter am Montag in Genf. Statt der ursprünglich veranschlagten 44 Milliarden rechnet Fletcher nur noch mit 29 Milliarden US-Dollar für die Verteilung von Lebensmitteln, Wasser, Medizin, Unterkünften und anderen Hilfsgütern. Das Geld wird Fletchers Angaben zufolge nur noch für 114 statt 180 Millionen Menschen reichen.   

Düstere Aussichten für viele afrikanische Länder

Von den Kürzungen der Entwicklungsetats werden nach Einschätzung der Hilfsorganisationen die ohnehin schon ärmsten Länder am meisten betroffen sein. Beispielhaft werden Burundi, Mosambik und Liberia genannt, wo die offizielle staatliche Entwicklungshilfe der Geberländer im Jahr 2023 zwischen 24 und 14 Prozent des Wirtschaftsvolumens ausmachte.

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Welche Folgen weniger finanzielle Unterstützung aus wohlhabenden Ländern haben kann, daran besteht für Hilfsorganisationen kein Zweifel: "Werden etwa Leistungen der sozialen Sicherung zurückgefahren, reagieren die Menschen kurzfristig, indem sie beispielsweise produktives Vermögen wie Vieh und Arbeitsgeräte verkaufen. Dies wiederum schränkt ihre Möglichkeit ein, längerfristig ihren Lebensunterhalt zu bestreiten."    

Bundesregierung bekommt schlechte Noten

Welthungerhilfe und Terre des Hommes stellen der Bundesregierung ein überwiegend schlechtes Zeugnis aus. Union und SPD sehen das anders: In ihrem Koalitionsvertrag werden die Kürzungen der Entwicklungshilfe und der humanitären Nothilfe als "angemessen" bezeichnet. "Dies steht im Widerspruch zu ihren ebenfalls erklärten Zielen, eine auskömmliche Finanzierung der humanitären Hilfe sicherzustellen – insbesondere, wenn sich andere Geber zurückziehen", kontern die Hilfsorganisationen.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland